Wir Deutsche leisten uns schon einiges. Wahrscheinlich mehr, als wir uns eigentlich leisten können. Wir leisten uns zum Beispiel 225 Auslandsvertretungen, darunter 154 Botschaften und 50 Generalkonsulate. Ferner 321 ehrenamtliche Honorarkonsuln. Und was tun die alle? Sie sollen – nach Weisungen des Auswärtigen Amtes (AA) – „Augen, Ohren und Stimme“ (sic!) Deutschlands im Ausland sein (siehe hier).
Was leisten wir uns unter dem Label „AA“ noch alles? Zum Beispiel 3 Staatsminister, 3 Staatssekretäre, 11 Abteilungen, 167 Unterabteilungen, Referate, Stäbe. Und – wie konnten wir es beinahe vergessen? – über allem leisten wir uns die „grüne“ AA-Chefin Annalena Baerbock. Macht – all inclusive – weltweit rund 12.000 Mitarbeiter. Visagistinnen – noch (?) nicht verbeamtet – nicht mitgerechnet. Die für das AA im Jahr 2023 fälligen 7 Milliarden Euro zahlen wir aus der Portokasse. Das ist schließlich nur ein Klacks gegenüber rund 170 Milliarden Euro für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bzw. 51 Milliarden Euro für das Bundesministerium der Verteidigung.
Daran gemessen sind die AA-Abteilungen/Referate von erstaunlicher Kreativität. Wir haben einmal das Tun der Abteilung 6-B-3 unter die Lupe genommen. Sie trägt den Titel „Beauftragter für strategische Kommunikation und Public Diplomacy“; dazu gehört unter anderem das Referat 608 „Content Factory“. Per Zufall ist uns das neueste Rundschreiben dieser Unterabteilung in die Hand gekommen. Es handelt sich um ein Rundschreiben an die Auslandsvertretungen (AV) samt Ankündigung (Androhung?), was auf die AV im Auftrag der Bundesministerin demnächst zukommt.
Wir zitieren nachfolgend ausgewählte Sätze und Begriffe aus einem aktuellen zweiseitigen Rundschreiben der Abteilung 6-B-3 an die Auslandsvertretungen.
„… Bundesministerin Baerbock hat das Haus auf der BoKo 2022 eindringlich zu einem echten Kulturwandel aufgerufen: Wir müssen für unsere Position nicht nur bei den Gastregierungen werben (das aber weiterhin auch!), sondern auch bei der breiteren Öffentlichkeit der Länder, in denen wir vertreten sind.
Dafür baut jetzt das Referat 608 die Content Factory auf. Ebenfalls hierfür erstellt das Referat 607 anlassbezogen die Lines to Take und verwandte Produkte, und zwar Rebuttal-Papiere, Argumentaires, Social Media Analysen, Actions to Take.
Das Ziel dieser Produkte ist immer dasselbe: Eine bessere politische Kommunikation zu ermöglichen, mit Empathie (Zuhören), Klarheit in den Botschaften und einem partnerschaftlichen Ansatz.
Dafür brauchen wir Lines to Take … Die Anlässe für Lines to Take sind: … ,Prebunking‘: Desinformation und Propaganda vorbeugen, wenn absehbar ist, dass bestimmte Narrative v.a. von RUS verbreitet werden … Referat 607 erstellt LTT auf Basis von Materialien aus dem Haus (Zitate der Ministerin, Social Media Analysen …)
Was wir kommunizieren wollen: Wir müssen unsere ,Geschichte‘ besser erzählen.
Damit wir unsere Interessen und Werte besser vertreten können. Deshalb unsere
,Actions to Take‘: … Emotionen sind ein wichtiges Instrument der Kommunikation: Nutzen Sie dieses … Arbeiten Sie ggf. mit Partnern oder lnfluencern (die Sie entsprechend überprüft haben) zusammen, um unsere Perspektive durch authentische, lokale Stimmen zu vermitteln.“
Alles klar. Klaro, denn eigentlich sprechen diese Auszüge für sich. Wie das bei den nach wie vor zum allergrößten Teil hochqualifizierten, distinguierten Diplomaten ankommt, wagen wir uns nicht auszumalen. Nein, Satire ist all das nicht. Das ist Baerbock-Modus. Insofern selbsterklärend. Leichte Sprache – mit Anglizismen überzuckert. Von einer Erklärung, was wertegebundene und was „feministische“ Außenpolitik ist, lesen wir zwar nichts. Das hat sich erübrigt, denn alle Welt hat diese Art deutschen Wesens längst internalisiert.
Es beschleicht uns aber eine andere Idee, ja eine böse Unterstellung: Vielleicht ist die ganze Aktion nur dazu da aufzuräumen, was die AA-Chefin regelmäßig Verqueres – auf Deutsch oder Englisch – von sich gibt: „bacon/beacon of hope“, Kriegserklärung gegen “RUS“ vor dem Europarat, gouvernantenhafte Belehrung gegenüber China, deutsches Abstimmungsverhalten in UNO-Gremien, 360-Grad-Wendungen Putins, CO2-Gigatonnen- und irgendwelche Prozentberechnungen und so weiter.
Und nein: Wir messen die amtierende AA-Chefin auch nicht an dem einen oder anderen großen Vorgänger. Das wäre wirklich unfair.