Tichys Einblick
Murmeltiertag in der Ampel

Lindner und Habeck überbieten sich mit Kapitulationen

Der Haushalt ist verabschiedet und schon hat Deutschland die nächste Haushaltsdebatte. Die Ampel zeigt sich planlos und überfordert wie eh und je. Und erklärt ihre Kapitulation mittlerweile selbst.

IMAGO

Es ist vernünftig, wenn sich ein junger Mann gut überlegt, wen er heiratet. Schließlich soll „der Bund fürs Leben“ halten. Allerdings sollte der Mann sich die Gedanken machen, bevor er an den Traualtar schreitet. Die Ampel verhält sich momentan wie ein Mann, der laut über die richtige Braut nachdenkt – während er die frisch Getraute in der Hochzeitsnacht entblättert. So oder so: Er macht mindestens einen schweren Fehler.

Über ein Jahr lang hat die Ampel gebraucht, einen Haushalt auf die Beine zu stellen. Es dauerte auch deshalb so lange, weil zwischendrin das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass die Praxis, hohe Schulden über „Sondervermögen“ zu machen, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Am Freitag hat die Ampel dann eben diesen Haushalt beschlossen. Am 2. Februar. Freunden des gehobenen Filmgeschmacks besser bekannt als „Murmeltiertag“. Jener Tag, den Phil (Bill Murray) in Punxsutawney wieder und wieder erlebt.

In Punxsutawney wird Phil jeden Morgen um 6 Uhr von Sonny und Cher aus dem Schlaf geholt: „I got you Babe“. Wer in Deutschland morgens um 6 Uhr Deutschlandfunk hört, wird von Robert und Christian geweckt: „Wir brauchen einen anderen Haushalt.“ Und der deutsche Radiohörer fragt sich das Gleiche wie Phil: „Hatten wir das nicht schon?“ Kaum ein Tag war vergangen, nachdem der Bundestag den Haushalt beschloss, und die nächste Haushaltsdebatte begann bereits. Getragen von den beiden Hauptakteuren der Ampel, geduldet vom Chefdulder der Bundesregierung, Olaf „Hab‘ ich vergessen“ Scholz (SPD).

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in der ARD: „Die deutsche Wirtschaft ist nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Diese Aussage muss man nochmal in allen Schritten genießen: Über ein Jahr lang arbeitet dieser Mann am Bundeshaushalt. Dann ist dieser endlich beschlossen, worauf der Verantwortliche sich direkt hinstellt und zugibt, dass mit diesem Haushalt Deutschland nicht wettbewerbsfähig ist. Deutlicher kann ein einzelner nicht sagen: Ich habe im letzten Jahr nur Mist gebaut. Lindner hat wider besseres Wissen einen Haushalt aufgestellt, der Deutschland nicht trägt. Nur um an der Macht zu bleiben. Nur um die Vorzugsreservierung in seinen Lieblingslokalen auf Sylt nicht zu verlieren. Jede Stimme für Lindners FDP ist eine Stimme gegen die Überzeugung, dass sich Leistung lohnen muss.

Doch damit lieferte Lindner immer noch nur den zweit peinlichsten Regierungs-Auftritt am Wochenende. Geht es um gefährliches Geschwafel, lässt sich Marktführer Robert Habeck (Grüne) schließlich nicht so einfach schlagen. Dass der „Wirtschaftsminister“ bei Caren Miosga Taiwan mit Thailand verwechselt hat … Geschenkt. Für seine Parteifreundin Annalena Baerbock sind das ohnehin alles Länder, die 100.000 Kilometer entfernt liegen.

Richtig peinlich ist, was Habeck zum „Klimageld“ zu sagen hat. Das könne es nicht geben, weil die Regierung es den Bürgern nicht überweisen könne. Dieser „Wirtschaftsminister“ will die Wirtschaft zentral von Berlin aus steuern, den Unternehmen bis ins kleinste Detail Vorschriften machen, über die richtige Heizung für jede einzelne Wohnung entscheiden und von der Spree aus das Klima in Peru und Kolumbien retten – scheitert aber an der Ausfüllung von Überweisungen. Immerhin: In Kapitulationserklärungen ist Deutschland unter der Ampel Weltklasse.

Es geht aber noch weiter: Bevor die Ampel dem Bürger das „Klimageld“ auszahle, müsse die Ampel erstmal an anderer Stelle die Einnahmen erhöhen. Bevor der Bürger also „entlastet“ wird, will ihn Habeck an anderer Stelle zu diesem Zweck abkassieren. Er bemerkt seinen Denkfehler nicht. Über den „Wirtschaftsminister“ heißt es, er lasse Deutschland sich selbst beim Denken und Fehler einsehen zuschauen. Das stimmt. Nur muss man dafür halt sehr viel Zeit mitbringen.

Im Bundestag hat Habeck den Vorschlag eines „Sondervermögens“ für die Wirtschaft gemacht. TE berichtete. Obwohl das Verfassungsgericht gegen „Sondervermögen“ geurteilt hat. Obwohl die diversen Entlastungspakete und der Doppelwumms von 2022 nichts gebracht haben außer einem sprunghaften Anstieg der Staatsschulden und einem Schrumpfen der Wirtschaft 2023. Mit den Koalitionspartnern abgestimmt, war der Vorstoß zum neuen „Sondervermögen“ auch nicht. Robert Habeck zeigt das Verantwortungsbewusstseins eines Bräutigams, der am Altar Brautjungfern statt Braut küsst.

Christian Lindner ist vielleicht kein guter Finanzminister. Aber wenigstens will er, wenn es um hastige und nicht vorbereitete Vorstöße in den Medien geht, Habeck das Feld nicht kampflos überlassen. Also kommt Linder Habeck verbal entgegen: „Entlastungen“ für die Wirtschaft solle es geben. Aber die Ampel müsse über die Finanzierung reden. Frisch Vermählte kennen das. Den Ehevertrag handelt ein Paar am besten in den Flitterwochen aus. Die Ampel redet über den Haushalt, nachdem er verabschiedet wurde. Im Prinzip das gleiche.

Alles Chaos? Alles unübersichtlich? Kein Problem. Das lässt sich immer noch toppen. Nancy Faeser (SPD) tritt auf den Plan. Die Innenministerin will das „Demokratiefördergesetz“ vorziehen und NGOs großzügiger mit (noch mehr) Staatsgeld ausstatten. Für Bauern und Agrardiesel hat die Ampel kein Geld übrig. Die Lümmel demonstrieren schließlich auch gegen die Bundesregierung. Die NGOs hingegen sind mit der Bundesregierung „gegen Rechts“ unterwegs – das will honoriert werden.

477 Milliarden Euro umfasst der Bundeshaushalt. 40 Milliarden Euro beruhen auf neuen Schulden. 2,5 Billionen Euro beträgt die Staatsverschuldung insgesamt. Trotz Rekord-Steuereinnahmen konnte die Ampel nur mit Mühe einen Haushalt verabschieden – und will ihn zwei Tage später komplett neu verhandeln. Anhand von Luftschlössern. Ideen von PR-Mitarbeitern, in den Medien vorgestellt, ohne dass sie gegengerechnet oder mit irgendwem abgesprochen sind. Aber vorgetragen mit dem Pomp der Mission eines Weltverbesserers. Darüber aber dann untereinander heillos zerstritten. Zwei und ein Viertel Jahre Ampel sind wie ein einziger Murmeltiertag – an dem es noch der beste Moment ist, wenn im Radio „I got you Babe“ läuft.

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