Einige baden-württembergische Unternehmen wollen von Innenminister Strobl, abgelehnte Asylbewerber dauerhaft beschäftigen zu dürfen. Das läuft Seehofers Bestrebungen, die Asylpolitik wieder ins Lot zu bringen, diametral entgegen.
In ihrer Wochenendausgabe vom 21./22 April berichtet die Stuttgarter Zeitung (StZ) unter dem Titel „Flüchtlinge sollen bleiben dürfen“, dass einige baden-württembergische Unternehmen wie zum Beispiel der Outdoor-Ausstatter Vaude oder der Bekleidungshersteller Trigema gegenüber Innenminister Strobl mit der Forderung initiativ geworden sind, die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, die sie schon während ihrer Verfahren angestellt haben, nicht zu vollziehen. Bei Asylbewerbern, die schon vor ihrer Ablehnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Ausbildung begonnen haben, wird in Baden-Württemberg für die Dauer der Ausbildung und zwei Jahre danach mit einer sogenannten 2+3-Regelung schon so verfahren. Bei der geschilderten Initiative geht es zusätzlich um Asylbewerber, die vor ihrem Ablehnungsbescheid eine Anstellung erhalten haben. Dabei handelt es sich überwiegend um einfachere Tätigkeiten, für die auch keine besonderen Deutschkenntnisse erforderlich sind.
Die fraglichen Unternehmen nutzen das mit der Massenzuwanderung zusätzlich geschaffene Arbeitskräfteangebot zum Ausgleich eines Arbeitskräftemangels, den es in bestimmten Regionen und Branchen Deutschlands keineswegs nur auf dem Fachkräftemarkt gibt. Dort ist er aufgrund mangelnder Sprach- und Fachkenntnisse mit Asylbewerbern allerdings weit schwerer auszugleichen als auf dem Markt für Einfacharbeit. Die Unternehmen praktizieren vor diesem Hintergrund mit den Asylbewerbern das, was sie mit den „Gastarbeitern“ schon früher getan haben. Sie stellen sie für einfache, gering bezahlte Jobs an, für die sie keine einheimischen Bewerber bekommen. Neu ist allerdings, dass es sich bei den neuen Mitarbeitern unter anderem auch um abgelehnte Asylbewerber handelt, die das Land bei Anwendung geltender Gesetze wieder verlassen müssten. Neu ist aber auch, dass die neuen Mitarbeiter nicht mehr aus anderen europäischen Ländern oder der Türkei, sondern aus dem nahen und mittleren Osten sowie aus (Schwarz-)Afrika stammen.
Die Unternehmen bedienen sich so eines Arbeitskräfteangebots, das ihnen die Regierung unverhofft mit ihrer Grenzöffnung im Jahr 2015 und den damit einhergehenden rechtlichen Öffnungen des Arbeitsmarktes für Asylbewerber verschafft hat. Durften zuvor Asylbewerber nicht arbeiten, solange nicht entschieden war, ob sie einen Anspruch auf ein befristetes Bleiberecht haben, wurde dieses Arbeitsverbot mit dem Argument abgeschafft, Asylbewerber müssten, um der Ausweitung bestehender Parallelgesellschaften, zunehmender Kriminalität und religiöser Radikalisierung vorzubeugen, schon während ihres Verfahrens in den Arbeitsmarkt integriert werden. Spätestens damit legalisierte die Bundesregierung den inzwischen endemischen Missbrauch des Asylgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) für die Arbeitsmigration.
Die fraglichen baden-württembergischen Unternehmen nutzen die so geschaffenen Möglichkeiten einer für sie weitgehend kostenfreien Rekrutierung und (Sprach-)Qualifizierung via Asylrecht und GFK und fordern inzwischen sogar eine noch weitergehende Öffnung des Asyl- und Aufenthaltsrechts für ihre nicht bleibeberechtigten neuen Mitarbeiter. Innenminister Strobl wird ihre Forderung kaum ablehnen können, können sie doch darauf verweisen, dass sie bislang im Einklang mit den geltenden Gesetzen handelten und darüber hinaus einen Beitrag zur Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt geleistet haben, die insgesamt nur höchst schleppend vorankommt. Nicht nur Strobl wird daher einige der ohnehin wenigen Unternehmen, die Asylbewerber beschäftigen, nicht vor den Kopf stoßen, indem er deren neue Mitarbeiter wieder in ihre Heimat zurückschickt. Laut StZ stellte er den Unternehmen daher ein neues Einwanderungsgesetz in Aussicht, das nicht nur die Rekrutierung von Fachkräften, sondern auch für Arbeitskräfte in Helfertätigkeiten erleichtern soll; darüber hinaus will er die genannte 3+2-Regelung auch auf ein- und zweijährige Ausbildungsberufe ausweiten.
Damit bleibt allerdings weiterhin offen, wie mit all den abgelehnten Asylbewerbern verfahren werden soll, die von ihren Unternehmen inzwischen keinen Ausbildungsplatz, sondern einen einfachen Hilfsjob erhalten haben. Bei ihnen soll auf Wunsch der betroffenen Unternehmen seitens der zuständigen Behörden auf den Vollzug der verfügten Ausreise selbst dann dauerhaft verzichtet werden, wenn ihre Identität nicht sichergestellt ist. Dies käme der Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gleich, die laut § 25 des deutschen Aufenthaltsgesetzes nur asylberechtigten Ausländern aus humanitären Gründen erteilt werden darf. Der unheilvollen Vermischung von Arbeitsmarkt- und Asylpolitik sowie dem Missbrauch des Asylgesetzes zum Zwecke der Einwanderung wären damit noch mehr Tür und Tor geöffnet, als es ohnehin schon der Fall ist. Nicht nur Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive, sondern auch solche mit geringer oder gar keiner Bleibeperspektive könnten nun darauf setzen, für immer in Deutschland bleiben zu können, sobald sie (gegebenenfalls ohne Ausweispapiere) einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt haben und einen Antrag auf Asyl stellen konnten.
Den fraglichen Unternehmen in Baden-Württemberg mag ein solcher Missbrauch egal sein, solange er das ihnen zur Verfügung stehende Arbeitskräftepotential ausweitet und sie für die Kosten dieser Ausweitung nicht selbst aufkommen müssen, sondern auf die Bürger abwälzen können. Diese müssen diese Art von Arbeitsmarktpolitik allerdings nicht nur mit ihren Steuern finanzieren, sondern darüber hinaus mit all den sozialen und kulturellen Problemen zurecht kommen, die mit einem übermäßigen Zustrom von kulturfremden Personen in jede (Einwanderungs-)Gesellschaft einhergehen. Entsprechend ausgeprägt ist die Gegenwehr gegen diese Politik an den Wahlurnen und anderswo inzwischen nicht nur bei vielen baden-württembergischen Bürgern. Innenminister Strobl wäre daher gut beraten, sich genau zu überlegen, ob er sich die Forderung einiger weniger baden-württembergischer Unternehmen nach einer weiteren Aufweichung des geltenden Asyl- und Bleiberechts für abgelehnte Asylbewerber zu eigen machen will. Sie steht schon lange auch auf der Agenda zahlreicher (inter-)nationaler Lobby-Organisationen für ungebremste Massenzuwanderung via Asyl. Den Bestrebungen seiner Kollegen Seehofer in Berlin und Herrmann in München, die Asylpraxis in Deutschland ordnungspolitisch wieder einigermaßen ins Lot zu bringen, würde er damit jedenfalls diametral zuwider handeln.
Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop
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