Tichys Einblick
"Russische Desinformationskampagne"

Eine „Aufdeckung“ des Auswärtigen Amts, die viele Fragen aufwirft

Eine groß angelegte Verschwörung aus Moskau zur Destabilisierung unserer Demokratie will Baerbocks Auswärtiges Amt im Internet entdeckt haben. Der „Spiegel“ berichtet willig, alle anderen schreiben ab. Auch auf wiederholte Nachfragen kommt: nichts Konkretes. Die ganze Story hat Züge von Polit-PR.

dts

„Baerbocks Digitaldetektive decken russische Lügenkampagne auf“: So berichtet der „Spiegel“. Spezialisten des Auswärtigen Amts hätten auf Elon Musks Kurznachrichtenplattform X eine systematische russische Kampagne ausgemacht, „ein Trommelfeuer der Desinformation“. In der Bundesregierung wachse die Sorge vor Wahlbeeinflussung.

„Experten im Auftrag des Auswärtigen Amts“ würden über „spezielle Software“ verfügen, mit der sich automatisierte Fake-Accounts bei X-das-früher-Twitter-hieß aufspüren ließen. Diese Truppe hätte nun eine große Desinformationsverschwörung aufgedeckt: gesteuert aus Moskau, um unsere freiheitliche Demokratie zu destabilisieren.

Titelfoto der Geschichte ist ein großes Portrait von Elon Musk – ganz so, als würde der X-Eigentümer höchstselbst hinter allem stecken.

Die üblichen Verdächtigen übernehmen den Bericht: tagesschau.de und FAZ – jeweils mit der einzigen Quelle „Spiegel“. Eigene Recherchen fügen sie nicht an. Nicht eine einzige. Deutscher Journalismus eben.

Innenministerin Faeser nimmt es sehr willkommen gleich zum Anlass, zum härteren Durchgreifen der EU gegen X zu rufen:

Aber auch zahlreiche Vertreter aus allen anderen Parteien, die sich in den letzten Jahren weniger als Verfechter von Informations- oder Meinungsfreiheit hervorgetan haben, sind gleich an Ort und Stelle.

Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings recht rasch die Frage, ob nicht die von „Spiegel“ et altera – nach dem Muster des alten Kinderspiels „Stille Post“ – so beflissen wiedergegebene Erzählung des Auswärtigen Amts von einer gigantischen Russen-Verschwörung die eigentliche Kampagne ist.

Richtig schräg wird es dann in der Bundespressekonferenz. Dort wird die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Kathrin Deschauer, auf den „Spiegel“-Bericht angesprochen.

„Also wir handhaben das ja hier grundsätzlich so, dass wir Medienberichterstattung nicht kommentieren. Das würde ich in dem Fall auch nicht machen. Insofern möchte ich ganz grundsätzlich etwas sagen – und kann auch ganz grundsätzlich etwas sagen, einordnen – zu Desinformationen, Desinformationskampagnen und auch zur Bedeutung, die diese für Regierungshandeln haben kann. Die Desinformation ist sicher zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden. Sie wird von denjenigen eingesetzt, die unsere Werte nicht teilen, und teilweise auch gezielt eingesetzt, um Gesellschaften zu destabilisieren. Und das gilt nicht nur für Deutschland oder westliche Demokratien. Das ist auch weltweit zu beobachten. Und beispielsweise gibt es nicht authentische Plattformen, Profile, die Desinformation verbreiten. Das können Bildkacheln sein, das können kurze Videos sein, es können Online-Links sein. Das sind einige Beispiele, die wir grundsätzlich beobachten können. Und genau das würde ich jetzt für den Moment dabei belassen.“

Noch einmal: Das ist die offizielle Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Frage bezüglich eines Berichts über eine Warnung des AA vor einer angeblichen geheimen russischen Desinformationskampagne im Internet. Informationen über die angeblichen Fake-Accounts: null.

Hiernach hat sich der freie Journalist Michael Gessat die Mühe gemacht, einmal deutlich genauer hinzuschauen.

Wie viele Fake-Accounts? Welche? Ist X schon darüber informiert? Nichts, nada, niente.

