Tichys Einblick
Januar 2024

Bauernproteste: „Wir kommen wieder!“

„Dann werden wir ab 8. Januar wieder da sein! Wir nehmen das nicht hin!“ Das versprach ungewöhnlich laut Bauernpräsident Joachim Rukwied bei den letzten großen Bauern-Demonstrationen am 18. Dezember. Der 8. Januar kommt und mit ihm die Bauern.

IMAGO

Schon seit Tagen protestieren Bauern mit ihren Traktoren in fast allen Teilen des Landes. In vielen Städten und Gemeinden versammeln sie sich. „Zu viel ist zu viel“ steht auf Plakaten. Es ist unüberhörbar: Das ist mehr als eine reine Unmutsäußerung, zumal sich das Speditionsgewerbe und Busfahrer ebenfalls beteiligen.

Diese lauten Proteste sind nicht ganz an der Ampel-Koalition in der Berliner Blase vorbeigeweht. Jetzt versucht die Regierung offenbar, den Bauern etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Scholz, Habeck und Lindner haben eilig ausklamüsert, dass die Kfz-Steuerbefreiung bei land- und forstwirtschaftlichen Maschinen nicht mit einem Schlag gestrichen werden soll.

Die Rückvergütung von Agrar-Diesel solle auch nicht in einem Streich vollzogen werden, heißt es. So will die Ampel die Rückvergütung beim Agrar-Diesel in einem ersten Schritt in diesem Jahr um 40 Prozent kürzen. In den Jahren 2025 und 2026 soll jeweils eine Reduzierung um weitere 30 Prozent folgen. Eine Nebelkerze: Der Strick um den Hals soll nur langsam zugezogen werden – aber soll gezogen werden.

„Klimaschädliche Subventionen“ ist der Kampfbegriff der linksgrünen Ampel. Doch es sind keine Subventionen; Bauern bezahlen die vollen Steuern und erhalten auf Antrag 21,48 Cent pro Liter Diesel zurückerstattet.

Diese Agrar-Diesel-Beihilfe wurde übrigens im Jahr 2000 eingeführt, um, laut Gesetzestext, die „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedstaaten“ zu stärken und „eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume“ zu sichern. Der gierige Staat holt sich nur etwas weniger an Steuern.

Das geht für ein landwirtschaftliches Unternehmen richtig ins Geld. Ein mittlerer Traktor schluckt 20 bis 30 Liter Diesel pro Stunde, ein Häcksler mit einer 500-PS-Maschine kann schon auf 40 Liter pro Stunde kommen. Das summiert sich.

Zumal für landwirtschaftliche Maschinen jetzt auch Kfz-Steuer bezahlt werden soll. Die gab es bisher nicht – übrigens seit Anfang der Motorisierung und der Einführung einer Steuer für Kraftfahrzeuge 1922 nicht. Die Landwirtschaft sollte motorisiert werden, Bauern sollten darin unterstützt werden, mit Traktoren effektiver zu werden.

Bauern können ihre Betriebe nicht ins Ausland verlagern 

Sie fahren überwiegend auf Äckern, nicht auf Straßen, die eigentlich mit der Kfz-Steuer finanziert werden sollen, argumentieren die Bauern. 485 Millionen Euro werden für die Kfz-Steuerbefreiung kalkuliert und etwa 440 Millionen für den Agrar-Diesel. Insgesamt dürfte die Landwirtschaft mit einer knappen Milliarde Euro belastet werden – ziemlich viel bei einem Jahresumsatz von 61 Milliarden Euro.

Die Landwirte bekamen 8,4 Milliarden Euro als Kompensation für die unterschiedlichsten Auflagen und als Ausgleich gegenüber ihren Berufskollegen im Ausland, die meist viel preiswerter produzieren können, weil sie unter günstigeren Bedingungen arbeiten können.

In Frankreich und Belgien tanken die Bauernkollegen billiges Heizöl. Deutsche Landwirte müssen sich mit europäischen Kollegen messen lassen, und die haben bedeutende finanzielle Vorteile. Und die Handelsketten kaufen dort, wo es am billigsten ist, Bauern dagegen können ihre Betriebe nicht ins Ausland verlagern.

Jetzt rufen verschiedene Gruppierungen der Landwirte zu einer weiteren großen Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin auf. Der Vorstand „Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSVD) e.V.“ etwa geht davon aus, dass es weitere Aktionen und Demonstrationen geben wird. Claus Hochrain vom LSVD-Vorstand: „Wer glaubt, dass es mit einer Demonstration gegessen ist – ich glaube es nicht. Weil der gesunde Menschenverstand in Berlin komplett verloren gegangen ist.“ ‚Attacke machen‘ heißt die Parole. „Wir fangen jetzt an!“

Landwirte wählten früher CDU

Sogar der Landesbauernverband Landvolk Niedersachsen e.V., die „offiziöse“ Vertretung, ruft zu einer Aktionswoche Niedersachsen auf. Laut Ostseewelle Hit-Radio wurden in Mecklenburg-Vorpommern die geplanten Aktionen nach Verhandlungen zwischen Bauernverband und Innenministerium abgeschwächt. Die Traktor-Blockade auf Autobahnen soll auf jede zweite Autobahnabfahrt beschränkt werden. Blockiert werden soll auch ordentlich nur von sieben bis elf Uhr. Autokorsos von Unternehmen sollen in 20 Städten ab sechs Uhr morgens stattfinden, unter anderem in Rostock, Stralsund, Barth, Hagenow, Güstrow, Schwerin, Wismar und in anderen Städten.

