Tichys Einblick

BAMF-Chef Sommer für eine radikale Reform des Asylrechts

Ein amtierender Bundesbehördenchef spricht Klartext – und sofort brüllen SPD und Medien Zeter und Mordio. Mit seiner schonungslosen Kritik am realitätsfernen Asylsystem hält BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer der Politik den Spiegel vor – und zeigt, wie eine ideologiebefreite Reform aussehen könnte, wenn man sie denn wollte.

picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Wer allein die Begriffe „Asylmissbrauch“ oder „Asylindustrie“ verwendet, riskiert, dass er als rassistisch und nationalistisch, zumindest als herzlos angeprangert wird.

Nun hat der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) tatsächlich von „Asylmissbrauch“ gesprochen. Hans-Eckhard Sommer (63) heißt der Mann, er ist seit dem 21. Juni 2018 BAMF-Chef. Zuvor war er für Asylrecht im bayrischen Innenministerium zuständig. Bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) sprach er sich für eine radikale Reform in der Migrationspolitik aus. Wörtlich: Das deutsche Asylrecht „lädt regelrecht zu Missbrauch ein.“

Über Sommers Motive, exakte zum jetzigen Zeitpunkt und bei der KAS eine radikale Wende in der Asylpolitik zu fordern, kann man spekulieren. Möglicherweise sieht er sein Amt an der Grenze der Belastbarkeit. Möglicherweise sieht er sich (im August 2025 wird der 64) bereits kurz vor Ende seiner Ruhestandversetzung. Wahrscheinlich muss er als politischer Beamter in Besoldungsstufe B9 nicht mehr mit einer Entlassung durch die geschäftsführende Noch-Innenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnen. Es kann aber auch sein – siehe die Plattform KAS – , dass Sommer CDU-Chef Friedrich Merz eine Vorlage für die Koalitionsverhandlungen mit der in Sachen Asyl unbeweglichen SPD liefern wollte oder über Bande liefern sollte. Vielleicht wollte Sommer seiner Noch-Chefin Faeser aber auch die Schau stehlen; sie stellte am 1. April ihre nach eigenen Worten tolle Abschiebebilanz vor.

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Endlos-Grantler Ralf Stegner (SPD) übrigens hat postwendend Sommers Entlassung gefordert. Dem Handelsblatt sagte er: „Solche öffentlichen Äußerungen eines Behördenchefs widersprechen seiner Verantwortung, verletzen mutmaßlich die Dienstpflichten und ziehen in der Regel personelle Konsequenzen nach sich.“ Klar, der Überbringer unschöner Botschaften muss seit Menschengedenken damit rechnen, einen Kopf kürzer gemacht zu werden.

Die Zahlen aber geben Sommer Recht. Die Anträge auf Asyl in Deutschland mögen zuletzt rückläufig sein: 2023 waren es fast 352.000, im Jahr 2024 fast 251.000. Bei zuletzt (2024) 20.084 Abschiebungen. Der Rückgang hat wohl maßgeblich damit zu tun, dass Serbien im November 2023 die Route nach Ungarn faktisch gesperrt hat.

Nach wie vor sind (Stand: Februar 2025) beim BAMF indes 195.226 Anträge anhängig. Tatsächlich aber sind nur 1 bis 2 Prozent der Antragsteller wirklich nach Grundgesetz Artikel 16a asylberechtigt. Dass sich dennoch rund 200.000 Antragsteller in Deutschland aufhalten, hat auch mit definitorischen Tricks zu tun. Bei den Zahlen wird ja kaum unterschieden zwischen: Flüchtlinge nach Genfer Konvention, Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, geduldet Ausreisepflichtige, Flüchtlinge mit Abschiebeverbot. Ausreisepflichtig sind (Stand Ende 2024) 42.296 Migranten, geduldet sind zu diesem Zeitpunkt 178.512.

Sommer: „Politik kann vieles, wenn sie nur will“

Zurück zu Sommers Analyse: „Unser zynisches Asylsystem erlaubt keine Begrenzung der Migration. Es lädt regelrecht zu Missbrauch ein“, so Sommer. Damit würde das aktuelle Asylsystem sowohl Schutzsuchende als auch die eigene Bevölkerung im Stich lassen. „Die innere Sicherheit und der gesellschaftliche Zusammenhalt werden dadurch aufs Spiel gesetzt“, warnte Sommer. Statt des individuellen Asylrechts solle Deutschland zukünftig nur noch Flüchtlinge im Rahmen kontrollierter humanitärer Programme und der Gewinnung von Fachkräften aufnehmen. Sommer will damit auch Schleppern das Handwerk legen. Wie viele Menschen schließlich aufgenommen werden sollen, lässt der BAMF-Chef offen, er spricht aber von einer Anzahl „in beachtlicher Höhe“. Wer sich dennoch illegal nach Deutschland durchschlage, dürfe dann keinen Anspruch auf Schutz mehr haben. Sommer weiter: Das heutige System sei unfair und gefährlich – und bevorzuge vor allem junge Männer, die sich eine Flucht leisten könnten, während Schwächere oft zurückblieben.

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Angesprochen auf die Umsetzbarkeit seiner Vorschläge betonte Hans-Eckhard Sommer: „Politik kann vieles, wenn sie nur will“. So hätten sich zuletzt auch die Mehrheitsverhältnisse auf europäischer Ebene geändert. Man müsse sich „aus alten Denkschemata befreien“, so Sommer. Mit Blick auf den Aufstieg populistischer und rechtsextremer Parteien in Europa dürfe man nicht ausblenden, dass der demokratische Rechtsstaat „an diesem Thema auch zugrunde gehen kann“. Auch internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention könnten geändert werden. Man müsse sich „aus alten Denkschemata befreien“, forderte Sommer. Die von einigen Politikern als Maßnahme zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland vorgeschlagene Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist aus Sicht von Sommer „keine realistische Option“.

Es bleibt jedenfalls skandalös, dass die „hohe“ Politik sich immer seltener des Rates von echten, nicht-professoralen Elfenbeinturm-Experten bedient und lieber in humanitaristisch-ideologischen Höhen schwebt. Allerdings hätte sich Experte Sommer schon auch mal früher vernehmbar äußern können.


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