Die Suppe war selbst den berüchtigt regierungsnahen Journalisten in der nicht gerade für investigative Beharrlichkeit bekannten Bundespressekonferenz dann doch zu dünn. So entstand ein kurzer Dialog:

„(Nachfrage) Wir sind uns hier wahrscheinlich einig, dass (…) das nicht vom Heuwagen gefallen ist – die Informationen, die der ‚Spiegel‘ da hat. Und im Jahr 2024 so was über die Medien zu lancieren – falls es so sein sollte – ist auch etwas intransparent in dem Sinne, um Desinformation entgegenzuwirken. Dagegen hilft ja Transparenz am besten. Deswegen frage ich Sie noch mal: Welche Indizien oder Beweise gibt es in diesem Fall, dass es sich um eine koordinierte Kampagne handelt? Und welche Indizien oder Beweise gibt es, dass diese Kampagne aus Russland gesteuert wurde?“

„(Deschauer) Ich würde es dabei belassen, dass ich den Medienbericht nicht kommentiere, auch wenn ich Ihr Interesse verstehen kann. Aber das handhaben wir hier so. Und ich würde es auch dabei belassen, dass wir aus Sicherheitsgründen, verstehen Sie hoffentlich, nicht in Details einsteigen können. Sondern ich kann Ihnen hier die Bedeutung der Desinformation als Einfallstor für Manipulationen in westliche Demokratien und Gesellschaften weltweit beschreiben. Das habe ich getan und bitte um Verständnis.“

Um an dieser Stelle einem Missverständnis vorzubeugen: Ich will keinesfalls bestreiten, dass es enorm fleißige russische Troll-Armeen gibt. (Wer „Sockenpuppen-Farm“ zusammen mit „Bots“ googelt, erfährt da schon einiges.) Und dass Moskau ein plausibles Interesse an der Destabilisierung westlicher Demokratien hat, kann auch kein vernünftiger Mensch anzweifeln.

Genau solche Zweifel sät aber das AA selbst mit seiner unverständlichen Geheimnistuerei. Da landen Informationen aus Baerbocks AA beim Baerbock-freundlichen „Spiegel“ (wie sind die da bloß hingekommen?). Der versteckt sie für das breite Publikum hinter der Bezahlschranke. Andere „Journalisten“ schreiben die Geschichte ungeprüft und teilweise wortgleich beim „Spiegel“ ab. Und das AA weigert sich dann, die – zur Erinnerung: selbst lancierten – „Medienberichte“ zu präzisieren oder zu kommentieren.

Und dann wundert sich unsere politische Klasse, dass man ihr nichts mehr glaubt und der für sie scheinbar noch einzig verbliebene Weg, die letzte noch nicht völlig eingehegte Plattform X doch noch irgendwie unter ihre Knute zu bekommen.

Bekanntlich weht der Ampel inzwischen ein mehr als starker Wind ins Gesicht. Auch Frau Baerbocks persönliches Ansehen in Deutschland ist trotz der unermüdlichen Arbeit ihrer Visagisten und Fotografen mittlerweile dort, wo es sich international schon längere Zeit aufhält: im Keller. Die Reaktion auf diese Entwicklung ist offenbar: blanke Panik. Dabei geht jeder möglicherweise noch vorhandene Restanstand flöten. Aus Angst vor dem Machtverlust werden nicht nur Steuermilliarden, sondern auch wichtige staatliche Institutionen rüde zweckentfremdet.

Der Verfassungsschutz unter seinem Leiter Thomas Haldenwang schützt ja schon länger nicht mehr die Verfassung vor möglichen Feinden, sondern die Regierung vor der Opposition. Jetzt wird auch noch die Spionageabwehr für die Polit-PR der Ampel instrumentalisiert. Das zeigt, wie wenig dem grün-linken Lager tatsächlich an Deutschland liegt.

Machen wir uns ehrlich: Zur Destabilisierung unserer freiheitlichen Demokratie wird Russland gar nicht gebraucht. Das erledigen wir schon selbst.

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