Tichys Einblick
Streit in der Ampel

Ein Sommerloch bleibt in diesem Jahr aus

Ein Sommerloch wird es nicht geben. Das hat TE 2023 vorhergesagt – und recht behalten. Anlass genug, für 2024 noch einmal eine Prognose zu treffen: Ein Sommerloch wird es nicht geben. Da sind schon Scholz, Habeck und Lindner davor.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Sommer ist in Medien oft die Zeit großer Serien: die zehn besten Tipps für unbekannte Ferienorte. Oder auch gern genommen: neue Trends auf dem Arbeitsmarkt. Und wenn Journalisten gar nichts mehr einfällt, stellen sie die Angebote der örtlichen Museen vor. Mit Texten dieser Art schützen sich Journalisten davor, dass ihnen über die Ferien das Material ausgeht. Doch solche Serien sind gar nicht mehr notwendig. Das politische Personal liefert mittlerweile auch zuverlässig über den Juli und August hinweg.

Schon 2023 hat TE angekündigt, dass es ein Sommerloch nicht geben werde. Diese Prognose hat sich bewährt. Nicht nur, weil sie sich im vergangenen Jahr als richtig erwiesen hat – sondern, weil sie für diesen Sommer wieder exakt genauso getroffen werden kann. FDP, SPD und Grüne werden über den Sommer genug Geschichten liefern. Die Welt wird also nicht erfahren, dass sich Waldfischbach-Burgalben hervorragend für einen Wanderurlaub eignet. Zumindest nicht über den Weg einer Sommerserie.

Wie im vergangenen Jahr ist es der Haushalt, der die Bundesregierung nicht zur Ruhe kommen lässt. Zwar hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) Eckwerte vorgestellt. Doch die enthalten noch so viele Buchungstricks, dass das Ringen um die Details genug Stoff liefert. Zudem hat die Bundesregierung eine „Wachstumsinitiative“ vorgestellt. Eine Liste loser Projekte, die die Ampel noch bis zur Wahl umsetzen will.

Damit agiert die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wieder einmal wie ein Rosstäuscher. Ihre Vertreter tun so, als ob sie als Koalition neu angetreten wären und sich auf eine Liste von Vorhaben geeinigt hätten. Das ist zum Beginn einer Wahlperiode angemessen. Doch diese Wahlperiode geht allmählich in ihr letztes Viertel. Die Zeit ist abgelaufen für lose Vorhaben, für die noch keine konkreten Gesetzesvorhaben vorliegen.

Soll es statt loser Absichtserklärungen tatsächlich Entwürfe geben und dann Gesetze und dann Effekte dieser Gesetze, die alle noch vor dem September 2025 greifen, dann muss sich die Berliner Käseglocke über diesen Sommer in ihre Büros rund um den Spreebogen einbunkern. Denn dann müssen sie mehr Papiere ausspucken, als ein AStA-Funktionär im LSD-Rausch. Der Streit darüber wird viele Zeilen füllen – für eine detaillierte Beschreibung über die vielen Möglichkeiten, in Waldfischbach-Burgalben Rad zu fahren, wird da kaum Platz bleiben.

Seine PR-Tricks werden Scholz nicht weiterhelfen. Schon oft hat er ausgerufen, dass die Ampel jetzt einig sei, handlungsfähig, zukunftsorientiert und so weiter. Doch die Initiativen scheitern an diesen vielen zähen Meldungen, die der Bundesregierung immer wieder ihre Bilanz vor Augen halten: die über zunehmende Insolvenzen von Pflegeheimen und Krankenhäusern. Über eine Wirtschaft, die sich beharrlich weigert zu wachsen, egal wie sehr sich Scholz und seine Minister um ein Gesundbeten bemühen. Über Arbeitslosigkeit, die trotz Arbeitskräftemangel steigt. Über „ein Mann mit Messer“ oder eine „Gruppe von Männern“, die Amok gelaufen oder über ein Mädchen hergefallen sind. Über über zusätzliche Aufnahmeplätze für Einwanderer, die aber auch wieder nicht reichen. Oder über internationale Bildungsvergleiche, die für Deutschland peinlich ausfallen. Die regierungsnahen Medien können in ihren Leitartikeln vielleicht die Ampel beschwören, aber in ihren Meldungsspalten zerstören sogar sie diesen Zauber.

