Immer häufiger gewinnt man den Eindruck, fast alle Offiziere auf der „Ampel“-Kommandobrücke inkl. Kapitän sehen den Eisberg nicht, auf den die Titanic zusteuert. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) scheint in Ansätzen die Ausnahme zu sein. Er sagt in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ vom Sonntag, 29. Oktober: Der aktuelle Nahost-Konflikt und Russlands Krieg gegen die Ukraine sollten auch in der deutschen Gesellschaft Konsequenzen haben. Wörtlich: „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte.“ Und dann zugespitzt: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“
Vorwürfe, die Bundesregierung sei bei der sogenannten Zeitenwende zu langsam, wies Pistorius allerdings zurück. Wohl aber sei die Bundeswehr lange vernachlässigt worden, sagte Pistorius. Und: „Das alles lässt sich, was in 30 Jahren verbockt worden ist, sorry wenn ich das so sage, und runtergewirtschaftet worden ist, nicht in 19 Monaten wieder einholen.“
Da hat Pistorius durchaus Recht, wenn man an die 16 Merkel-Jahre, die meisten in Koalition mit der Pistorius-SPD, denkt und an die mehr als fünf quälenden von-der-Leyen-Jahre als Verteidigungsministerin. Was Pistorius nicht sagte: Auch die „Ampel“ hat mindestens 13 Monate verpennt, und zwar durch die Berufung einer Christine Lambrecht (SPD) zur Verteidigungsministerin. 11 dieser 13 Monate nach dem Überfall Putins auf die Ukraine. Da hätte Scholz besser bereits im Dezember 2021 statt der SPD-Quotenfrau Lambrecht gleich Bartels (s.u.) oder Pistorius berufen.
Und nun schießen die Pläne ins Kraut. Maßlos unrealistisch! Mitte Oktober lesen wir:
Deutschland will für die neue Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie der Nato bis 2025 nebst 200 Flugzeugen, Fregatten, Korvetten und anderem insgesamt 35.000 Soldaten in sehr hoher Bereitschaft halten. Das erklärte Pistorius kürzlich am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel. „Wir gehen de facto all in“, sagte Pistorius. Das Ganze soll Teil eines Nato-Streitkräftemodells mit 300.000 Soldaten (statt bislang 40.000) für mögliche Nato-Einsätze sein. Hintergrund sind neben des Nah-Ost-Konflikt die Bedrohungen durch ein Russland, das nach Aussagen von Putin-Vertrauten auch in Richtung Estland, Lettland, Litauen und Finnland schielt.
Die Bundeswehr ist bereits im Nahen Osten
Von der Öffentlichkeit nahezu unbeachtet ist die Bundeswehr bereits im Nahen Osten aktiv. Wohl eher symbolisch! Denn was die Bundeswehr bislang im Nahen Osten unternommen hat, erscheint im Vergleich mit den Aktionen den USA, die zwei Flugzeugträger entsandt haben, als marginal.
Konkret: Deutschland bereitet den Einsatz von Militär- und Polizeioperationen (KSK und GSG9) im Nahen Osten vor. Zum Beispiel um deutsche Staatsbürger aus der Region herauszubringen. Aus entsprechenden Aktionen in Sommer 2021 in Kabul hat man hoffentlich gelernt. Verlegt wurden Schiffe, Flugzeuge, Hubschrauber und logistisches Material. Vorposten ist Zypern. Es wurden zudem Soldaten der Luftlandebrigade 1 „Saarland“ nach Jordanien verlegt. Im Mittelmeer operiert die Deutsche Marine mit derzeit zwei Schiffen. Die Korvette Oldenburg fährt bereits im Rahmen der Überwachungsmission UNIFIL vor der libanesischen Küste. Als weiteres Kriegsschiff entsandte die Marine die Fregatte Baden-Württemberg. Zudem sind Angehörige des Kommandos Spezialkräfte der Marine (KSM) in der Region. Neben ihnen sind die Angehörigen der GSG 9-Polizei auf Geiselbefreiung spezialisiert.
Lippenbekenntnisse des Robert Habeck
Zugleich hat Pistorius kundgetan, dass das 100-Milliarden-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr 2027/2028 aufgebraucht ist. Wir meinen: Bereits 2025/2026 ist Ende der Fahnenstange. Die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels bedeute dann, so Pistorius, „summa summarum 20 Prozent mehr als heute“. Pistorius meint den regulären Bundeshaushalt für die Bundeswehr von derzeit rund 50 Milliarden. Ein Plus an 20 Prozent wären dann 60 Milliarden. Damit aber immer noch meilenweit vom 2-Prozent-Ziel der Nato entfernt. Denn dafür bräuchte man gut 70 Milliarden pro Jahr.
Und dann kommt der „grüne“ Vizekanzler Robert Habeck um die Ecke und entdeckt sein Herz für die Bundeswehr. Er forderte eine rechtzeitige (sic!) Debatte über die Finanzierung der Bundeswehr nach Auslaufen des 100 Milliarden Euro umfassenden „Sondervermögens“. „Wenn wir die Zeitenwende ernst nehmen, muss Deutschland für seine Sicherheit mehr tun“, sagte Habeck.
