Irgendwann haben wir bei folgenden Zahlen aufgehört, ganz genau zu zählen: Außenministerin Baerbock (Grüne) war seit ihrem Amtsantritt am 8. Dezember 2021 bislang rund 230 Tage auf Auslandsreise. Drei- und Vierecksflüge sowie Rückflüge mitgerechnet, nicht mitgerechnet Reserveflieger, die ebenfalls mitreisen mussten, hat Baerbock die Flugbereitschaft der Bundeswehr also fast 500mal bestiegen und sich beim Ausstieg ebenso oft frisch gestylt auf der Gangway (deutsch: „Laufsteg“ oder so ähnlich) fotografieren lassen. Wer es genauer wissen will, der zähle ausnahmsweise einmal bei Wikipedia weiter.
Nun durfte Baerbock also endlich mit fast neun Monaten Verspätung nach Australien, Neuseeland und in den Südpazifik starten. Eine entsprechende Reise war ja im August 2023 an einem Landeklappendefekt des Luftwaffenjets auf etwa halber Strecke gescheitert. Nachdem der Flieger 80 Tonnen Kerosin abgelassen hatte, musste Baerbock mit Abu Dhabi vorliebnehmen und anderweitig nach Berlin zurückreisen. Da Abu Dhabi ja ein Feld-Wald- und Wiesen-Flughafen ist, war ein Weiterflug mit „Linie“ auch nicht möglich. Das war ihr denn die Frauen-Fußball-WM zur gleichen Zeit in Australien auch nicht wert.
Das Auswärtige Amt ist außer sich und schreibt nun aktuell zum zweiten Anlauf „down under“ geradezu märchenhaft lyrisch: „Weit weg und doch so nah: Australien und Neuseeland sind trotz ihrer mehr als 15.000 Kilometer Entfernung Wertepartner Deutschlands. Vom 1. bis zum 7. Mai reist Außenministerin Baerbock nach Adelaide und Auckland, und von dort weiter nach Suva, der Hauptstadt Fidschis.“ Einen kurzen Abstecher Baerbocks ins 800 Kilometer von Adelaide entfernte Koonibba hatten die AA-Planer nicht auf dem Schirm. Dort startete ein deutsches Unternehmen erstmals eine Rakete mit Kerzenwachsantrieb. Das hätte Fotos ergeben!
Weiter schreibt das AA: „Australien, Neuseeland, Fidschi: Außenministerin Baerbock reist in die Schlüsselregion Indopazifik.“ „Schlüsselregion“, das lässt einiges erwarten.
Tatsächlich geht es dann auch wirklich staatsmännisch respektive feministisch staatsfraulich weiter: In Adelaide wird Außenministerin Baerbock ihre australische Amtskollegin Wong und andere politische Partner treffen, um mit ihnen die deutsch-australischen Beziehungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik zu vertiefen. Dabei geht es insbesondere um die Situation im Indopazifik und die Rolle Chinas in der Region. Im Beiprogramm Baerbocks stehen schließlich auch konkrete sicherheitspolitische Überlegungen: Sie besucht das Australische Zentrum für Cyber-Zusammenarbeit und die Osborne-Werft, wo das Bremer Unternehmen Lürssen Patrouillenboote für die australische Marine baut.
Aus Peking vernimmt man, dass man dort bis hin zu Staatschef Xi in Schockstarre verharrt, was denn da kommen möge. Denn auf der Agenda der Reise stehen Fragen der Rüstungskooperation, des Klimawandels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zwischendurch “droht“ sie – so viel Zeit muss sein – von Australien aus den Russen mit „ernsthaften Konsequenzen“ wegen des Hacker-Angriffs auf den FDP-Vorstand. www.deutschlandfunk.de/baerbock-droht-russland-in-australien-mit-konsequenzen-dlf-cbaed32a-100.html
Mitbringsel: ein Holzschwert, ein Fischernetz usw.
Bei einem Termin mit Indigenen wird es dann aber so richtig spirituell. Dort hat sie soeben historisches Kulturgut an den Aborigine-Stamm der Kaurna zurückgegeben: ein Holzschwert, einen Speer, ein Fischernetz und einen Knüppel, die alle im 19. Jahrhundert von zwei Missionaren nach Deutschland geschickt worden waren. Zuletzt waren diese „Kulturgüter“ im Leipziger Gassi Museum für Völkerkunde zu sehen. Okay, man hätte sie in Berlin auch dem australischen Botschafter übergeben oder mit FedEx nach Australien schicken und den dortigen deutschen Botschafter überbringen lassen können. Aber, wir wissen ja: die Fotos, die Fotos!
Außerdem wären dann keine so bedeutungsschwangeren Worte wie die folgenden möglich gewesen: „Jeder dieser Gegenstände birgt unzählige Geschichten. Geschichten darüber, wie das Volk der Kaurna vor über 150 Jahren lebte“, sagte Baerbock bei der Übergabezeremonie im südaustralischen Adelaide. Sie wolle der spirituellen Beziehung der Kaurna zu ihrem Land Respekt zollen.
Doch keine 100.000 Kilometer Entfernung?
Bald geht es weiter auf die Fitschi-Inseln. Denn Fitschi – so die amtliche Darstellung – ist „Verbündeter im Kampf gegen die Klimakrise.“ Baerbocks Reise endet dort mit einem zweitägigen Aufenthalt. Vermutlich wieder mit Barfußfotos am Strand beim Muschelsuchen – oder beim Messen des Meeresspiegels: Denn Fidschi ist ganz direkt vom steigenden Meeresspiegel bedroht, daher stehen die Auswirkungen der Klimakrise und der Katastrophenschutz hier ganz besonders im Fokus. Außenministerin Baerbock wird unter anderem mit Fidschis Premierminister Rabuka zusammentreffen, ein Peacekeeping Camp besuchen und ein Gespräch mit dem Generalsekretär der Regionalorganisation „Pacific Islands Forum“ führen. Beim Besuch zweier Dörfer, die wegen Landerosion und Überschwemmungen ganz besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, trifft Außenministerin Baerbock „Bewohnerinnen und Bewohner“, um sich über deren persönliche Situation zu informieren.
Jaja, Reisen bildet: Nun kann Baerbock evaluieren, ob es wirklich – wie sie vorrechnete – Hundertausende von Kilometern sind, die man Klimaflüchtlinge nach Deutschland einfliegen muss.
Außerdem kann sie dort mal einen Sprachkurs besuchen. Denn die Fitschis bekommen ein Goethe-Institut. Ja, dafür wurden Goethe-Institute in Ländern, die für Deutschland weniger bedeutend sind, geschlossen oder verkleinert: in Frankreich die Institute in Straßburg, Bordeaux und Lille; in Italien, dem Reiseland Goethes, in Turin, Genua und Triest. Schließen soll auch das Institut in Rotterdam, die Institute in Neapel und Washington D.C. sollen verkleinert werden.
Ach ja: Damit das noch mit vielen, vielen Flügen so weitergehen kann, verlangt Baerbock von Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Aufstockung ihres Etats um 2 Milliarden. Bislang hat das Auswärtige Amt ein Budget von 6 Milliarden (2024). Ob das ein Plus von einem Viertel oder einem Drittel ist, lässt sie sich derzeit von ihrem Parteigenossen und Wirtschaftsmathematiker Robert ausrechnen.