Die Ampel ist gescheitert, weil sie sich immer wieder selbst belogen und in ihren eigenen Widersprüchen verfangen hat. Sie hat sich zum Beispiel vorgenommen, die „Spaltung der Gesellschaft“ zu überwinden, aber gleichzeitig den „Kampf gegen Rechts“ begonnen. Ihre Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dabei im Staatsfernsehen erklärt, dass für sie dieses Rechts in der Mitte der Gesellschaft anfängt. Eine Regierung will also die Spaltung einer Gesellschaft beheben, indem sie mehr als die Hälfte dieser Gesellschaft bekämpft. Das funktioniert nicht. Das versteht eigentlich jeder mit gesundem Menschenverstand. Doch in den Köpfen der Berliner Blase herrscht der Nebel des eigenen Überlegenheitsgefühls. Dieser Nebel verwirrt derart und führt zu so vielen absurden Beschlüssen, dass die Geschichten über diese Absurditäten nicht abreißen und es daher gar keine Sommerserie über die leckeren Brathendl in Waldfischbach-Burgalben geben kann. Obwohl die Hendl dort wirklich gut sind.

Beiträge über das mögliche vorzeitige Aus der Ampel wird es über den Sommer auch wieder jede Menge geben. Schade um den Platz. Da wäre ein Beitrag über das vielfältige kulturelle Leben in Waldfischbach-Burgalben wirklich gewinnbringender. Denn das vorzeitige Aus der Ampel wird es nicht geben. Nicht in diesem Sommer. Eher gewinnt ein deutscher Läufer die 100 Meter bei den Olympischen Spielen in Paris. Keine der drei Ampelparteien hätte bei einer solcher vorgezogenen Wahl etwas zu gewinnen. Also werden sie es aussitzen.

Die Vertreter von SPD, Grünen und FDP werden auf äußere Faktoren warten, die für sie das Rennen drehen können: Großereignisse wie eine neue Pandemie zum Beispiel oder eine weitere Eskalation des Kriegs in der Ukraine. Von solchen Großereignissen profitieren traditionell die Regierungsparteien. Oder sie hoffen auf ein Wirtschaftswunder wie in den 50er Jahren. Wobei das kein Wunder war, aber das wäre ein anderer Text. Vielleicht Stoff für eine Sommerserie.

Bleiben Großereignisse und Wirtschaftswunder aus, dann werden die Vertreter von SPD, Grüne und FDP ihr politisches Überleben in der Konfrontation gegenüber den Koalitionspartnern suchen. Die SPD mit weiteren sozialen Wohltaten – unbeeindruckt davon, zu welch absurdem Instrument sich das Bürgergeld bereits jetzt entwickelt hat. Die Grünen mit Klimaschutz und weiterer Identitätspolitik. Die FDP mit der Einsicht, dass rot-grüne Politik schlecht ist, sowie dem Versprechen, diese anders als bisher überhaupt nicht mehr mittragen zu wollen. Großes Indigene-Einwohner*innen-Ehrenwort.

Keine Serie über die Museen unser Land bringt also dieser Sommer. Keine über neue Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Und auch das wunderschöne Waldfischbach-Burgalben muss ein andermal besungen werden. Stattdessen gibt es jede Menge Christian Lindner gegen Robert Habeck, Nancy Faeser gegen die rechtsextreme Mitte und Olaf Scholz gegen sein Gedächtnis und die Realität. Falls da doch viele lieber nach Waldfischbach-Burgalben wollen – es ist über Pirmasens gut zu erreichen und lohnt einen Besuch.

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