Debakel ebnen Anne Spiegels Weg; Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander – spektakulär sichtbar geworden im Juli dieses Jahres während der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Beste Einstellungsvoraussetzungen für eine Bundesfamilienministerin. Politisch muss sie noch einen Untersuchungssausschuss in Rheinland-Pfalz absegnen. Der muss feststellen, dass die Ahrtal-Katastrophe unvermeidlich und gut gemanagt war, dass vielmehr Katastrophenhelfer von außerhalb von »rechts« kamen und daher mehr geschadet als genutzt haben und dass schließlich künftig mehr Geld in Klima-NGOs fließen muss.
Seit 2021 sitzt Spiegel auf dem Chefsessel im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz, zu dem sie dieses als erste Großtat erst einmal umbenannt hatte. Sie ist zugleich Stellvertreterin der Ministerpräsidentin im rheinland-pfälzischen Kabinett, Malu Dreyer.
Anne Spiegel gelangte bei der Grünen Jugend rasch nach oben; nach dem Abitur 2000 studierte sie bis 2007 Politik, Philosophie und Psychologie. Nach dem Studium arbeitete sie zwei Jahre als Sprachtrainerin. Worthülsen wie Migration, Klimaschutz und Gleichstellung gehen ihr flott über die Lippen. Ein anschauliches Beispiel, wohin Karrieren nach Quoten und politischen Korrektheiten führen können.
Sie leiste sich – so die Kritik – »als Durchlauferhitzer oft nicht ausreichend qualifizierter grüner Parteigänger ein Ministerbüro mit 25 Menschen – schön am Personalrat vorbei.« Sei der Mitarbeiter erst einmal hoch befördert worden, lande er in leitender Funktion in der Fachabteilung. Schon 2014 entschied das Verwaltungsgericht Mainz, dass das Auswahlverfahren bei einer Stellenbesetzung fehlerhaft war.
Oberverwaltungsrichter Brocker – ein SPD-Mann – hielt Anne Spiegel schon einmal eine Standpauke in Sachen Recht. Er warf ihr als Integrationsministerin vor, sich nicht an das Recht zu halten. Denn Spiegel wollte juristische Entscheidungen zur Abschiebung nicht akzeptieren. Es ging um eine libanesische Familie in Bitburg, die nach Italien zurückgeführt werden sollte, weil sie dort einen anerkannten Flüchtlingsstatus hat. Dort hätte die Familie allerdings selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen.
Rheinland-Pfalz – das Land, das im Wettbewerb, wer mit den meisten Millionen das größtmögliche Desaster anrichtet, ziemlich weit vorangekommen ist: Ein fabrikneues modernes Kernkraftwerk bei Koblenz wird – frisch auf den Tisch gekommen – gleich wieder abgebaut, die schönsten Landschaften werden mit Windrädern zerstört und Millionen für dubiose Nürburgringprojekte hinausgeworfen. Rheinland-Pfalz ist das Land, in dem Naturschutz auf Wahlplakaten steht, aber praktisch nichts zählt, dafür bedenkenlos Bäume in Naturschutzgebieten für Windräder fallen müssen. Das Land, in dem Grüne von einer Seilbahn als neues Verkehrsmittel über den Rhein träumen.
Spiegel kennt das rheinland-pfälzische Überlebensrezept: sich bei Sturm und Regen wegducken und hoffen, dass die medialen Wassermassen einen nicht hinweg reißen.
Jüngstes katastrophales Beispiel: die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Hier ist Spiegel wesentlich mit verantwortlich für den desaströsen Ausgang jener Unwetterkatastrophe vom 14. Juli. Genau dort im Zentrum der Katastrophe in Ahrweiler ist übrigens die Katastrophenschutzschule des Bundes beheimatet, in der für den Katastrophenschutz Zuständige aus Verwaltungen, Feuerwehren und Rettungsdiensten im Umgang mit Katastrophen geschult werden sollen.
Auch der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), wusste rechtzeitig Bescheid. Der war am Abend der Katastrophe noch in Bad Neuenahr und besuchte die technische Einsatzleitung – doch ohne einen Katastrophenalarm zu starten, obwohl Behörden schon gewarnt hatten.
Am späten Nachmittag des 14. Juli haben sich noch Regierungschefin Dreyer und Lewentz mit der Umweltministerin Anne Spiegel am Rande des Landtagsplenums ausgetauscht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Landesanstalt für Umwelt bereits einen dramatischen Pegelstand von mehr als fünf Metern prognostiziert.
Umweltministerin Spiegel ließ um 16:43 Uhr noch eine Pressemitteilung verschicken, nach der kein extremes Hochwasser drohe. Die Präsidentin des Landesamtes für Umwelt erklärte überdies, man behalte die Lage im Blick. Spiegel schlug ebenfalls keinen Alarm.
Spiegel ist auch für den Hochwasserschutz in Rheinland-Pfalz zuständig. Wie vielen anderen Grünen ist ihr offenbar mehr an Barrierefreiheit und mehr Lebensraum für die Fische in der Ahr als am Schutz der eigenen Bevölkerung gelegen. Sämtliche Wehranlagen, Schwellen und Querbauwerke im Verlauf der Ahr wurden abgebaut. »Solche Querbauwerke stellten unüberwindbare Hindernisse für Fische auf ihrer Wanderung zu Laichplätzen in den Oberläufen dar«, monierte nämlich das Umweltbundesamt.
Solche Verbauungen hatten die Menschen nach den letzten katastrophalen Hochwassern in das enge Ahrtal gebaut, damit der Wasserfluss abgebremst und die Wucht der Hochwasser gemildert wird. Denn in dem sehr engen Ahrtal sind Hochwasser nichts Ungewöhnliches. Allein am 21. Juli 1804 und 13. Juni 1910 kam es nach schweren Regenfällen ebenfalls zu katastrophalen Überflutungen.
Die Wasserbremsen sind jetzt weg. Grund für Anne Spiegel, sich an der Renaturierung und freien Fahrt für Wanderfische zu erfreuen. Denn für die war der »Einstieg in die Ahr beschwerlich«. Auch das Hochwasser hat jetzt freie Fahrt. Die Folgen sind immer noch im Ahrtal zu besichtigen.
Spiegel sitzt seit 2016 im Mainzer Landtag, wurde 2016 zum ersten Mal Ministerin und ist mitverantwortlich für den erbärmlichen Zustand eines Bundeslandes, für das mittlerweile sogar Spenden aus Ruanda zufließen. Mit dem afrikanischen Land verbindet Rheinland-Pfalz seit fast 40 Jahren eine »Graswurzelpartnerschaft«. Die Partnerschaftsregion im afrikanischen Ruanda, die Gemeinden der „Presbytery Rubengera“, sammelten Geld für die Flutopfer an der Ahr. Rund 1.900 Euro kamen dabei zusammen.
Spiegel wusste Bescheid, unternahm nichts, oder präziser: war erschreckend untätig darin, etwas Sinnvolles zu unternehmen. Es ergingen keine rechtzeitigen Warnungen, die Menschenleben gerettet hätten.
Doch das ist jetzt alles sowieso gleichgültig, wenn Anne Spiegel nicht nur in Rheinland-Pfalz das Weltklima retten muss – oder musste. Ihre nächsten Weltrettungssprüche kommen aus Berlin.