Tichys Einblick
Ausweitung eigener Zuständigkeit

Neues Grundlagenpapier: Atamans Attacke

Deutschlands sogenannte Antidiskriminierungsbeauftragte will mehr Macht. Sie fordert eine Gesetzesänderung, die ihren Zuständigkeitsbereich deutlich ausweiten soll. Dahinter steht ein perfides politisches Geschäftsmodell.

Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Berlin, 25.04.2023

IMAGO / IPON

Dem geneigten Leser ist das natürlich noch nie passiert, aber viele Normalsterbliche haben es schon irgendwann einmal erlebt: Man will gepflegt Party machen – und scheitert am Türsteher. „Du kommst hier nicht rein …“

Da ärgert man sich kurz, dann zieht man weiter und feiert halt anderswo. Normalerweise. Doch es gibt eine neumodische Variante, damit umzugehen: Man klagt wegen Diskriminierung und verlangt Entschädigung.

Nils Kratzer hat das gemacht. Der 44-Jährige wollte unbedingt bei einem Sommerabend im Rahmen des „Isarrauschens“ auf der Münchener Praterinsel dabei sein. Dabei handelte es sich ausdrücklich um ein Fest für 18- bis 28-Jährige. Kratzer sieht recht jung aus, aber so jung nun auch wieder nicht. Deshalb war an der Einlasskontrolle für ihn Endstation: „Du kommst hier nicht rein …“

Da hat der Mann den Veranstalter auf 1.000,- Euro Entschädigung verklagt.

Wegen Altersdiskriminierung. Kein Scherz. Wir kommen darauf zurück.

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Dass überhaupt jemand auf den Gedanken kommen kann, wegen so eines Vorfalls vor Gericht zu ziehen, verdankt Deutschland dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ AGG.

Das Regelwerk soll laut Gesetzestext „Benachteiligungen aus Gründen

verhindern und beseitigen.“

Seit 2006 ermöglicht das AGG Klagen von Menschen, die sich diskriminiert fühlen, gegen Privatpersonen oder private Institutionen: gegen Arbeitgeber zum Beispiel. Oder gegen Partyveranstalter. Oder gegen Vermieter. Oder gegen Bäcker. Das AGG verpflichtet private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen dazu, alle im Gesetz genannten Personen als Kunden gleich zu behandeln. Das ist ein elementarer – und ansonsten einmaliger – Eingriff in die Privatautonomie.

Es ist keine unzulässige Übertreibung, das AGG als eines der umstrittensten Gesetze unserer Zeit einzustufen.

Zum Beispiel: Sie haben als Vermieter mehrfach schlechte Erfahrungen mit Mietern aus einem bestimmten Kulturkreis gemacht (fragen Sie in Berlin nach, da kennt man das). Trotzdem dürfen Sie keinen Bewerber mit der Begründung ablehnen, dass er aus diesem Kulturkreis kommt: Das ist sonst rassistische Diskriminierung.

Oder: Sie wollen als Konditor keine Hochzeitstorte für ein schwules Pärchen backen, weil Sie streng gläubiger Christ (oder Moslem) sind und gleichgeschlechtliche Ehen ablehnen. Mit dieser Begründung dürfen Sie die Torte aber nicht verweigern: Das ist sonst Diskriminierung wegen der sexuellen Identität.

Und so weiter, und so fort. Neben dem Eingriff in die Privatautonomie gibt es noch viele weitere Kritikpunkte an dem Gesetz, sehr viele, aber dafür hat selbst das Internet kaum genug Platz.

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Auch die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung ist seit 2006 im AGG verankert. Jetzt legt ausgerechnet Ferda Ataman, die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, extrem weitreichende Änderungsforderungen für das AGG vor.

Frau Ataman will künftig auch für angebliche Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, wegen des sozialen Status und wegen „familiärer Fürsorgeverantwortung“ zuständig sein. Sie gehe davon aus, so lässt die Beauftragte den Bundesjustizminister noch wissen, dass ihre Forderungen „maßgeblich für die anstehende Reform“ sein werden.

Das heißt: Eine Behördenleiterin (eine Staatsdienerin also, obwohl Frau Ataman sich selbst womöglich nicht so sieht) verlangt zwecks Machtausweitung eine Änderung der Rechtsgrundlage für ihren eigenen Job.

Das nennt man dann wohl Chuzpe.

Die Unverfrorenheit, mit der Frau Ataman als Akteurin im politischen Spiel kurzerhand die Spielregeln zum eigenen Vorteil ändern lassen will, ist typisch für sie und auch eher belustigend. Wirklich problematisch dagegen ist die Absicht dahinter.

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Der Kreis angeblicher Opfer von angeblicher Diskriminierung soll immer mehr erweitert werden – und so der Kreis potenzieller Empfänger staatlicher Unterstützung.

