Tichys Einblick
Die grüne Fete auf dem Vulkan:

Die Wirklichkeit der Bürger ist den Regierenden fremd

Nichts, was die Ampelregierung unternimmt, ist im Interesse der deutschen Bürger, der deutschen Familien. Alles, was sie hingegen in die Wege leitet, scheint aus Verachtung der Interessen der Steuerzahler zu geschehen, zumindest aber aus Unkenntnis über deren Leben.

IMAGO/photothek

Die Leute, die Deutschland regieren, haben die Bodenhaftung verloren, sie agieren in einer eigenen Welt. Während der Chef des 17. Landesverbandes der Grünen, der FDP, dem deutschen Steuerzahler anlässlich seiner Hochzeit zeigt, was Luxus ist (und ihn hierin der grüne Finanzminister Bayaz verteidigt, in dem er den Medien vorschreiben will, worüber sie zu berichten haben und worüber nicht), verkündet Robert Habeck mit einer an mittelalterliche Bußprediger erinnernden Emphase, dass die Bürger den Gürtel enger zu schnallen haben. Für Habecks Traumreich ist es das mindeste, was sie beitragen dürfen.

Woher sollte auch eine Empathie zu dem Volk, das ihm zu dieser Position verholfen hat, kommen, schließlich hat er zu Protokoll gegeben, dass er mit Deutschland nie etwas anzufangen wusste, und es auch heute nicht weiß. Da ist es nur konsequent, dass Habeck kein einziges Problem zu lösen vermag, das er selbst mitverursacht hat. Er gleicht dem Mann, der einen Fußgänger mit dem Fahrrad anfährt, weil der nicht rechtzeitig den Fußgängerweg für ihn frei gemacht hat, und ihm sodann erklärt, dass hier kein Rechtsproblem vorläge, sondern ein physikalisches, denn wo ein Körper ist, kann kein anderer sein. Dass sein Körper dort nicht zu sein hatte, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen, denn er ist ein Grüner – und es liegt nach grüner Lesart in der Natur des Grünen, alles richtig zu machen. Gegenteiliges stellt nur rechte Propaganda dar und würde ohnehin den Staat „delegitimieren“.

Dennoch dürfte inzwischen als Axiom gelten: Die Grünen lösen keine Probleme, sie schaffen welche.

Die deutschen Medien werfen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán vor, dass er Politik für das ungarische Volk macht. Die ungarische Regierung hat die Energiepreise in Ungarn gedeckelt. Robert Habeck verhöhnt stattdessen die Deutschen, die unter den höchsten Energiepreisen in Europa ächzen, Tendenz explodierend. Kaltschnäuzig stellt Habeck klar, dass trotzdem die deutsche Regierung die Energiepreise nicht deckeln wird. Im süßen Gefühl der Macht dekretiert er: „Das wird das Land in der einen oder anderen Form tragen müssen.“ Nicht er, nicht Lindner, nicht Bayaz, sondern die Bürger und Bürgerinnen, die Familien, die Kinder. Und sie m ü s s e n es, basta! In diesen apodiktischen Sätzen blitzt der wahre Habeck hervor, wenn die Wirkung der Kreide nachlässt. Doch was geht Habeck das deutsche Volk an? Endlich ist seine Zeit gekommen, die Zeit für die Verwirklichung seiner Utopie – und wenn das Land darüber zum Teufel geht.

Wie viel Arroganz und wie viel Verachtung steckt eigentlich in dem Satz, den der vom deutschen Steuerzahler alimentierte Minister als Begründung nachreicht: „Eine Deckelung der Preise wäre bei einem knappen Gut ein Signal: Energie ist nicht wertvoll, haut raus, was ihr wollt“? Hat ein Robert Habeck wie in einer Diktatur darüber zu bestimmen, was der einzelne „raushaut“? Ist er der Herr des Verbrauchs der Bürger? Müssen wir unsere Energierechnungen bei einem künftigen Bundesamt für Energiekontrolle, Energieeinsparung und Nachhaltigkeitsbemühungen einreichen? Oder regelt das die Regierung gleich über Energiezuteilung?

Nicht der kritische Bürger, der kritische Journalist oder Schriftsteller delegitimieren den Staat, sondern beispielsweise hohe Amtsträger, die Ansagen in einer Gossensprache „raushauen“. Übrigens benötigen Demokratien das Adjektiv „kritisch“ nicht, weil es die normale Äußerungsform in einer funktionierenden Demokratie ist. Die Notwendigkeit des Gebrauchs dieses Adjektivs verrät etwas über den Zustand unserer Demokratie, wenn es eigens erwähnt werden muss, denn wo Apologie und Lob der Herrschenden zur Regel wird, wird Kritik zum Vergehen.

Familien werden frieren, Familien werden ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen können, Kinder werden auf eine gute und abwechslungsreiche Ernährung verzichten müssen, weil in Robert Habecks und in der Welt seiner Ministerkollegen die Wirklichkeit nicht mehr stattfindet. Ihre Realität besteht in der Hochzeit auf Sylt, in der Nutzung der Flugbereitschaft für Familienangehörige. Oder in einer Zugfahrt nach Brüssel.

