Als berühmteste Frauen des deutschen Willkommens, denen Angela Merkels Grenzöffnung von 2015 zum Ansporn wird, gelten die Nautikerinnen Pia Klemp (*1983) und Carola Rackete (*1988). Die von ihnen geführten Schiffe zum Aufnehmen von Migranten, die man ihnen auf Mini-Booten entgegenschickt, machen weltweit Schlagzeilen und verwickeln sie in Prozesse. Sie ahnen vor ihrem riskanten Einsatz nicht, dass die Kanzlerin damals nur einen Imageschaden durch Videos mit schießendem Grenzpolizisten vermeiden will. Die moralische Überhöhung wird dann nachgeschoben.
Die jungen Frauen hingegen sehen sich als echte Idealisten. Pia Klemp erklärt dem britischen Guardian am 27. August 2020, dass sie einen „antifaschistischen Kampf“ führe. Carola Rackete versichert der BILD am 15. Juli 2019, dass sie alle, die über Libyen aus Afrika heraus drängen, in ihr „reiches Land“ holen will. Diese „moralische Verpflichtung“ resultiere aus dem bis 1970 andauernden Kolonialismus und einer von Europäern überheizten Erde. Sie will die „Mitte der Gesellschaft“ gewinnen. Alle würden gebraucht, denn noch „sprechen wir über sehr kleine Zahlen.“
Kurzum, wir gehen davon aus, dass alle Hiesigen bestens funktionieren. Und wir verlassen uns darauf, dass sie beim Retten und Helfen ohne Ausnahme dabei sein wollen. Selbstverständlich muss der Nachwuchs gleichzeitig die Konkurrenz mit den Musterschülern Ostasiens gewinnen. Nur dadurch kann die Bundesrepublik das „reiche Land“ bleiben, in das Abgeschlagene übersiedeln wollen. In diesem Wettbewerb lassen wir unsere Jugend der Überschaubarkeit halber nur gegen Gleichaltrige aus Fernost antreten. Um sie nicht zu entmutigen, verheimlichen wir jedoch, dass Deutschlands üppige Vorsprünge bei PCT-Patentanmeldungen von 1994 bis 2019 wachsenden Rückständen gewichen sind.
Als Bild für die Unterbringung der Geretteten wählen wir ein „Überlaufbecken“. Herwig Münkler hat es für Bundeskanzlerin Merkel konzipiert (Die Zeit, 11-02-2016). Ihre Wir-schaffen-das-Zuversicht sollte dadurch überzeugender klingen. Das Land würde ein paar Millionen Fremde nur ein halbes Jahrzehnt lang menschenwürdig versorgen, heilen und bilden, bis man sie nach Ende der Kriege wieder in ihre Heimat zurückflöge und das Becken wieder frei wäre. Er übersieht, dass man sie zu Hause nicht benötigt, weil der Geburtendruck dort längst neue Migrationsarmeen erzeugt hat. Da das alte Asyl-Bassin besetzt ist – was Frau Rackete versteht – , müssen ungezählte neue her.
Wenn auch 2025 und 2040 lediglich so hohe Bevölkerungsanteile ihrer Heimat verlassen wollen, wie Gallup für 2017 ermittelt, und alle Staaten des Euro-Raum mitziehen, versorgt jeder einzelne Retter – quasi mit der linken Hand – vier Fremde, während er zur Absicherung der Ökonomie mit der Rechten sechs Ostasiaten in Schach hält. Können Klemp und Rackete am Ende jedoch nur die Bundesrepublik zur Mega-Hilfe überreden, hat dort jeder Einzelne achtzehn Fremde im Becken und achtundzwanzig Ostasiaten im Nacken. Schaut man allein auf die Leute hoher Kompetenz, dann rackert jedes Ass aus Euroland gegen fünfundvierzig und jeder deutsche Könner gegen hundertfünfzig Überflieger aus Fernost (zu den Zahlen siehe die obenstehende Tabelle).
Könnten die Zuwanderer den Rettern nicht beispringen? Schön wäre es. Doch Afrikaner schaffen 2019 auf ihrem Kontinent nur 311 PCT-Anmeldungen (davon 280 in Südafrika). In China sind es – ungeachtet weniger Menschen im aktiven Alter – fast 60.000 (WIPO Annex 1, 2020). Der arabische Raum – 430 Millionen Einwohner – liefert mit 830 nicht einmal die Hälfte der Patente der acht Millionen Israelis (über 2.000). Noch fehlen Beweise, dass Aufenthalte zwischen Rhein und Oder die Innovationen hochtreiben. Jeder Deutsche müsste also wie ein Gulliver antreten, dem sich nur Liliputaner entgegenstellen.
Doch jenseits der Geschichten von Jonathan Swift (1667-1745) sind solche Wunder nicht zu haben. Gleichwohl erlebt Klemp durchaus Märchenhaftes. Der britische Maler Banksy mit Marktpreisen bis zu 10 Millionen Euro möchte ihr – die selbst zu einem Kunstwerk tätowiert ist – ein neues Schiff kaufen: „Hallo Pia, ich habe über deine Story in der Presse gelesen. Du klingst wie ein ganz harter Typ (badass). Toll gemacht“ (Guardian 27-08-20). Solche Zähigkeit ist fürwahr unverzichtbar, aber knapp. Wenig spricht dafür, dass Deutschland sie noch einmal mit der nötigen Kompetenz millionenfach bereitstellen kann. Ein Land kann Geld und Kriege verlieren und wieder auf die Beine kommen. Wird gleichzeitig jedoch der Verstand verloren, geht es abwärts.
Gunnar Heinsohn (*1943) lehrte von 2011 bis 2020 Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom. Sein 2019er Buch Wettkampf um die Klugen steht in der deutschsprachigen Zehnerliste für den 2020er getAbstract International Book Award.