Tichys Einblick
MIGRATION UND ANTISEMITISMUS

Wir schaffen das nicht

Der auf den Straßen offen geäußerte Antisemitismus vieler Muslime ließ die politische Klasse im Oktober aus ihrem jahrelangen Schlaf erwachen. Ist es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Die Praktiker vor Ort wissen schon lange, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind.

IMAGO / snapshot

Die australische Lösung gewinnt allmählich an Zugkraft. Nicht nur Journalisten finden sie gut, auch in der Politik hat das Vorhaben, illegale Migranten an den Außengrenzen der EU konsequent abzuweisen, eine größere Anhängerschaft gewonnen. Über die AfD und Teile der außerparlamentarischen Opposition hinaus haben sich auch Personen aus der Union für dieses Vorgehen geöffnet.

Nachdem der Hamas-Terror in Form von Straßenschlachten und Bombendrohungen auch Deutschland erreicht hat, sind offenbar viele Politiker bereit, das Migrationsthema nicht mehr durch die rosarote Brille, sondern mit pragmatischem Blick zu betrachten. Nun ist ihnen aufgefallen, wen oder was man sich da ins Haus geholt hat. Das zeigte sich zum Beispiel an der prekären Sicherheitslage, die sich im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt überall dort breitgemacht hat, wo es größere arabische oder muslimische Kolonien gibt.

Jüdische Einrichtungen wurden als Erste bedroht, Häuser und Läden mit Davidsternen markiert (es war wieder so weit) und Synagogen mit Sprengsätzen angegriffen. Bombendrohungen wurden darüber hinaus zur Regel, ob an Schulen, Flughäfen, Bahnhöfen, aber sie galten auch öffentlichen und privaten Sendeanstalten.

Die Bombendrohungswelle in Frankreich zeigt zudem, wie kurz der Weg von der Israel- und Judenfeindschaft zur Feindschaft gegen die europäische christlich-säkulare Aufnahmegesellschaft ist. Die Solidarisierung der Drohenden mit der Hamas zeigt deutlich genug, dass es um den endgültigen Sieg des Islams geht, nicht um Integration.

Das merken auch immer mehr Politiker und gelangen vielleicht auch deshalb zu den klareren Vorschlägen in Fragen des Grenzschutzes. Irgendwann müsse man die Außengrenzen der EU ja doch versiegeln, sagte sinngemäß beispielsweise CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Impliziter Schluss: Dann kann man es auch etwas früher tun. Sein Parteichef Friedrich Merz will Antisemiten nicht mehr einbürgern, und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann griff gleich etwas härter zu. Beim Deutschlandtag der JU sagte er, wer die hiesige Rechtsordnung nicht anerkenne, habe sein Aufenthaltsrecht verwirkt.

Markige Worte, aber auch diese Forderung wird wohl nicht als CDU-Gesetzentwurf in den Bundestag gelangen. Im Gegenteil: Wenn die AfD den Antrag stellen sollte, wird die Union vermutlich behaupten, dieser sei nicht rechtskonform, anstatt eigene Änderungsanträge dazu einzubringen.

Gleichwohl erkennen nicht nur konservative Politiker, dass in den vergangenen Jahren der Judenhass nach Deutschland eingewandert ist – und dass sie nichts dagegen unternommen haben. Nun ist die Not groß. Ungeduldige Warnrufe sind an die Stelle der alten halbgaren Sinnsprüche zur Migration getreten. Der Brüsseler Korrespondent einer großen Tageszeitung fordert die Unterbringung von irregulären Migranten auf einsamen Inseln.

Hat er sein Ohr direkt am Brüsseler Flurfunk? Auch der in Dänemark und Großbritannien bislang gescheiterte Ruanda-Plan feiert insofern ein Revival, als der eher grüne Politikberater Gerald Knaus das seit langem stehende Angebot des Landes für gangbar hält, solange nur der UNHCR die dortigen Asylverfahren durchführt.

Kommt Bewegung in die Asylpolitik?

Die Frage ist, ob die Sache mit dem Antisemitismus langfristig so wichtig für die deutsche Politik bleiben wird, wie derzeit allenthalben zu hören ist. Und eine noch größere Frage ist, ob man deshalb die Asylpolitik grundsätzlich umstellen wird. Normalerweise hat selbst solch ein Thema, das an die Gründung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten aus dem Geist des „Nie wieder“ erinnert, eine kurze Halbwertzeit.

