Nicht nur die Kirchenfunktionäre der Kirche von Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sehen politische Gefahren einzig im Rechtspopulismus und im Rechtsextremismus, nicht aber im Linkspopulismus und Linksextremismus, sondern auch die Funktionäre der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Beide Kirchen scheinen die Antifa für eine Unterabteilung der Diakonie und das Wüten von Linksextremisten bspw. in Hamburg während des G20 Gipfel 2017 für einen besonders beschwingten Evangelischen Kirchentag zu halten.
Anders ist es nicht zu erklären, weshalb sowohl in der jüngsten Handreichung für die Wahl der Gemeindeältesten der EKBO und der Orientierungshilfe Rechtspopulismus Kirchenvorstände der Ev. Kirche Hessen-Nassau vom Dezember 2018 im Zusammenhang mit menschenverachtendem Verhalten, Äußerungen und Handlungen nicht Links- und Rechtsextremismus gleichermaßen als gesellschaftliches Problem benannt werden. Es hat den Anschein, dass die Funktionäre beider Kirchen den Linksextremismus als eine lässliche Sünde und sie linke Gewalt gegen das, was sie für rechts halten, als gerechtfertigt ansehen. Wie hört man oft von ihnen, wer schweigt, stimmt zu.
Gut in Erinnerung ist noch der Tweet des damaligen Kommunikationsdirektors der Erzdiözese Köln zum Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017, Ansgar Mayer: „Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen Euren Atommüll, Ihr nehmt Sachsen?“ Spiegelt sich in dem Tweet des Kirchenfunktionärs, hier der katholischen Kirche, die Vorstellung der christlichen Kirche von menschenliebend im Gegensatz zu menschenverachtend wider? Oder geht es am Ende gar nicht um Menschlichkeit und um Demokratie, sondern schlicht darum, den politischen Gegner der grünen Ideologie zu bekämpfen, dem man Rassismus, Islamophobie, Heterodominanz und Menschenfeindlichkeit unterstellt? Ist sich die Kirchenleitung ihrer Verantwortung hinreichend bewusst in Zeiten, in denen für Behauptungen und Verleumdungen keinerlei Beweise und Belege mehr notwendig zu sein scheinen?
Immer stärker bekommt man den Eindruck, der sich belegen lässt, dass es kirchenamtlich darum geht, Feinde zu definieren, die in der Kirche kein Amt zu übernehmen haben. So hat der Leiter des Kulturbüros der EKD, Johann Hinrich Claussen, in einem Essay für die EKD-nahe Postille Zeitzeichen klargestellt: „Der Feind aber ist mehr und etwas anderes als ein Gegner: Er hasst uns und unsere politische Kultur, teilt unsere Grundvorstellungen nicht, will ein anderes System … Deshalb muss man mit ihm anders streiten als mit dem Gegner: Er darf keinen noch so kleinen Anteil an der Macht erhalten, sein Sieg ist unter allen Umständen zu verhindern, Kompromisse sind mit ihm nicht erlaubt. Es darf kein Appeasement geben.“ Pardon wird nicht gemacht. Ist das die Sprache der Kirche, die zu Recht das Gebot der Nächstenliebe hochhält? Claussen will sogar eine Theologie des Feindes etablieren und versucht deshalb, Carl Schmitts Vorstellung über den Feind rotgrün zu taufen.
Eine Theologie des Feindes, die der Handreichung und der Orientierungshilfe zu Grunde zu liegen scheint, wird jedoch dazu führen, diejenigen Christen, die sich dem neuen rotgrün säkularisierten Credo verweigern, zum Antichristen, wenn nicht ganz und gar zum politischen Teufel zu erklären. Wird der gläubige Christ, der in der Kirche Glauben und nicht Parteipolitik sucht, zum Häretiker, mit dem keine „Kompromisse erlaubt“ sind? Wird derjenige, der statt rotgrüner Vorstellungen liberale oder konservative Standpunkte vertritt, zum Feind, mit dem keine Kompromisse zu schließen sind?
Muss man die Evangelische Kirche Hessen-Nassau und die EKBO daran erinnern, dass erstens das Grundgesetz die Meinungsfreiheit garantiert und zweitens die allseits und gern zitierten „roten Linien“ vom Grundgesetz definiert werden, und nicht von den Funktionären der Evangelische Kirche Hessen-Nassau und der EKBO? Müssen beide Kirchenleitungen daran erinnert werden, dass sie nicht die weltliche Obrigkeit darstellen und sie im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre den Christen keine politischen Vorgaben zu machen haben?
Von großem Übel ist zudem, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, dass weder der Linksextremismus noch der Linkspopulismus als Gefahr gesehen wird, dass die Augen vor dem Leid christlicher Flüchtlinge in Flüchtlingsheimen, die von Muslimen drangsaliert, verschlossen werden. Wer über Islamophobie spricht und über Christophobie schweigt, wirft die Frage auf, ob für ihn das Christentum Verhandlungssache ist, weil für ihn Gesinnung wichtiger ist als Glaube. Wer über Rechtspopulismus spricht und über Linkspopulismus schweigt, wer über Islamophobie spricht, aber über Christophobie schweigt, der läuft Gefahr Rassismus, Menschenfeindlichkeit und auch Islamophobie zu verharmlosen, weil er sie ideologisch in den Dienst stellt und dadurch relativiert.
Wer so handelt, spaltet die Kirche in der Art der Schismatiker. Der steht auch nicht in der Tradition der Bekennenden Kirche, der hat aus der Vergangenheit eben nichts gelernt und nicht nur deshalb, weil er die Demokratie mit der Diktatur verwechselt, sondern vor allem, weil er sich vor der Freiheit des Christenmenschen fürchtet, weil er sich letztlich vielleicht sogar vor der Größe und der Weite des Glaubens fürchtet.
In Carl Schmitts Theorie des Partisanen heißt es über den Feind, den Claussen theologisiert und den beide kirchenamtlichen Verlautbarungen in den Blick nehmen: „Der Feind ist unsere eigne Frage als Gestalt“. Vielleicht liegt auch darin das Problem in beiden Kirchenleitungen, dass es nicht um den „Feind“ geht, sondern um sie, um ihre eigene Frage.