Man stelle sich vor, man plant, mit dem Flugzeug ab Frankfurt irgendwohin zu fliegen. Man besteigt den Zug, so wie das vor allem Grüne und Umweltbewegte propagieren. Mit allem Gepäck fährt man dann zum schönen Bahnhof Frankfurt-Flughafen, möchte aussteigen, bequem Gepäck abgeben und direkt in die Abflughalle gehen.
Nur: Der Zug hält dort nicht. Er fährt eine andere Strecke rund um Frankfurt-Flughafen. Dieser Teil ist nicht in Betrieb! Nichts geht, wirklich gar nichts.
Bass erstaunt. Bei der Bahn ist mittlerweile vieles möglich. Man liest: Zwischen 6 und 15 Uhr konnten am Sonntag Fernzüge weder den Bahnhof Frankfurt-Flughafen anfahren noch den Mainzer Hauptbahnhof.
Der Grund: Der Bahn-Mitarbeiter im Stellwerk Rüsselsheim erkrankte und konnte seinen Dienst nicht antreten. Das kommt vor. Die Bahn jedoch konnte keine Vertretung finden. Also: Betrieb stillegen! Nichts ging mehr.
Die Bahn entschuldigte sich: »Wir entschuldigen uns bei unseren Kunden für alle Unannehmlichkeiten«, sagte ein Sprecher. Er verwies im Zusammenhang mit den Personalproblemen auf eine Einstellungsoffensive der Bahn. Glücklicherweise fragte er nicht in die Runde, ob jemand das Stellwerk bedienen könne.
Das ist nicht neu. Im Dezember des vergangenen Jahres kam es zu Ausfällen in Darmstadt und rund um Marburg, weil Fahrdienstleiter fehlten.
Aufsehen erregte und ein beispielloses Chaos erzeugten im August 2013 fehlende Fahrdienstleiter in Mainz. Von damals 15 waren vier krank und drei im Urlaub. Das verbleibende Personal reichte nicht für einen Rundum-die-Uhr-Dienst. Folge: Der Mainzer Hauptbahnhof war über längere Zeit stillgelegt. Der damalige neue Bahnchef Rüdiger Grube besuchte sogar eines Tages unauffällig das Stellwerk, um sich über die reale Situation zu informieren. Schon damals sollte eine groß angelegte Einstellungsoffensive alle Probleme beheben.
Auf anderen Strecken mussten voll besetzte Züge anhalten, weil die Fahrdienstleiter ihre vorgeschriebenen Pausen einhalten mussten und niemand da war, der Weichen stellen konnte.
Es soll besser werden. Der aussortierte CDU-Mann Ronald Pofalla besetzt jetzt den herausragend dotierten Posten als Infrastrukturchef des großen Unternehmens Deutsche Bahn. Als gelernter Sozialpädagoge weiß er natürlich, wie der Hase in einem solch extrem komplexen Räderwerk wie der Bahn läuft und worauf es ankommt. Er soll mal eben die Bahn-Probleme bis Sommer bewältigen. Allerdings hatte er noch zwischendurch schnell einen Job als Mitglied der Kohleausstiegskommission in Sachen Zerstörung der Energieversorgung Deutschlands zu erledigen. Klar, dass da nicht jeder Mitarbeiter eines Stellwerkes in sein Blickfeld rücken konnte.
Gut, ein wenig zu seiner Entlastung muss man sagen, dass die massive Säge an die Bahn schon früher »Experten« wie Mehdorn gelegt haben. Die konnten nichts anderes als Tafelsilber verkaufen, Stellen streichen sowie Schienen stillegen und Lokomotiven und Waggons verhökern. Ein Ergebnis von vielen: Jetzt gibt es sogar zu wenig Ausweichgleise, auf denen langsamere Güterzüge halten und schnelleren Zügen die Vorfahrt lassen können; es gibt zu wenig Reserveloks und Lokführer schon gleich gar nicht. An Stellwerksmitarbeitern herrscht schon seit langem Mangel. Da kann man zudem nicht jeden der zugewanderten Fachkräfte hinsetzen, sondern die müssen für die anspruchsvolle Arbeit gründlich ausgebildet und für die jeweiligen Bereiche zugelassen sein.
Die sitzen sogar noch auf relativ sicheren und damit einigermaßen attraktiven Bahnposten, müssen lediglich ebenso wie Lok- und S-Bahn-Führer auf ihren Wegen über mitunter dunkle Pfade zu ihren Arbeitsplätzen mit Angriffen rechnen. Sie sind jedoch nicht wie das Personal in den Zügen gewaltsamen Attacken ausgesetzt. Die haben drastisch zugenommen, wie das Bundesinnenministerium analysierte – ohne jedoch etwas zu tun.
Die gute Nachricht: Seit Sonntagnachmittag können Fluggäste wieder zum Flughafen Frankfurt fahren. Irgendwo konnte man dann wohl doch noch einen Stellwerksmitarbeiter auftreiben. Die ICEs halten dort wieder.