Zur Erklärung: Am 1. Mai fuhr ich mit dem Zug nach Bonn. Von Berlin bis Köln saßen an meinem Tisch eine junge Abgeordnete der Grünen und ihre Helfer. Sie wussten hörbar bestens Bescheid über die angesagten veganen Restaurants von Berlin Friedrichhain-Kreuzberg und bekamen gerade via SMS aus Brüssel Tipps über die dortige Szene. Außerhalb von Berlin Friedrichhain-Kreuzberg schien nichts für sie zu existieren.

Während ihr Parteifreund Robert Habeck die Deutschen jeden Tag zum Sparen und zu Einschränkungen aufruft, spornte sie ihre Helfer an: „In diesem Jahr können wir noch so viel Geld ausgeben, wie wir wollen.“ Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen.

Robert Habeck behauptet faktenwidrig, dass die Preissteigerungen Folgen externer Schocks sind. Da für Habeck Deutschland, das gute, alte Deutschland inzwischen etwas Externes ist, das aufgelöst werden soll, dürfte er damit aus eigener Perspektive sogar recht haben. Die Preisschocks sind die Folge grüner Gesellschafts-, Wirtschafts- und Energiepolitik, und die sind insofern extern, weil sie nicht im Interesse des deutschen Volkes liegen, sondern einer Ideologie folgen, die nur noch diverse Menschen in Windparks kennt, nur noch Eltern 1 und Eltern 2, mit Kindern, die ihrer Geschlechtsumwandlung entgegenfiebern, und die diesen, ihren Menschen eine neue Sprache aufzwingen will, damit sie auch nur noch das ausdrücken können, was sie ausdrücken sollen.

Habecks Hinweis, dass die Belastung durch die hohen Gaspreise „gerecht“ verteilt werden solle, dürfen die Bürger in Deutschland, die arbeiten und Steuern zahlen, durchaus als Drohung verstehen. Habeck ist nicht angetreten, Probleme zu lösen, nicht angetreten, den Interessen des Volkes zu dienen, nicht angetreten dafür, einen realistischen Energienotfallplan zu schaffen, sondern denen, die Steuern zahlen, immer mehr vom Erarbeiteten zu nehmen, um damit die Welt zu retten und die Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme zu finanzieren – und natürlich die Verspargelung Deutschlands mit Windrädern als Inbegriff grünen Naturschutzes.

In normalen Zeiten hätte Habecks Satz, dass es bei der Gasversorgung kein Marktproblem gäbe, da die hohen Preise viel Gas nach Europa „ansaugten“, den Rücktritt des Ministers wegen mangelnder Kompetenz zur Folge. Es wäre so, als würde der Verkehrsminister behaupten, die Maßeinheit PS käme daher, weil im Motor kleine Pferde arbeiten, wie in Batterien die Kobolde. Und wie ein Schüler der achten Klasse, der in Geographie einen Vortrag hält, erklärt Habeck: „Es ist ein physikalisches Problem, das Gas muss halt ankommen. (…) Anders als Italien haben wir kein LNG-Terminal.“ Wahrscheinlich tut man dem fiktiven Schüler der achten Klasse Unrecht. Dass wir keine LNG Terminals haben, ist sogar Robert Habeck bekannt. Dass er nach diesem Erklärungsstrohhalm greift, verdeutlicht nur, dass der Minister von der Hand in den Mund lebt, dass all die schönen Ideen und Visionen, die er in Schwedt und anderswo verkündet, der Phantasie eines Schriftstellers entspringen.

Bevor man mit Katar verhandelt, bevor man Putin die kalte Schulter zeigt und ständig prahlt, dass man im Grunde nicht mehr abhängig ist vom Piplinegas aus Russland, hätte man das Terminal-Problem nicht nur in der Phantasie, sondern in der Realität lösen müssen. Deshalb ist die Nichtexistenz solcher LNG-Terminals eben kein physikalisches, sondern ein politisches Problem. Das Medium der Politik ist die Realität, nicht die Illusion und politisches Handeln bedeutet eben nicht Geschwätz.

Die wirtschaftliche Talfahrt begreift Robert Habeck anscheinend nicht als gesellschaftliches Problem, sondern als mentales Problem rückständiger Menschen: die Leute müssen halt sparen. Und wehe, einer wagt, noch zu lachen, das wäre ja Energieverschwendung. Es reicht vollkommen, wenn die Regierenden über das Volk lachen. Auf Sylt, im Hubschrauber der Flugbereitschaft der Bundeswehr, im ICE nach Brüssel via Köln.

Anstatt einen Energienotfall zu erstellen, der realistisch ist, weil er die Not abwenden will, ist die Situation für die Grünen anscheinend noch nicht schlimm, die Energiepreise noch nicht hoch genug. Wohl deshalb liefen sie in Brüssel gegen die Taxonomie Sturm, die Gas und Kernenergie ebenfalls als nachhaltig einstuft. Damit hatten sie jedoch keinen Erfolg. Auf dem Weg in den Niedergang wollen andere europäische Staaten Deutschland nicht folgen.

Weil die Grünen nichts gut machen können, machen sie alles schlechter. Und der Rest der Ampel-Regierung folgt ihnen hierin. Sie ist ein einziges Hochzeitsfest zwischen Gelb und Grün, an dem sich die roten Verwandten nach Kräften beteiligen – und die CDU am Katzentisch mitfeiernd darf, solange sie sich klimaneutral aufführt. Imperium Romanum – letztes Kapitel.

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