Kanzlerin Merkel kriegt personalpolitisch nichts mehr gebacken. Die einstige „Königin von Europa“ und angeblich „Mächtigste Frau der Welt“ muss auf EU-Ebene zusehen, wie andere den Ton abgeben. Aber das ist gar nicht mal so neu. Merkel hat es in 14 Jahren Kanzlerschaft nicht geschafft, auch nur einen einzigen international herausgehobenen Posten mit einem/einer Deutschen zu besetzen: Es gab für Deutschland keinen führenden Job in der EU-Kommission, im EU-Rat, in der EZB, im Internationalen Währungsfonds, in der Weltbank, im Gerichtshof der EU.
Besonders deutlich wird dies an der Spitze des Bundesministeriums der Verteidigung. Dabei wollen wir noch nicht einmal von einem Parlamentarischen Staatssekretär namens Peter Tauber (CDU) sprechen, der sich in Gedankenspielen gefällt, „Rechten“ bürgerliche Grundrechte abzuerkennen. Aber Tauber dürfte nach dem Geschmack seiner Kanzlerin sein, seit er gepostet hat: „Wer gegen Merkel ist, ist ein Arschloch.“
Bleiben wir beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg): Seit nunmehr fünfeinhalb Jahren ist Ursula von der Leyen nun an der Spitze dort. Da müsste doch endlich Schluss sein mit der Ausrede, für den materiell, personell und strukturell desaströsen Zustand der Bundeswehr seien ihre Amtsvorgänger verantwortlich. Siehe das Geleitwort des früheren Verteidigungsministers Rupert Scholz zum aktuellen Buch von Kraus und Drexl in der TE-Edition.
Frau von der Leyen hat auch kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Der Truppe hat sie ein Haltungsproblem attestiert, Kasernen wurden – wörtlich! – „Säuberungen“ unterzogen, denen unter anderem im vorauseilenden Gehorsam an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg ein Bild des jungen Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform zum Opfer fiel. Von Gerichten oder Staatsanwälten musste sich die Ministerin im Fall des Oberleutnants Marco A. und nach dem unzutreffenden Vorwurf angeblicher sexuell-sadistischer Praktiken in der Staufer-Kaserne in Pfullendorf stoppen lassen.
Ein ntv-Kommentator beschreibt die Lage im Ausschuss zutreffend wie folgt: „Dass wir all das wissen, ist dem Untersuchungsausschuss zu verdanken, in dem die SPD auf die Koalitionsdisziplin pfeift, die Opposition eine starke Figur abgibt und selbst die Union ihre Haltung aufgegeben hat, Zeugen, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gefährlich werden können, wie Angeklagte zu behandeln. Angenehm ist auch, dass die AfD-Vertreter vernünftig mitmachen und auf alle verbalen Übertreibungen oder Attacken auf ‚das System‘ verzichten.“
Niemand will alle Probleme der Ministerin ankreiden. Aber sie kriegt nichts nicht in den Griff. Also stellt sich die Frage: Wird von der Leyen das politisch überleben? Eigentlich kann sie es gar nicht überleben, wenn Maßstäbe angelegt werden, nach denen früher ein Bundesminister den Hut nahm, indem er – ohne sich selbst schuldig gemacht zu haben – die politische Verantwortung übernahm. Siehe Rudolf Seiters (CDU), der im Falle einer am 27. Juni 1993 missglückten Festnahme von zwei RAF-Terroristen in Bad Kleinen sieben Tage später zurücktrat.
Das Problem heißt allerdings aus zwei Gründen auch Merkel: Sie hat nicht mehr die Kraft für einen personalpolitischen Befreiungsschlag. Und zweitens: Die Bundeswehr war ihr in 14 Jahren Kanzlerschaft (seitdem wurde die Bundeswehr beschleunigt zur Reformruine) ziemlich egal. In diesen 14 Jahren gab es vier Verteidigungsminister der Union, aber nur eine einzige Kanzlerin, die im Kriegsfall übrigens Oberbefehlshaberin wäre.
Josef Kraus / Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine. FBV, 240 Seiten, 22,99 €
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