Nur: Im groß angekündigten Habeck’schen Strategiepapier „Industriepolitik in der Zeitenwende“ kommt das Wort „Bundeswehr“ auf den 60 Seiten gar nicht vor. Das Wort „Rüstung“ taucht in einem knappen Satz auf Seite 42 auf: „Wir müssen in Europa in der Lage sein, relevante Anteile unseres Bedarfs und des Bedarfs unserer engsten Verbündeten an Rüstungsgütern selbst zu decken.“ Das war es dann schon. Insofern ist Habecks Aussage pro Bundeswehr bestenfalls ein Lippenbekenntnis. Das Habeck-„Papier“ ist und bleibt nämlich im Kern ein Papier einer Deindustrialisierung Deutschlands.
Klartext vom Ex-Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels
Hans-Peter Bartels (62) ist unbestritten einer der versiertesten Experten in Fragen der Bundeswehr und der Sicherheitspolitik. Von 1998 an war er SPD-Bundestagsabgeordneter, von 2015 bis 2020 hochangesehener Wehrbeauftragter des Bundestages. Als solcher hätte er gerne weitergemacht, aber seine Partei wollte ihn der Frauenquote wegen nicht mehr haben und ersetzte ihn durch die Abgeordnete Eva Högl. CDU/CSU spielten mit. Bartels‘ Expertise ist gottlob nicht verlorengegangen. Seit 2022 ist er Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP). Über deren in Kooperation herausgegebenes Magazin „ES&T“ und mit markanten Interviews mischt er sich ein. Das ist gut so. Denn reich an Bundeswehrexperten ist dieses Land nicht.
Nun hat Bartels ein Interview gegeben, das auch ein Kanzler Scholz sich hinter den Spiegel stecken kann. Weil das Interview hinter einer Bezahlschranke ist, greifen wir hier die wichtigsten und kernigsten Aussagen von Bartels heraus:
Bartels fordert die Bundesregierung auf, Verteidigungspolitik zu ihrer Priorität zu erklären. Denn, so Bartels durchaus mit Blick auf die „Ampel“: „Es sollte jeder in Deutschland erkennen, dass die Einschläge bedrohlich nahekommen.“ Bartels weiter: „Klimaschutz, Genderfragen und Sozialpolitik sind zweifellos bedeutende Themen, aber in dieser gefährlichen Zeit gehören sie nicht an die erste Stelle.“
„Absolute Priorität müssen aktuell Sicherheit und Verteidigung haben“, denn ohne Sicherheit sei alles nichts. Deutschland habe auch „nicht Jahrzehnte Zeit, an der Wiederbewaffnung herumzubasteln“, sagte Bartels.
Bartels weiter: Nach der „Zeitenwende“-Rede von Scholz vom 27. Februar 2022, drei Tage nach Russlands Überfall auf die Ukraine, „sind wir wieder in der alten Berliner Normalität versunken, im Klein-klein der Spiegelstriche des Koalitionsvertrages – als ob immer noch alles gleich wichtig wäre.“ Deutschland sei weit davon entfernt, die Bundeswehr, wie von Scholz versprochen, „zur schlagkräftigsten Streitmacht in Europa zu machen“. „Der Deutsche Bundestag sollte mit dem Wahnsinn eines von der Regierung dauerhaft eingefrorenen Verteidigungshaushalts Schluss machen … Sonst wird das gut gemeinte 100-Milliarden-Sondervermögen schon von der Inflation der laufenden Betriebskosten kannibalisiert.“ Und dann der Hammersatz: Versuche, die aktuelle Lage schönzureden, seien „Selbstbetrug. Besser wäre, die Dinge endlich zum Laufen zu bringen.“
Was soll verteidigt werden?
Fragen wir dennoch: Welches Deutschland soll „kriegstüchtig“ werden, soll verteidigt werden? Der moralische Weltmeister, an dessen Wesen und Sozialstaat die Welt genesen soll? Das Deutschland des Herrn Bundespräsidenten, der 2020 meinte: “Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.” Das Land, zu dem der Islam samt Scharia gehört? Das Land der Parallelgesellschaften? Das Deutschland der „grünen Katrin Göring-Eckhart: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf.“ Das Land des Vizekanzlers Habeck, der Vaterlandsliebe immer schon „zum Kotzen“ fand? Das Land der 300 Gender-Professuren und der 9 Professuren für Kernkraft? Das Land des zigtausendfachen migrantischen Antisemitismus? Das Land, in dem erneut die Denunziation staatlich gefördert wird? Das Land, indem die Gewaltenteilung kaum noch existiert, weil Legislative, Exekutive, Judikative und „vierte“ Gewalt gleich ticken? Die mit 30.000 Windrädern „offshore“ verspargelte Kulturlandschaft? Das Land der ach so alten, weißen, heterosexuellen Männer Goethe, Schiller, Kant, Beethoven? Das Land, das schier libidinös freiwillig einen Morgenthau-Plan 2.0 einer kompletten De-Industrialisierung umsetzt? Das fragt man sich als (vormals) überzeugter Patriot.