Wenn die Ära schöner Worte von der Realität eingeholt wird
David Boos
Jahrelang bemühten sich Medien und Politik mit dem Narrativ vom bunten Multikulturalismus, die brodelnden Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen zu übertünchen. Aber mit dem Ausbruch der Gewalt in Israel wurde auch diese Mär mit einem Mal von der bitteren Realität eingeholt. Zeit für Realismus.
Vor wenigen Tagen erst wurden Davidsterne an Haustüren jüdischer Bürger gemalt, nun folgte die nächste Eskalationsstufe. In der Nacht auf Mittwoch bewarfen zwei Unbekannte das Gemeindehaus der jüdischen Kahal Adass Jisroel Gemeinde in Berlin mit Molotowcocktails, die allerdings keinen Schaden anrichten konnten. Noch während der Untersuchungen der Polizei wurde ein weiterer Mann, der auf einem E-Scooter vorbeifuhr und Parolen rief, angehalten.
Innenministerin Nancy Faeser forderte daraufhin, die „Täter müssen schnell ermittelt und mit aller Härte zur Verantwortung gezogen werden“, der „Schutz von jüdischen Einrichtungen hat höchste Priorität“. Zwei Sätze, die wohl genau so von ChatGPT ausgespuckt hätten werden können.
As supporters of Hamas, a terror organization, were spewing their antisemitic slogans on the streets of Berlin, a synagogue was attacked with Molotov cocktails. This incident comes only a few days after we witnessed Jewish… https://t.co/eZsWMkVtaU
Während exakte Tathergänge und Täter womöglich nie ausgemacht werden können, sind all diese An- und Übergriffe keine Überraschung, denn im Gegensatz zum von Politik und Medien verbreiteten – und dabei auch vom Zentralrat der Juden häufig mitgetragenen – Narrativ, ist es nicht die Rechte, von der die primäre Gefahr für Leib und Leben jüdischer Mitbürger ausgeht, sondern sind es radikalmuslimische Zuwanderer.
Um das zu erkennen, brauchte es weder besondere detektivische Fähigkeiten noch musste man dazu eine spezielle Bösartigkeit bei Muslimen verorten, denn in gewisser Hinsicht lag diese Gefahr einfach in einer grundlegenden kulturellen Inkompatibilität dieser Völker, Religionen und Kulturen begründet. Doch eben diese Inkompatibilität anzusprechen, wäre der Dolchstoß des propagierten Multikulturalismus gewesen. Vereinzelt konnte sich zwar mal ein Artikel durch die Brandmauer schleichen, aber im Endeffekt nichts, was den gesellschaftlichen Wandel, auf den manche sich ja so sehr freuten, aufhalten würde.
Frei nach Angela Merkel: Jetzt ist sie halt da, die Gewalt. Wer hätte das gedacht? Manche Leute schon, aber auf die wollte man nicht hören. Nun haben sie Recht behalten. Sollte sich der Trend fortsetzen und sie noch mit weiteren Prognosen Recht behalten, dann ist das, was wir nun erleben, nur der Anfang der Eskalation des Kulturkampfes.
Worte sind billig, Taten mühsam
Nun wäre also die Zeit zu handeln. Doch die Mittel dazu hat sich unsere Gesellschaft, die sich bereits seit Jahren auf das Umdeuten von Worten statt auf konkrete Taten spezialisiert hat, womöglich schon längst selbst verbaut. Wenn Bundeskanzler Scholz erst vor wenigen Tagen dazu aufrief, Bürger mögen dabei helfen, Juden zu schützen, dann mutet das in einem Land mit einer der restriktivsten Waffengesetzgebungen der Welt nur noch absurd an.
Friedlicher Bürgerprotest mag seine Berechtigung haben und sogar vorzuziehen sein, kann aber nur innerhalb eines halbwegs funktionierenden Gesellschaftsvertrags funktionieren. Wo aber bestimmte Regeln des Zusammenlebens nicht mehr respektiert und Grenzen überschritten werden, müssen Mittel und Wege gefunden werden, dieser Barbarei (im Gegensatz zur domestizierten Zivilisation) wieder Herr zu werden.
