Tichys Einblick
Faesers Vorbereitungen: Operation Aufnahme

Ampel will Asylstatus nur noch selten überprüfen lassen und Aufenthaltstitel verschenken

Die illegale Migration an den EU-Außengrenzen hat im Mai sprunghaft zugenommen. Höchste Zeit, das hiesige Asylsystem auf die „Neuen“ vorzubereiten. Die Ampel will die Integration der hier lebenden Asylbewerber vorantreiben, egal ob abgelehnt oder nicht.

IMAGO / Joko

Die Ampelkoalition bringt weitere Erleichterungen beim Aufenthaltsrecht für Asylbewerber und geduldete Migranten auf den Weg. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) trumpft nun mit gleich zwei Vorhaben auf: Die Abschiebung geduldeter Migranten soll durch einen „Chancen-Aufenthalt“ abgewendet werden. Daneben soll bei anerkannten Asylbewerbern die sogenannte Widerrufsprüfung entfallen, in der drei Jahre nach der Asylentscheidung überprüft wird, ob der Asyl- oder Fluchtgrund noch vorliegt – zum Beispiel wenn sich die Lage im Herkunftsland verbessert.

Auch hier geht es darum, dass Asylbewerber nach drei Jahren die Chance auf einen festen Aufenthaltstitel haben. Der steht ihnen nach alter Rechtslage aber nur dann zu, wenn sie zu diesem Zeitpunkt immer noch einen Fluchtgrund haben. Aber in diesem Jahr sank die Zahl der veranstalteten Widerrufsprüfungen rapide, wie die Welt berichtet. Gegenüber sonst 150.000 im Jahr kam man nun nur noch auf 17.000 Prüfungen in vier Monaten. Was war geschehen? Vorgeschützt wird von amtlicher Seite erneut die Pandemie. Aber Corona kann wirklich nicht der Grund für alles sein.

Zurückgestellt wurden die Prüfungen wohl eher, weil man die von der neuen Bundesregierung beabsichtigte Modifikation des Asylrechts schon vor deren Verabschiedung umsetzt. Das begann wohl schon im Dezember. Die Überprüfung des Schutzbedarfs soll demnach nur noch „anlassbezogen“ erfolgen. Man kann fest davon ausgehen, dass das „nie“ bedeutet – jedenfalls solange Nancy Faeser oder einer ihrer Gesinnungsgenossen das Innenministerium leitet.

SPD: Widerrufsprüfungen als „unnötiger Stress“ für die Asylberechtigten – „Lebensplanung sicherer machen“

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Was erhofft man sich von der Änderung? Eine Entlastung des Bundesamts mit Sicherheit. Daneben aber auch die bessere „Integration“ der „Flüchtlinge“, weil ihr Schutzstatus so weniger angezweifelt würde. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh, der sich in der Arbeitsgemeinschaft Demokratie seiner Fraktion engagiert, sagte es so: „Anlasslose Widerrufsprüfungen binden unnötig viel Arbeitskraft im BAMF, bremsen die Entscheidungspraxis des BAMF und bedeuten unnötigen Stress für die Asylberechtigten.“ Mit so einem wie Lindh ist die SPD voll in der Identitätspolitik der Lifestyle-Linken angekommen. Die wenigen verbliebenen Wähler aus der Arbeiterschaft wird man so auch noch verlieren.

Die Revision des Schutzstatus war allerdings auch in den letzten Jahren schon die Ausnahme. So wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 insgesamt 114.087 Entscheidungen über Widerrufe getroffen, davon endeten 110.691 ohne Änderung am Aufenthaltsstatus, wie eine parlamentarische Frage der Linkspartei Ende jenes Jahres ergab. Ein paar tausend Widerrufe ohne wirkliche Folgen kann man sich auch sparen.

Daneben gibt es nun auch einen Gesetzentwurf zu dem schon angekündigten Chancen-Aufenthaltsrecht für Asylbewerber, die noch nicht einmal die Hürde der Anerkennung genommen haben und in Deutschland lediglich geduldet sind. Es geht angeblich um etwa 100.000 Personen, die inhaltlich-materiell – teils durch Gerichtsbeschlüsse – ausreisepflichtig wären, weil sie Asyl zwar beantragt, aber nicht erhalten haben. Sie dürften, falls der Faeser-Gesetzentwurf vom Bundestag beschlossen wird, auch nach fünf Jahren noch Sprachkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts nachweisen, um dann in den Genuss eines dauerhaften Bleiberechts zu kommen.

Jetzt beklagt auch die Union den deutschen Sonderweg

Laut Spiegel will man durch den Gesetzentwurf „die Lebensplanung für langjährig in Deutschland aufhältige Menschen […] verlässlicher“ machen – „wenn diese bestimmte Integrationsvoraussetzungen erfüllen“. Tatsächlich ist auch diese Änderung eher eine Legalisierung eines schon Jahre so währenden Zustandes. Denn Abschiebungen werden bisher meist „ausgesetzt“. So entstehen die „Kettenduldungen“ der hier lebenden Ex-Asylbewerber, an denen sich die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag vor allem stören.

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Straftäter und Menschen, die falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht haben, sollen von der Erleichterung ausgeschlossen bleiben. Wie streng man diese Maßstäbe anwenden wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Auch auf die Abschiebungsoffensive der Koalition wartet man bisher vergebens – zuständig sind da übrigens die Länder.

