Juristisch und historisch ist die Sache klar: Sowohl die Benin-Bronzen, als auch die Nofretete-Statuen und der Pergamon-Altar sind Eigentum der betreffenden, staatlichen Museen und damit letztlich der Bundesrepublik Deutschland. Darum könnte man es durchaus Veruntreuung nennen, wenn die Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die Außenministerin Annalena Baerbock die Benin-Bronzen aus deutschen Museen Nigeria übergeben.
Stiftungspräsident Parzinger findet es zudem richtig, dass nicht nur der preußische Name, sondern möglichst viele Artefakte aus der Stiftung verschwinden („Ich finde auch die Quantität ganz wichtig“). Damit kommt Nigeria in den Besitz der zweitgrößten Sammlung von Benin-Artefakten nach dem British Museum. Im Gegensatz zur deutschen Regierung und zum Stiftungschef Parzinger lehnt das British Museum die Rückgabe seiner Sammlung, die ca. 900 Artefakte umfasst, ab.
Inzwischen ist ein Streit zwischen der Regierung Nigerias und dem weitverzweigten Königshaus von Benin in Nigeria entbrannt um den Ort, an dem die Bronzen aufbewahrt werden sollen. Würde sich Osazee Amas-Edobor, der Sprecher der „Coalition of Benin Socio-Cultural Organizations“ durchsetzen, dann würde ein königliches Museum errichtet werden, in das die Bronzen kämen. Ob die Bronzen dann allen Menschen in Nigeria zugänglich wären, wie Baerbock, Roth und Parzinger letztlich argumentierten, dürfte höchst fraglich sein.
Wunden heilen, wie von Baerbock und Roth versprochen, wird die Rückgabe auch nicht. Im Gegenteil reißt sie Wunden auf, denn unterschiedliche Kräfte erheben in Nigeria Anspruch auf die Bronzen. Auch werden durch die Übergabe der Bronzen an Nigeria aus anderen Gründen keine Wunden geheilt. Gründe, die Baerbock und Roth übrigens bekannt sind, doch die von ihnen in wirklich kolonialistischer Manier ignoriert werden.
Das Material für die Bronzen erhielt das historische Königshaus von Benin seinerzeit von Sklavenhändlern im Tausch gegen Sklaven. „Wichtig ist, das Königreich von Benin war am transatlantischen Sklavenhandel beteiligt“, so Deadria Farmer-Paellmann, denn Sklaven wurden über den Hafen Ughoton, der zum Königreich Benin gehörte, verschifft. Farmer-Paellmann schrieb auch an die Public Park Stiftung des Horniman Museums in London, die ebenfalls über Rückgaben nachdenkt: „Wir bitten Sie, die Übertragung dieser Relikte nicht zu genehmigen – sie sind das Vermögen und Vermächtnis von Sklavennachkommen, nicht der Sklavenhändler.“
Die Restitution Study Group kommt zu der Ansicht: „Das Königreich Benin würde, durch Nigeria, durch die Rückführung dieser Relikte ungerechtfertigt bereichert. Schwarze Menschen unterstützen Sklavenhändler-Erben nicht, nur weil sie schwarz sind. Nigeria und das Königreich Benin haben sich nie für die Versklavung unserer Vorfahren entschuldigt.“ Nach Ansicht der Gruppe würden die Bronzen durch die „Rückgabe“ in den Palästen der Nachkommen der ehemaligen Sklavenhändler und von Profiteuren des Sklavenhandels verschwinden: „Solange die Bronzen sich auf westlichem Boden befinden, haben wir immer noch eine Aussicht auf Gerechtigkeit.“ All das kümmert Baerbock und Roth nicht. Ideologen stehen historischen Beweisführungen selten offen gegenüber, weil sie sich die Welt malen, wie es ihnen gefällt.
In diesem Klima der Veruntreuung wollte auch die Berliner Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung Saraya Gomis nicht zurückstehen, und forderte gleich mal, dass der Pergamon-Altar und die Nofretete-Büste zurückgegeben werden. Man könnte jetzt fragen, an wen Altar und Büste zurückgegeben werden, denn mit der Rechtsnachfolgerschaft der Türkei für das griechische Reich von Pergamon könnte es schwierig werden. Doch in dieses diffizile Thema muss man gar nicht eintauchen.
Die Staatsekretärin Gomis behauptete – von keiner Sachkenntnis getrübt – gegenüber dem Tagesspiegel: „All die Kulturgüter aus anderen Weltregionen gehören nicht uns, sie sind unrechtmäßig hier.“ Das stimmt weder für den Pergamon-Altar, noch für die Nofretete-Statue, denn beide sind rechtmäßig hier. Die Nofretete wurde im Rahmen einer genehmigten Grabung gefunden und fiel unter die übliche Fundteilung. Und eine Rückgabeforderung Ägyptens liegt wohl auch nicht vor. Pergamon wurde Ende des 19. Jahrhunderts ausgegraben und der Altar kam aufgrund eines Vertrages über die Fundteilung zwischen dem Deutschen Reich und dem Osmanischen Reich auf die Berliner Museumsinsel.
Weshalb hat Saraya Gomis eigentlich nicht das Ischtar-Tor ins Spiel gebracht? War ihr der Name zu kompliziert? Oder weiß man nicht, mit wem man im Irak verhandeln soll? Könnte dem Ischtar-Tor das gleiche Schicksal drohen wie den Buddha-Statuen von Bamiyan, den größten stehenden Buddha-Statuen der Welt, die von den Taliban 2001 zerstört worden sind? Und wie geben wir das Tor zurück, so wie es ausgegraben wurde, als Schutt? Wird dann auch die Ausgrabung rückwirkend bezahlt? Wenn Verträge aufgehoben werden, gilt dass für beide Vertragspartner.
Wenn Berlin der Zielvorgabe von Gomis folgt, dann brauchen wir eigentlich nicht mehr darüber zu streiten, ob die Stiftung noch „preußisch“ heißt, man kann sie verkleinern, die Gelder kürzen, denn die einfältigen Lichtprojektionen zweifelhafter Ideologien, die an die Stelle von Exponaten treten, benötigt kein Mensch. Der Irrtum besteht schlicht darin, dass man nicht zurückgibt, sondern nur staatliches deutsches Eigentum weggibt.