Zu den eklatanten Fehlleistungen von Bundeskanzler Olaf Scholz zählt, die Fragen der nationalen Sicherheit ausgerechnet den Grünen anvertraut zu haben. Bisher wurden die sicherheitspolitischen Leitsätze routiniert und ohne viel Getöse zu veranstalten vom Verteidigungsministerium in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt unter Kenntnisgabe der anderen Ressorts verfasst. Doch in dieser Regierung liebt man die großen Worte und die kleinen Taten. Und da nach dem infantilen Bombast des Wumms und Doppelwumms die strebsame Außenministerin Annalena Baerbock sich erhofft haben mag, mit einem Dreifachwumms brillieren zu können, kämpften die Grünen darum, dass die erste „Nationale Sicherheitsstrategie“ unter Federführung des grünen Außenministeriums zustande kommt. Das nennt man allerdings, den Bock zum Gärtner machen.
Das Grundproblem besteht schlicht und ergreifend darin, dass die Grünen keinen Begriff von Nation haben – und wenn, dann lediglich als Hassobjekt. Doch die Voraussetzung für eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ besteht darin, eine Vorstellung von und ein positiveres Verhältnis zur Nation zu besitzen.
Bisher fiel die Außenministerin nur dadurch auf, dass sie deutsche Steuermilliarden quer durch die Welt verschenkt, dass sie deutsche Museumsgüter außer Landes bringt, was man wohl Veruntreuung nennen darf, und schließlich sie vor allem der Ukraine liefern will, was immer die Ukraine braucht, gleichgültig, was ihre deutschen Wähler dazu sagen. In ihrer Initialrede zur Konzeption der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ ließ Baerbock keinen Zweifel über ihre Prioritäten und vor allem auch nicht darüber, wohin die Reise geht: „Von Berlin bis nach Kiew, beziehungsweise bis zur ukrainische Grenze, ist es ungefähr so weit wie von Flensburg nach Freiburg: Zehn Autostunden.“ Kiew wiegt im Zweifelsfalle für Baerbock mehr als Flensburg und Freiburg. So dürfte das Joe Biden auch sehen. Und um ja keinen Fehler in der Außenpolitik zu machen, hat sich Baerbock als Staatssekretärin eine US-amerikanische Greenpeace-Aktivistin an den Regierungstisch geholt.
Es ist auch kein Zufall, dass der Begriff „deutsche Interessen“ in der Rede Baerbocks nicht ein einziges Mal vorkommt, dafür wimmelt es aber von Klima und Klimakrisen, denn die „sicherheitspolitische Frage unserer Zeit“ ist für Baerbock die Klimakrise. Schließlich ist die sogenannte Klimakrise der Hebel, mit der die klimaneutrale Gesellschaft genannte Gemeinwohldiktatur geschaffen werden soll.
Aber das Problem sitzt tiefer, denn Baerbock strebt wahrlich keine Sicherheitsstrategie für die deutschen Bürger an, sondern die erste Nationale Sicherheitsstrategie soll schließlich kein Sicherheitskonzept für Deutschland, sie soll ein „Projekt aller in Deutschland Lebenden“ werden, für, um mit Merkel zu reden, alle die hier schon länger leben und für die vor kurzem Hinzugekommenen. Also auch für den Attentäter vom Breitscheidplatz.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die vermutlich unter nationaler Sicherheit die Finanzierung linker und grüner NGOs und den staatlichen Kampf gegen alle, die rechts von ihr stehen, versteht, gelang es nicht, den Unmut der Länderinnenminister zu beschwichtigen.
Baerbocks Außenministerium hatte stolz verkündet: „Deutschland gibt sich erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Sie wird nicht hinter verschlossenen Türen erstellt, sondern in einem gemeinsamen und inklusiven Prozess mit der Öffentlichkeit sowie Expertinnen und Experten.“ Deshalb war Baerbock im Frühjahr durch die Republik getourt, um mit ausgewählten Bürgern den „gemeinsamen und inklusiven Prozess mit der Öffentlichkeit“ durchzuführen. Die grüne Führung sprach also mit der grünen Öffentlichkeit in einer Art von grünen Pioniernachmittagen.
Das Ergebnis dieses „gemeinsamen und inklusiven Prozesses mit der Öffentlichkeit“ ist ein Papier, dass erstens zur Geheimsache erklärt wurde, nämlich zur „Verschlusssache – Vertraulich“. Das Resultat des öffentlichen und offenen Dialogs ist sogar so geheim, dass man es nicht einmal an die Landesregierungen zu schicken oder zu mailen wagt aus Angst, es könnte durchsickern und an die Öffentlichkeit gelangen. Vielmehr müssen die Chefs der Staatskanzleien der Länder am 13. Januar nach Berlin fahren, um über den Stand des Konzepts mündlich unterrichtet zu werden. Laut Welt ist bis zur Stunde nicht einmal klar, ob Fachleute aus den Innenministerien die Chefs der Staatskanzleien begleiten dürfen.
Da das Papier nicht nur aus öffentlicher Diskussion entstanden ist, sondern auch veröffentlicht werden soll, damit die Verbündeten, aber auch die Bürger wissen, „wofür wir stehen und was wir vorhaben“, wie Lambrecht ankündigte, scheint die Geheimhaltungsoffensive nach der PR-Aktion Öffentlichkeit nur einen Sinn zu haben, nämlich Baerbocks eklatantes Scheitern an einer Sicherheitsstrategie für Deutschland zu verheimlichen. Baerbock hat viel Parteikitsch in die Welt posaunt. Sie wollte „Sicherheit nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft heraus denken“, wie Habeck Wirtschaftspolitik nicht von der Wirklichkeit, sondern von der Vision her denkt.
Doch die Sicherheit des Landes ist zu wichtig. Baerbock läuft nach einem Wort von Franz Kafka „den Tatsachen nach wie ein Anfänger im Schlittschuhlaufen, der überdies irgendwo übt, wo es verboten ist“.
Ursprünglich wollte Baerbock im Februar die staunende Münchener Sicherheitskonferenz und das durch die öffentlich finanzierten grünen Medien zum Staunen angehaltene deutsche Volk mit der fertigen „Nationalen Sicherheitsstrategie“ beglücken. Doch daraus wird nichts. Das Bundeskanzleramt hat die Notbremse gezogen und verhindert, dass der Entwurf des Außenministeriums nun in die Abstimmung mit den anderen Ministerien geht.
Lindners Ministerium nannte es laut Spiegel eher eine Ideensammlung. Dass es nicht, wie der Spiegel verschwörungstheoretisch raunt, um die Machtfrage geht, wer also die Außenpolitik bestimmt, und ausnahmsweise wirkliche Bedenken aus dem Finanzressort und nicht Lindners Eitelkeit eine Rolle für die Ablehnung spielen, wird deutlich, wenn man erstens Baerbocks peinliche Initialrede liest, die ein Potpourri grüner Phrasen darstellt. Und wenn man zweitens schaut, wen Baerbock mit der praktischen Organisation der Arbeit betraute, einen früheren Wahlkampfmanager Baerbocks und einen grünen Diplomaten.
Es scheint Baerbock in der Tat darum gegangen zu sein, in der Öffentlichkeit mit feministischer Klimaweltinnenpolitik zu punkten, nun haben ihre freundlichen Kollegen im Kabinett die Blamage Deutschlands noch rechtzeitig verhindert. Baerbocks eigene Blamage jedoch wurde zu einem Akt absoluter Geheimhaltung. Es geht schließlich um die nationale Sicherheit.