„Qualm aus Atomkraftwerk, Abschaltung des Reaktors wegen enormer Hitze“, so die Meldung von inFranken.de am 22. Oktober, in der ein Störfall dramatisiert vermeldet wird. Aus einem kaputten Rohr sei „Qualm“ ausgetreten, der sich im weiteren Text als Dampf herausstellt. Qualm klingt aber dramatischer, weil nach Rauch, und der kommt von Feuer, also vielleicht von einem Brand der Anlage – unkontrolliert, sich ausbreitend, vielleicht sogar radioaktives Material verbreitend? Der Reaktor habe abgeschaltet werden müssen, weil die Arbeiten „daran“ durch große Hitze nicht möglich waren.
Beim entsprechend vorkonditionierten Leser dürften nun alle roten Lichter angehen: ein überhitzter Reaktor, dazu Qualm – einfach unbeherrschbar, Teufelszeug.
Nachgeschoben wird die Information, dass das defekte Rohr nicht zum aktiven (radioaktiv belasteten) Kreislauf gehört.
Also bemühen wir andere Medien, um etwas Licht in den Qualm zu bringen. watson.ch schreibt von einer vorübergehenden Abschaltung des Reaktors, da die notwendigen Reparaturen aufgrund der erhitzten Technik nicht möglich seien, ohne einen überhitzten Reaktor zu suggerieren. Die Tiroler Tageszeitung vermeldet inhaltlich Gleiches in korrekter Formulierung, ebenso der Spiegel. Wo könnte man mehr Informationen bekommen? Gehen wir ins Land des Ereignisses und schauen, was RT Deutschland schreibt. Hier meldet man ein Dampfleck „an einem defekten Element des Dampfsättigungskontrollsystems“. Das klingt nach einer Undichtheit an einer Messeinrichtung, die üblicherweise mit Leitungen geringen Durchmessers angeschlossen sind. Der Schaden sei bei einem Rundgang entdeckt worden, was gegen ein großes Leck spricht. Der Block sei den Regularien entsprechend abgefahren worden. Ein Kraftwerkssprecher dementierte sogar eine Undichtheit und sprach von „Wartungsarbeiten“. Diese führen aber üblicherweise nicht zu außerplanmäßigen Abschaltungen.
Nun kann man vermuten, dass von russischer Seite die Störung eher etwas tiefer gehängt werden soll, aber offensichtlich stellte sich der Ablauf in etwa so dar:
- Es gab eine Undichtheit an einer Leitung im Sekundärkreislauf (nicht radioaktiv belastet).
- Der Kraftwerksblock (mit einem Druckwasserreaktor WWER 1000) fährt im Sekundärkreislauf mit einer Dampftemperatur von 290 Grad; austretender Dampf heizt die Umgebung entsprechend auf und an einer solch heißen Leitung können Reparaturen erst stattfinden, wenn der Schadensort abgekühlt und drucklos ist.
In jedem fossilen Kraftwerk hätte ein solches Ereignis den öffentlichen Stellenwert des berühmten umgefallenen Sackes Reis in China. Deutsche Medien reagieren anders, wenn ein Sack Reis am Zaun eines Kernkraftwerks umfällt. In diesem Fall hatte die Störung nichts mit dem Reaktor zu tun, aber man kann durch schwammige Formulierungen wie bei „infranken.de“ wenigstens einen solchen Eindruck erwecken und dann noch eine Erhitzung des Reaktors dazudichten. Im Grunde ein Verstoß gegen den Pressekodex, aber in jedem Fall in Deutschland korrekt und die Regierungslinie stützend.
Mit der zunehmenden öffentlichen Diskussion über den deutschen Atomausstieg wird Berichterstattung dieser Art über Ereignisse in Kernkraftwerken zunehmen, um langjährig gehegte rückwärtsgewandte deutsche Vorurteile zu füttern.