Bereits 2019 fanden die ersten Demonstrationen mit großen Sternfahrten aus ganz Deutschland nach Berlin statt. Die damalige Umweltministerin Svenja Schulze verließ seinerzeit heulend das Podium, nachdem Landwirte sie ausgepfiffen hatten. Sie forderten unter anderem keine Billigeinfuhren von Lebensmitteln ohne Kennzeichnung und vergleichbare Standards. Doch diese Proteste verliefen damals weitgehend im Sande. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hielt sich damals fern; Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU versuchte, die Bauern einzuseifen (TE berichtete). 

Jetzt geht es dem DBV darum, die Landwirte von der AfD fernzuhalten und zur CDU zurückzubringen. Die waren immer CDU-Wähler, doch diese Zeiten sind vorbei. Viele wanderten zur FDP – ebenfalls vorbei. Jetzt sind häufig Freie Wähler angesagt – oder AfD, die allerdings in Sachen Landwirtschaft bundesweit wenige Kompetenzen zeigt.

Ein Teil der Zentrallager sollen am 8. Januar auch dicht gemacht werden. Ähnliche Aktionen haben bereits bei früheren Bauernprotesten vor den gigantischen Lagern und Verteilzentren stattgefunden.
Der Bauer bekomme – so rechnet Landwirt Markus vor – für 100 Kilogramm Kartoffeln 3,50 Euro vom Handel. Der selbst verkauft sie wiederum für 120 Euro. In einer Stunde kann er zwei Tonnen Kartoffeln roden und sortieren mit sieben Mitarbeitern und zwei Maschinen, die bezahlt werden müssen.

Letztlich trifft es alle als Endverbraucher

Vom Verkaufserlös bleiben ihm jedoch nur 70 Euro. Ein sicheres Rezept dafür, dass so jeder Bauer zugrunde geht. Bevor er das dem Handel verschenkt und subventioniert, sagt Bauer Markus, hat er sie in einer Kartoffelkiste ausgestellt, jeder sollte frei bezahlen, was er glaubte. Das ist immer noch mehr als das, was er vom Handel erhält. Wenn die Bauern den Handel subventionieren, bedeutet das das Ende der Landwirtschaft in Deutschland.

Jetzt sollen Edeka, Lidl und Netto offenbar Speditionen mit sofortiger Kündigung der Lieferverträge drohen, wenn sie ab dem 8. Januar an den Protesten teilnehmen. Überprüfen ließ sich das nicht. Speditionen und Busunternehmer wollen mitmachen. Sie werden von heftigen Preiserhöhungen getroffen wie einer Mauterhöhung von 19 auf 34,8 Cent pro Kilometer Bundesstraße und Autobahn. Ebenso wird der Treibstoff durch die CO2-Luftsteuer teurer.

80 Prozent der CO2-Maut-Einnahmen sollen für die Deutsche Bahn ausgegeben werden, behauptet die Ampel. Doch während die Lokführergewerkschaft jetzt eine 35-Stunden-Woche bei 500 Euro Lohnerhöhung fordert, sollen Lkw-Fahrer in ihrer 60-bis-70-Stunden-Woche noch das Geld für die Bahn zusammen fahren, schimpfen Spediteure: „Es reicht.“ Letztlich trifft es alle als Endverbraucher.

„Wir streiken nicht. Wir fahren nur nicht mehr!“ heißt es beim Sägewerk Buchen GmbH. „Am 8. Januar 2024 werden keine Versorgungsfahrten stattfinden. Wir werden keine Maut- oder Steuereinnahmen generieren. Wir solidarisieren uns mit unseren Landwirten und sprechen uns gegen die Mehrbelastungen im Transportwesen aus.“

„Unsere Gegner haben nur eine Chance“, sagt Landwirt und Internetstar Christian Lohmeyer: „Uns Bauern zu spalten! Das werden wir nicht zulassen!“ So sehen Gewerkschafter bereits ihr „Vorrecht“ auf Streik bedroht. „Wir sagen NEIN zu den Aufrufen zum ‚Generalstreik‘“, warnt schonmal vorsorglich die IG Metall Küste. Sie kritisiert „rechte Parolen“, Galgensymbole und Regierungssturzvorhaben, die in den vergangenen Tagen bei Protestaufrufen gegen die Streichung von Agrarsubventionen mehrfach gezeigt wurden. „Dies können wir mit unseren Werten nicht vereinbaren“, verweisen die Gewerkschafter auf nebulöse Werte.

Der derzeitige Landwirtschaftsminister Özdemir will sich als Bauernfreund anbiedern und am kommenden Mittwoch zwei Tage nach der Demonstration in Berlin auf einer PR-Tour eine Brauerei in Aalen in Baden-Württemberg besuchen. Der Chef der Löwenbrauerei jedoch hat den geplanten Besuch abgesagt. Aus Solidarität mit den Bauern. Denn die Bauern liefern Brauweizen und Braugerste. „Das ist unsere Lebensgrundlage, ohne die wir gar nicht existieren können“, so der Brauerei-Chef.

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