Wenn also die Bürger de facto machtlos sind, um abseits der ach-so-effektiven Facebook-Fahnen und Twitter-Hashtags Stellung für ihre Mitbürger zu beziehen, dann muss der Staat dafür sorgen. Doch dieser ist zutiefst kompromittiert. Einerseits eine Exekutive, bei der spätestens seit dem krassen Gegensatz ihrer Härte im Umgang mit Demonstranten während der Corona-Zeit zu ihrem geradezu fürsorglichen Geleitschutz für Klimakleber deutlich ist, dass sie entweder auf Anweisung, oder womöglich sogar aus sich heraus, bereit ist, mit zweierlei Maß zu messen. Andererseits eine Politik, die seit Jahren bewusst das Land mit Migranten flutet und nun eingestehen müsste, dass sie dabei zutiefst fahrlässig und planlos gehandelt hat; denn die Alternative wäre noch viel schlimmer, nämlich dass die entstandenen Gräben Teil des Plans sind!
Das Bekenntnis zum Schutz jüdischen Lebens gehört zur Gründungs-DNA der Bundesrepublik. Aber dieses Bekenntnis trifft nun auf die angelernte Hypermoral, nach der alle willkommen sind und zusammenleben können. Um diese Illusion möglichst lange aufrechtzuerhalten, hat Deutschland (und haben weite Teile Europas) alles daran gesetzt, die eigene Identität so weit zu verleugnen, dass zumindest von Seiten der Gastgeber kein Konflikt zu erwarten war. Man passte sich an, selbst mit LGBTQ-Regeln schikanierte man lieber die Einheimischen, als auf korrektes Gendern in Berlin-Neukölln zu achten.
Im Zweifel bestimmt das Schicksal
Nur dass die Zuwanderer sich eben nicht anpassten und auch die Juden in Deutschland – wie in Israel – keineswegs daran dachten, ihre eigene Kultur zu verstecken, zu verleugnen oder anzugleichen. Der Ausbruch der Gewalt war früher oder später unvermeidlich und es wäre eine Illusion zu glauben, die Exekutive könnte dieser Frage mit erhöhten Schutzmaßnahmen Herr werden. Denn während es der Polizei noch gelang, sich gegen friedliche Demonstranten während Corona durchzusetzen, zeichnet sich jetzt bereits im Umgang mit protestierenden Hamas-Anhängern und deren Sympathisanten (häufig aus dem Antifa-Milieu) ab, dass man höchstens auf Schadensbegrenzung hofft als darauf, die Situation nachhaltig unter Kontrolle zu bekommen.
Es ist zu vermuten, dass die bereits seit 2005 andauernde stete Abnahme der jüdischen Bevölkerung in Deutschland durch die jetzigen Ereignisse nicht gebremst, sondern eher beschleunigt wird. Während die Generation Hypermoral der Politik versucht, ihren eigenen Anteil an der Misere mit schönen Sprüchen der Anteilnahme zu übertünchen, nehmen die Dinge weiter ihren Lauf. Konfrontiert mit einer muslimischen Minderheit, die offiziellen Zahlen zufolge rund 5,5 Millionen Personen in Deutschland ausmacht, wagt niemand die Dinge offen und unemotional auszusprechen, aus Angst vor einem Ausbruch der Gewalt. Dabei bedarf es nur der Gewaltbereitschaft eines Bruchteils dieser Minderheit, um den Staat vor gravierende Probleme zu stellen.
Die Politik in Deutschland hat sich schon seit langem davon verabschiedet, aktiv die Gesellschaft zu gestalten, sondern agiert fast schon fatalistisch, getrieben von vermeintlichen Zwängen von außen, die jedes Mal das Handeln – oder Nichthandeln – als alternativlos erscheinen lassen. So ist Deutschland, auch wenn es um den Schutz von Juden geht, fern von einem selbstbestimmten Agieren, da es weder über den Willen noch über die Mittel verfügt, um dieser potenziellen Eskalation des Antisemitismus irgendetwas anderes entgegenzusetzen als besorgte Presse-Statements.
Gefangen zwischen dem selbstgewählten Bekenntnis zu Israel und der selbstauferlegten Toleranz zum Islam findet sich Deutschland planlos wieder, uneins und unfähig, sich zu fragen, was es selbst denn überhaupt möchte, und hofft stattdessen wie ein Fels in der Brandung mit billigen Solidaritätsbekundungen über die eigene Handlungsunfähigkeit hinwegzutäuschen, in der Hoffnung, dass auch dieser Sturm möglichst schnell wieder vorüberzieht. Doch den Gefallen wird der Sturm der Ampel nicht machen, denn er braut sich jetzt erst richtig zusammen.
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