Wieder ist es der Bund-Länder-Gipfel, der über die Corona-Maßnahmen entscheidet. Am Mittwoch beschloss man hier: Lockerungen kommen schon, aber mit angezogener Handbremse. Während in Deutschlands Nachbarländern die Einschränkungen ganz oder weitgehend fallen, kommt die Freiheit in der Bundesrepublik nur scheibchenweise zurück. Einen „Freedom Day“ wird es so wohl nicht geben: Denn auch nach dem 20. März, wenn die bisherigen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes auslaufen, pochen gerade Unions-geführte Bundesländer auf einen „Instrumentenkasten“, der ihnen bei neuen Corona-Wellen ein Gegensteuern erlaubt. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), verlangt eine Art Basisschutzgesetz, damit weiterhin neben Maskenpflichten und Abstandsgeboten auch 2G-oder 3G-Pflichten möglich sein können. Die deutsche Kopie des „Freedom Day“ bringt nur geliehene Freiheit und Grundrechte weiterhin unter Vorbehalt.
Doch selbst diese Light-Version des Freiheitstages muss an dem Mann vorbei durchgesetzt werden, in dessen Zuständigkeit sie eigentlich fiele: Selbst bei Scholz’ Zögerfahrplan aus den Maßnahmen ist Lauterbach nicht wirklich an Bord. Noch vor einer Woche erklärte er, er könne weitgehende Lockerungen „zum jetzigen Zeitpunkt nicht vertreten“. Gestern, am Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz, sprach er dann plötzlich von „maßvollen Lockerungen“, die vertretbar seien. Von Selbstkritik natürlich keine Spur: Die bisherigen Maßnahmen hätten „genau gesessen“, sagte Lauterbach. „Damit konnten wir die Zahl der Sterbefälle deutlich reduzieren und sind im Vergleich zu anderen Ländern wirklich gut durch diese Omikron-Welle gekommen. Man sollte anerkennen: Da hat etwas geklappt.“ Lauterbach, der Wellenbrecher.
Viele Medien helfen ihm dabei – Schlagzeilen wie „Lauterbach will Wieler entmachten“ suggerieren Einsicht des Ministers bzw. eine Aktion aus eigenem Antrieb. Dabei fügt er sich lediglich dem Kanzler und den Landeschefs. Dass sein Coup vom Januar rückabgewickelt wird, kann er nicht verhindern. Seit Montag kursiert bereits die Beschlussvorlage der SPD-Länder für die heutige Ministerpräsidentenkonferenz. In der heißt es: „Bei der vom Bundesminister der Gesundheit angestoßenen Überarbeitung der Covid-19-Schutzmaßnahmen-AusnahmenVerordnung (SchAusnahmV) entfällt in Hinblick auf die Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus die Delegation auf das Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut (RKI).“
Lauterbach hatte also nicht nur keine Wahl – er wurde von Scholz auch demonstrativ heruntergestuft. Lauterbach hat sich mit seiner harten Hand verpokert. Wieler ist nun ein Bauernopfer für den Gesundheitminister, der noch im Januar versicherte, dieser hätte „nicht eigenmächtig gehandelt“. Der Genesenencoup wird zum Eigentor – wäre Politik Fußball, käme das aktuelle Handeln des Kanzlers einer Auswechslung Lauterbachs gleich. Der gefallene Pandemie-Libero wird jetzt erstmal zum Bankwärmer.