Das Thema ist vielleicht schon in dem Moment, in dem Sie diesen Artikel lesen, überholt und wieder in der Versenkung verschwunden. Das wäre schlimm, aber keineswegs unerwartet. Wenn sich vielleicht auch der Aufhänger ändert, so wird uns das Thema Migration allerdings noch eine Weile begleiten. Denn die deutsche Migrationspolitik steht unter Veränderungsdruck, weil die Belastungen in diesem Jahr noch größer werden als im vergangenen.

Daneben sind auch die Lasten der früheren Jahren keineswegs abgetragen. Die neuen Zuwanderer treffen auf ein System, das bereits am Anschlag ist. Die Brandbriefe der Bürgermeister und Landräte füllen meterweise Ordner. Anders als die Berliner Regierung berechnen die Praktiker nämlich die Belastung durch illegale Migration und Flucht kumulativ – so wie es andere Länder ebenfalls häufig tun. In Deutschland müsste man dann von mehreren Millionen Menschen sprechen, die allein in den vergangenen zehn Jahren per „Asyl-Flüchtlingsticket“ nach Deutschland gekommen sind.

Anpassung wird nicht gefordert

Unterbringung und Versorgung sind dabei nur einer der Problemkomplexe. Auch die Schulen sind inzwischen vollkommen überlastet von Schülern, die nur unzureichend Deutsch sprechen. Es geht auch hier keineswegs immer nur um die Sprache als Kulturtechnik, sondern auch um das Gehirn als Wertehorizont, der es erlaubt, sich an eine zunächst fremde Kultur anzupassen, oder eben nicht.

Bei der massiven Welle muslimischer Einwanderer der vergangenen Jahre aus Afrika, Vorder- und Mittelasien überwiegt leider der Eindruck, dass eine Übernahme hiesiger Werte und Sitten gar nicht beabsichtigt ist. Sie wird darum auch von der Politik so gut wie nie eingefordert, egal ob es sich um christlich geprägte Politiker handelt oder nicht. Man weiß, dass es Ärger gäbe, wenn man das täte – Ärger mit den Islamverbänden, der dann auch schnell zu Unruhen auf den Straßen führen könnte.

Auch das Zurückweichen an dieser Stelle ist eine Akzeptanz der Realität. Einer Realität, die sich die deutsche politische Klasse mit ihrem Duckmäusertum und ihrer Missachtung der eigenen Rechtsordnung allerdings selbst eingebrockt hat. All das wird nun klar, acht Jahre nach dem von einigen als „Grundgesetzverrat“ gescholtenen einsamen Entscheid von Angela Merkel, die Kontrolle der Grenzen aufzugeben – „Wir schaffen das“.

Zusammenarbeit längst Realität

Für die AfD ist es ein später Triumph, dass nun mehr und mehr Parteien zumindest auf eine abgemilderte Version ihrer Forderungen einsteigen. Unverständlich bleibt nur, weshalb die Union angesichts der Annäherung die Zusammenarbeit mit der AfD noch immer kategorisch ausschließt, ob nun im Bundestag oder in den Landtagen – zumal die Zusammenarbeit aller Parteien mit der AfD auf kommunaler Ebene längst Realität geworden ist. Nur öffentlich wird das vom etablierten Parteienblock nicht eingestanden.

Wir haben es also mit einer massiven Heuchelei und Doppelmoral zu tun, auch was die Grünen angeht, die bekanntlich sogar im Wahlkreis von Ricarda Lang guten Kontakt zur AfD halten. Mehr aber noch im Fall der CDU/ CSU – wegen ihrer Position im Parteiengefüge und in erster Linie wegen der zahlreichen inhaltlichen Überschneidungen mit der AfD.

Dasselbe könnte für die SPD gelten, wenn sich diese Partei nicht schon seit Langem fast gänzlich in die woke Scheinwelt zurückgezogen hätte, aus der es kein Entrinnen mehr zu geben scheint – selbst wenn Kanzler Olaf Scholz noch so sehr für Realismus votierte und dem Taten folgen ließe. Beides ist einstweilen nicht zu beobachten.

Gleichwohl ist das Eis gebrochen. Die Unterbindung der ungeregelten und illegalen Zuwanderung am deutschen Rechtssystem vorbei hat begonnen.

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