Mit beiden geplanten Änderungen schaffen die Ampelkoalitionäre eine Art generalisiertes Bleiberecht für alle. CDU und CSU sehen das als Anreiz für weitere illegale Migration. Innenpolitiker Alexander Throm (CDU) sprach von einem „massiven Anreiz für unerlaubte Migration nach Deutschland“. Zudem „höhlt“ die Ampel-Initiative nach Throm „das Asylrecht aus“. Es müsse „einen Unterschied machen, ob ein Asylverfahren mit einem Schutzstatus endet oder der Asylantrag abgelehnt wird. Wenn aber auch ein abgelehnter Asylantrag dazu führt, dauerhaft legal in Deutschland bleiben zu dürfen, dann würde ein Asylverfahren weitgehend sinnlos.“ Das Ergebnis sei ein „gefährlicher Sonderweg“ der Bundesrepublik innerhalb der Europäischen Union.

Curio: Ampel will illegale Migration „mit allen Mitteln“ befeuern

Aber auf diesem Sonderweg ist Deutschland auch schon lange. Wo es in anderen europäischen Ländern Sans-Papiers gibt, die vielleicht auch nicht konsequent genug abgeschoben werden, da gibt es hier noch für jeden Migranten einen Rechts- und Aufenthaltsstatus – wie man sieht, mit expansiver Tendenz zur Ausweitung. Was die Ampel vorhat, ist die endgültige Legalisierung und Implantation der hiesigen Sans-Papiers, der Papier- und Fluchtgrundlosen unter den Asylbewerbern, in die Gesellschaft. Sie sollen nicht mehr als geduldeter Fremdkörper am Rande der Gesellschaft existieren, sondern in deren Zentrum geholt werden.

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Besonders bezeichnend ist daher das Reden der Koalitionäre von der angeblich „guten Integrationsleistung“ der Geduldeten. Dabei werden nur die rudimentärsten Daten überhaupt geprüft und laufend neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und (staatlich unterstützte) NGO-Jobs ins Leben gerufen.

Für Gottfried Curio, den innenpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, ist klar, dass man mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht eigentlich „Chancenlose“ zu integrieren versucht und damit die illegale Migration nach Deutschland „mit allen Mitteln weiter“ befeuert. Alles laufe auf eine Anerkennung möglichst vieler Asylanträge hinaus, wie es schon das Motto der GroKo unter Angela Merkel war. Curio sieht das deutsche Asyl- und Migrationssystem pervertiert: Weder Schutzgründe noch deutsche Interessen spielten eine Rolle. „Durch Schaffung von Schleichwegen zum Bleiberecht und immer neuer Verhinderungstatbestände“ unterhöhle die Ampel letztlich auch das „geltende Einwanderungsrecht“.

Faesers EU-Amtskollegen sind für weniger Migration

Interessant wäre auch die Antwort der CDU/CSU auf die Frage, in welcher Richtung der deutsche Sonderweg in Sachen Migration überwunden werden soll. Sollte Faeser ihre Ausländerpolitik also den Wünschen der anderen zuständigen EU-Minister anpassen? Zum Beispiel denen der dänischen Sozialdemokraten, wo Ausländerminister Mattias Tesfaye kürzlich ins Justizministerium wechselte und prompt einen Cum-Ex-Verdächtigen in Dubai festnehmen ließ?

Oder lieber die Vorstellungen des Griechen Notis Mitarakis oder des Österreichers Gerhard Karner? Oder lassen wir es bei dem derzeit wegen einer eskalierenden Sicherheitslage in der Kritik stehenden Franzosen Gérald Darmanin? Es ist gleich. Sie alle sind für weniger illegale Zuwanderung in ihre jeweiligen Sozialsysteme. Doch Nancy Faeser geht hin, um illegale Einreisen nach vielen Jahren der legalen Einwanderung am Ende gleichzustellen. Für CDU-Innensprecher Throm – und viele andere – ist das „eine offene Einladung an alle Menschen, unter dem Vorwand eines Asylgesuchs nach Deutschland zu kommen und dauerhaft zu bleiben“.

Ende-Gelände-Tweet: Kommt eine „Aktion“ am 20. Juni?

Derweil organisiert sich der nicht-parlamentarische Arm hinter Faeser im berüchtigten Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Die nicht weniger berüchtigte Gruppierung „Ende Gelände“ – der im Verfassungsschutzbericht 2020 noch als linksextrem und gewaltbereit auftauchte – rief letzte Woche zu einem Treffen „für Spontane“ auf. Das Treffen veranstaltete eine Aktivisten-Gruppe, anscheinend gebildet von teils nur in Deutschland geduldeten Migranten, die sich von einem „rassistischen System“ betroffen wähnen, die behördlich erlassenen Residenzpflichten und Arbeitsverbote sowie die „Bedrohung“ durch Abschiebungen geißeln.

Auch „Polizeigewalt“ und „racial profiling“ können in dem Reigen der Vorwürfe gegen die erwünschte Aufnahmegesellschaft nicht fehlen. Schöne Seiten-Pointe an der Stelle: „Internationale Studierende aus der Ukraine machen jetzt gerade ähnliche Erfahrungen wie viele die schon lange hier sind.“ Denn dass es sich um Studenten handelt, die da als Drittstaater nach Deutschland kamen, vermutlich in einer Stärke von mehr als 15.000 Personen (gemäß Zahlen der Bundespolizei), mag man nicht glauben. Eine aktuelle Frontex-Meldung spricht übrigens von unglaublichen 1,8 Millionen Nicht-Ukrainern, die derzeit in EU-Staaten vor dem Krieg in der Ukraine Zuflucht gefunden hätten.

Man will einander also kennenlernen, organisieren und letztlich „aktiv werden“: „Der 20.06. ist der Tag des Flüchtlings, dies wäre z.B. ein Anlass für eine Aktion.“ Man darf gespannt sein, ob das versprengte Häufchen für so etwas ausreicht. Wenn ja, hätte Nancy Faeser ihren Applaus, noch bevor sie ihre Zirkusnummer überhaupt vollendet hat.

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