Selten hat die Bundesrepublik ein so derangiertes Presse-Statement gehört wie von Familienministerin Anne Spiegel gestern Abend. Es gehört schon ordentliche Chuzpe dazu, an einem Sonntag, an dem ganz Europa auf Paris schaut, das Scheinwerferlicht auf sich selbst zu richten – und das Kunststück zu vollbringen, dass die sozialen Netzwerke nicht wegen der französischen Präsidentschaftswahl, sondern wegen eines vierwöchigen Familienurlaubs in Frankreich heiß laufen.
Doch um bei der Wahrheit zu bleiben: derangierte Minister-Statements sind wir in dieser Regierung mittlerweile gewöhnt. Der Lauterbach-Sound prägt ein ganzes Land, mittlerweile ministerienübergreifend. Er dröhnt nicht nur, wenn der Lehrer Lämpel der Nation die Deutschen darüber belehrt, dass sie sich bereits auf eine unbekannte Variante mit einem unbekannten Impfstoff und anderen unbekannten Konstellationen einstellen müssen. Er schrillt, wenn die Innenministerin in linksextremen Postillen Artikel veröffentlicht, und das dann damit verteidigt, sie habe sich immer gegen Rechtsextremismus eingesetzt, die Kritik an ihr sei ein durchschaubares Manöver.
Selbst Baerbock erscheint kompetent angesichts der Spiegel-Affäre
Annalena Baerbock galt vor der Vereidigung des Kabinetts als ausgemachte Fettnapfkönigin. Angesichts der sich häufenden Fehltritte der aktuellen Pannenregierung wirkt sie mittlerweile wie die kompetenteste Besetzung dieser Ampel. Zumindest erliegen die Medien diesem Irrtum, weil ihre Anmerkungen untergehen. Dafür sorgen Lauterbach, Faeser, Lambrecht und Spiegel.
Mehr Anarchie war nie in dieser Republik. Weder ein Macho wie Schröder noch ein Netzwerker wie Kohl oder eine Strippenzieherin wie Merkel hätte es zu solchen Szenen kommen lassen. Dass Spiegel heute ihren Rücktritt einreichte, geschah nicht auf Druck des Kanzleramtes, sondern auf Druck der eigenen Partei.
Womöglich auch aus dem taktischen Grund heraus, dass Spiegels Kollegin in NRW, die vormalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, wegen ihres Mallorca-Urlaubes nach der Flut bereits zurückgetreten ist. Das war eine Hypothek. Die CDU kann schließlich nicht moralischer auftreten als die Grünen.
Scholz sollte auch Faeser, Lauterbach und Lambrecht das Vertrauen aussprechen
Verantwortlich dafür ist der Kanzler höchstpersönlich. Wer seine Minister an der langen Leine laufen lässt und Parteiinteressen vor Kompetenz stellt, muss damit rechnen, dass ihm der Laden um die Ohren fliegt. Spiegel ist nur das Symptom eines Chaos-Kabinetts. Schon aus Eigeninteresse sollte Scholz daher auch noch Lambrecht, Lauterbach und Faeser sein Vertrauen aussprechen, will er nicht den Rekord Kurt Georg Kiesingers als kürzester amtierender Kanzler der Bundesrepublik einstellen.