Dass die Evangelische Kirche in Deutschland in gewissem Sinne eine parareligiöse Vorfeldorganisation der Grünen ist, wissen wir bereits seit Katrin Göring-Eckardt: Die Parallelen zwischen einer Glaubensgemeinschaft, deren Glaubenssätze auf Fantasie und purer Emotion beruhen, und einer Partei, deren politisches Programm auf Fantasie und purer Emotion beruht, sind denn auch so eklatant, dass die Grenzen mitunter verschwimmen.
Auch Annalena Baerbock ist nun dieser Verwechselungsgefahr erlegen und hielt das Rednerpult des Bundestags für eine Kanzel – ein Hinweis auf einen anstehenden Berufswechsel nach der Karriere als Außenministerin? In Pastorenmanier jedenfalls rief sie die Abgeordneten und uns alle dazu auf, eine „alte Tugend“ wiederzuentdecken: Die Dankbarkeit.
Dankbar sollen wir laut unserer Außenministerin dafür sein, dass wir „jeden Tag einfach ganz normal zur Arbeit“ gehen können, zum Beispiel: Herbe Kritik an der Arbeitsverweigerung seitens des Parlaments, das einfach mal eine Sitzungswoche streicht – Chapeau!
Aber auch andere Selbstverständlichkeiten schätzen wir nicht genug: Etwa, dass wir uns nicht darüber Sorgen machen müssen, ob der Kindergarten, in den unsere Kinder gehen, Drohnenangriffen ausgesetzt ist; und schließlich fordert sie Dankbarkeit ein dafür, „dass das Wasser funktioniert“.
Nun hat Frau Baerbock grundsätzlich durchaus recht: Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, für die wir immens dankbar sein können. Dafür, dass sie wenigstens keine Gitarre dabei hatte, um nach der Rede im Plenum des Bundestags „Danke für diesen guten Morgen“ anzustimmen. Dafür, dass die Ampelkoalition zerbrochen ist. Dafür, dass wir nun zumindest hoffen dürfen auf zukünftige Außenminister, die nicht deutsche Staatsräson unterlaufen und Terrorversteher zum Abendessen einladen. Womöglich gar auf Außenminister, die auf dem diplomatischen Parkett weniger professionell gestylt weniger Bruchlandungen hinlegen. Die Liste an Anlässen zu Dankbarkeit ist lang.
Nicht zuletzt können wir auch dafür dankbar sein, dass sich das deutsche Jammern noch auf hohem Niveau bewegt – und zwar genau deshalb, weil man verhindern will, dass tatsächlich eines Tages fließendes Wasser oder durchgehende Stromversorgung zum Luxusgut würden.
Es verlangt schon nach gehöriger Chuzpe, das Leid, dem die ukrainische Bevölkerung durch den Krieg ausgesetzt ist, zu instrumentalisieren, um in Deutschland Kritiker grünen Versagens mundtot zu machen. Eine solche Dreistigkeit muss man erst einmal aufbringen. Baerbocks Ansicht nach sollen sich die Deutschen also nicht so anstellen, schließlich geht es anderen noch schlechter: Das ist mehr als nur taktlos, das zeugt von einer nicht mehr in Worte zu fassenden Ignoranz gegenüber den Problemen, Sorgen und Nöten der Bevölkerung, deren Wohl Annalena Baerbock sich per Amtseid verpflichtet hat.
Abgesehen davon zeigt sich hier wie so oft ihre ausgeprägte semantische Schwäche. Im Grunde scheint sie zu glauben, wer Lungenentzündung habe, solle sich nicht um seine Genesung kümmern, sondern sich einfach darüber freuen, dass es ihm besser geht als dem Cholerakranken: Die Deutschen können doch einfach abwarten, bis es ihnen so schlecht geht wie Menschen in einem Kriegsgebiet, oder nicht?
Eine solche Einstellung nennt man nicht Dankbarkeit, sondern „Fatalismus“. Eine Haltung, die der „Völkerrechtlerin“ zugutekommen wird, wenn sie selbst der brutalen Realität ins Auge wird sehen müssen: Mit derartigen Wortfindungsstörungen kann sie sich einen Folge-Job als Pastorin sicherlich abschminken.