Das Prinzip kennt man von der Bewegung LGBTQIA+ (so heißt das inzwischen politisch korrekt). Die begann als Schwulen- und Lesbenbewegung: LG steht im Englischen für „Lesbians“ und „Gays“, zu Deutsch Lesben und Schwule. Dann kamen die Bisexuellen dazu, die Transsexuellen, die „Queeren“, die Intersexuellen und zuletzt die Asexuellen. Jede Gruppe bekam ihren eigenen Buchstaben – und das Plus-Zeichen am Schluss bedeutet, dass man offen ist für weitere sexuelle Minderheiten.

Wegen der Buchstabeninflation nennt der US-Komiker Dave Chapelle die Bewegung nur noch „die Alphabet-Leute“.

Wohin das führt, ist offensichtlich. Man kann unendlich viele vermeintliche Gründe für vermeintliche Benachteiligung finden oder erfinden: Körpergröße, Augenfarbe, Platt- oder Senk- oder Spreizfüße, Mundgeruch.

Und das sind nur natürliche Merkmale. Der Neigung unserer Gerichte folgend, unerwünschte Verhaltensweisen zu Krankheiten oder gar zu unabänderlichen Charaktereigenschaften umzuwidmen, lässt sich die Liste buchstäblich endlos erweitern: auf Unpünktliche, Unhöfliche, Arbeitsscheue …

So kann staatliche „Antidiskriminierung“ ihren Zuständigkeitsbereich beliebig erweitern.

Immer neue Opfer bedeuten eben auch immer neue Kunden für öffentliche Fürsorge. Zur Bewältigung dieser selbsterzeugten Nachfrage wird die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman dann absehbar mehr Planstellen benötigen. Oder mehr teure Projektaufträge an wohlgesonnene NGOs vergeben. Oder beides. In jedem Fall vergrößert sie ihre eigene Bedeutung und ihren eigenen Einfluss.

Es ist ein gleichermaßen cleveres wie perfides politisches Geschäftsmodell: eine vermeintliche Krankheit „entdecken“, sich selbst (bzw. das eigene Milieu) als Heilmittel anbieten – und die Allgemeinheit dafür zahlen lassen.

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Natürlich ist nicht jede Ungleichbehandlung eine Diskriminierung.

Im Gegenteil: Ungleichbehandlungen sind nötig. Wir behandeln Familienmitglieder anders als Freunde, Freunde anders als Nachbarn, Nachbarn anders als Fremde. Das ist zutiefst menschlich, also human. Es ist die Grundlage für die Existenz und den Zusammenhalt und das Überleben von Gruppen.

Es ist gedanklich wie inhaltlich unmöglich, jeden Menschen gleich zu behandeln. Wozu sollte das auch gut sein? Wir behandeln einen Tanzpartner anders als einen Geliebten, selbstverständlich. Alles andere wäre nicht gerecht, sondern eher pervers.

Und natürlich kann der Staat nicht jede Ungleichheit ausgleichen.

Er sollte das auch gar nicht. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist eine epochale zivilisatorische Errungenschaft. Aber da geht es um das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern – nicht um die Beziehungen der Bürger untereinander. Die Menschen sind nicht gleich, und sie verhalten sich nicht gleich. Die Gründe dafür gehen eine Behörde nichts, aber auch gar nichts an.

Der Staat als monumentaler Reparaturbetrieb für die Natur oder das Schicksal: Das ist ein entsetzliches, im Wortsinn un-menschliches Konzept. Es führt unweigerlich in ein totalitäres Gemeinwesen, das dem Individuum bis in kleinste Einzelheiten den Kontakt zu anderen Individuen vorschreibt.

Wer will in so einem Ataman-Land leben?

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Die Antidiskriminierungsbeauftragte führt nebenbei völlig ironiefrei auch noch vor, wie leicht es ist, die Latte für alle anderen immer höher zu legen, aber selbst bequem unten durchzulaufen:

Die Datei mit Frau Atamans Forderungen für eine AGG-Änderung kann im Internet zwar heruntergeladen werden. Sie ist aber nicht barrierefrei: Die Antidiskriminierungsbehörde mit all ihren erheblichen Ressourcen hat vergessen – oder darauf verzichtet –, die Datei technisch so zu hinterlegen, dass sie auch für sehbehinderte Menschen zugänglich ist.

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Nils Kratzer, der Münchener Möchtegern-Jugendliche, hat sich für seine 1.000,- Euro Entschädigung wegen angeblicher Altersdiskriminierung übrigens bis zum Bundesgerichtshof hochgeklagt (Az. VII ZR 78/20).

Die Sache war aber selbst den Richtern dann doch zu blöd. Kratzer hat in allen drei Instanzen verloren.

Vielleicht ist ja doch noch Hoffnung.

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