Man kann der FDP nicht vorwerfen, dass sie nicht für ihre Überzeugungen eintreten würde. Allerdings nur deswegen, weil sie offensichtlich eben keine Überzeugungen besitzt. Kaum etwas, was sie mit großem rhetorischen Aufwand vertritt, räumt sie nicht mit gleichem rhetorischen Aufwand wieder ab. Und ihr Vorsitzender eifrig vorneweg.
In welch beeindruckende Kampfespose hatte sich nicht FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner in der Frage der Kernkraft und des Betriebs der deutschen AKWs geworfen? Die politische Bühne betrat ein liberaler Recke ohnegleichen. Am 29. August verkündete Lindner vollmundig, dass ein gravierender Strommangel droht, „den man auch mithilfe der Atomkraft bekämpfen sollte“, und konstatierte: „Unsere Städte werden teilweise dunkler sein, weil wir Strom sparen müssen. In einer solchen Situation verzichten wir dann aber auf sichere und klimafreundliche Möglichkeiten der Stromproduktion wie die Kernenergie? Mich überzeugt das nicht.“ Nicht nur ihn nicht. Viele im Land ebenfalls nicht. Aus seiner Sicht sei ein Mix aus Flüssig-Erdgas, Gasförderung in Europa, Kohle – und eben auch Atomkraft notwendig: „Mein Rat an uns: Nicht zu wählerisch sein, sondern alles tun, um eine Energiekrise in unserem Land abzuwenden.“
Man könnte auch sagen, wer sich auf die FDP verlässt, ist verlassen. Das würde aber voraussetzen, dass die FDP eine Partei mit Grundsätzen und nicht einfach der hin und wieder etwas störrische und vor allem sehr selbstverliebte 17. Landesverband der Grünen wäre. In fast allen Fragen der Politik haben Lindner und seine Parteifreunde sich letztlich hinter die Grünen gestellt, begonnen bei der Wahl der „Antikartoffel-Beauftragten“ Ferda Ataman bis hin zur Frage des Gesetzes zur sexuellen Selbstbestimmung. Auch war es Lindner, der die Freiheit verhöhnte, als er die erneuerbaren Energien „Freiheitsenergien“ nannte, eine dunkle Stunde für die Freiheit, die zu dunklen Stunden im Alltag führen wird, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
Inhaltlich, sachlich weiß man nicht recht, wie der Schuldenminister auf die Idee kommt, dass man ab April auch ohne Atomkraft auskommen werde, weshalb die drei AKWs im Mai abgeschaltet werden könnten. Hofft Lindner, dass die Rezession zu so vielen „Arbeitseinstellungen“, in der Vor-Habeck-Zeit Insolvenz genannt, führen wird, dass in Deutschland weit weniger Energie benötigt wird? Inflation und Rezession dürften aus der Sicht des Bundesschuldenministers kein Problem sein. Seitdem Lindner erkannt hat, dass man so viel Geld pumpen kann, wie man will, weil Schulden nichts anderes als Sondervermögen sind, das man mit Wumms und Doppelwumms verteilen kann, wird das fiskalische und wirtschaftliche Problem Deutschlands einfach semantisch gelöst.
Und wie ein Grüner Musterschüler repetiert Lindner, dass er „absolut der Meinung“ sei, dass Deutschland bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen müsse. Wenn Lindner „absolut“ sagt, klingt das ein wenig lustig. Aber eines dürfte klar sein, wenn die Ampel, wenn Habeck und Lindner so weitermachen, werden sie Deutschland sogar schon bis 2035 klima- und übrigens auch wirtschaftsneutral gemacht haben. Dass Lindner nun Fracking auf Teufel komm raus auch in der Nordsee will, verwundert niemanden, denn grüne und so auch gelbe Umweltpolitik ist auf Klientelpolitik, Umweltzerstörung und auf Artenvernichtung ausgerichtet.
Man kann der FDP indes auch nicht vorwerfen, dass sie nicht wider des tierischen Ernstes agierte, denn inzwischen inspiriert die Partei sogar zu Witzen, wie diesen: Warum heißt die Koalition aus SPD, Grüne und FDP Ampel? Antwort: Weil die Gelb-Phase so verdammt kurz ist.