Die Zwischenbilanz am Donnerstag über den Stand der Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition zwischen der SPD, den Grünen und der FDP fiel so ernüchternd aus, dass die verhandelnden Parteien von einer Information der Öffentlichkeit über den Stand selbiger absahen. Die Unterhändler stehen vor zwei gleich großen Problemen: erstens, ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, und zweitens, es für die Wähler zu verpacken.
Seit Beginn der Treffen der Unterhändler drang erstaunlich wenig, eigentlich nichts an die Öffentlichkeit. Das war auch nicht anders zu erwarten. SPD und vor allem die FDP hatten sich vorab in die Babylonische Gefangenschaft der Grünen und ihrer Klimabewegung genannten Pressure Groups begeben. Allem Anschein nach setzen die Grünen den Protest der Umweltgruppen, vor allem von Fridays for Future, in den Verhandlungen als Rammbock ein. Die Lindner-FDP, die der Klimaapokalyptik wie der verschmähte Liebhaber mit einer etwas misslungenen Eigenzüchtung einer Sonnenblume hinterherläuft, hat dem nichts entgegenzusetzen. Klimapolitik oder „Klimaschutz“ ist nichts anderes als die Mobilisierungsideologie für die Große Transformation, für den Ökosozialismus.
Das ging soweit, dass ein Norbert Röttgen schon wie der Pressesprecher von Extinction Rebellion klang, wenn er meinte, dass die Grünen mit der CDU das konsequentere Klimaschutzprogramm durchbekommen hätten. Und darin hat der grün-angeschwärzte Röttgen sogar recht, denn unter Merkel lief grüne Politik in Reinkultur. Es ist gut, dass die CDU das Kanzleramt aufgeben musste. Sie kann jetzt offen die linke Partei sein, die sie unter Angela Merkel geworden ist. Armin Laschet hatte schon vor Jahren gesagt, dass es nicht das Ziel der CDU sein könne, „alles, auch programmatisch, zu sammeln, das rechts von der politischen Linken ist“.
Doch die Darstellung über die vermeintlich durchsetzungsstarke Lindner-FDP war ein ziemlich leicht zu durchschauendes Blendwerk, um den Eindruck zu erwecken, dass die linke Ampelkoalition eigentlich eine Koalition der Mitte ist. So viel Gesichtswahrung musste man der Lindner-FDP schon einräumen, wenn sie den Platz, der ursprünglich für die Partei der Linken erhofft war, einnimmt. So überrascht es nicht, wenn nach den Verhandlungen in den 22 Arbeitsgruppen der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, feststellt: „Wir sehen derzeit zu wenig Fortschritt, was die inhaltliche Substanz anbetrifft.“
Zu den strittigen Punkten zählen vor allem die Themen „Klimaschutz“, also Gesellschaftsumbau, Finanzen als Hochverschuldung, der Umgang mit Polen und die Fragen der Kernenergie. Eines muss klar sein: Vom Klimaschutz zu reden, ist mehr als Framing, es stellt einen dreisten Etikettenschwindel dar, denn es geht nicht um den Schutz des Klimas, das der Mensch ohnehin nicht schützen kann, sondern um den Gesellschaftsumbau. Die Zukunft, von der die Grünen gern reden, besteht in nichts anderem als der Rückkehr in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der die deutsche Wirtschaft zerstört war und mit ihr der Wohlstand.
In dieser Frage liegen die Positionen der Grünen und der Lindner-FDP auseinander. Es kommt, wie es kommen muss und wie es Christian Lindner hätte wissen können, wenn denn seine strategische Begabung auch nur annähernd so hoch wäre wie seine Fähigkeit zur Selbstdarstellung: Er steht mit dem Rücken an der Wand. Die Grünen setzen nun, wie zu erwarten war, den Protest ihrer Fußtruppen als Brechstange in den Verhandlungen ein. Im Grunde lautet die Alternative nur: Klimatotalitarismus oder Ökosozialismus mit dem menschlichen Lächeln von Christian Lindner.
Von hier aus wird klar, weshalb von den Verhandlungen nichts nach außen dringt. Nach dem großen Getöse, vor allem von Grünen und Lindner-FDP, muss die Ampel, koste es, was es wolle, zustande kommen – und nicht die Grünen werden draufzahlen. Die SPD kann sich zurücklehnen, vergleichsweise entspannt sein, denn Grüne und Lindner-FDP lagen sich am Wahlabend plötzlich in den Armen, als könne man nun endlich das Verhältnis, das man bis zu diesem Tag nur heimlich unterhielt, öffentlich machen. Vor allem hatten sie vollmundig mit angemaßter Stärke die Verantwortung für die Regierungsbildung übernommen. Die SPD kann, wenn Grüne und Lindner-FDP die Ampel verbocken, immer noch mit einer CDU, die derzeit billig als Restposten zu haben ist, aus „staatspolitischer Verantwortung“ erneut eine Große Koalition aufmachen. Sie trüge daran tatsächlich keine Schuld.
Vielleicht fänden in dieser Koalition auch die Grünen noch ein, zwei Ministerpöstchen, jedenfalls käme die CDU den Grünen weiter entgegen als die FDP. Doch wenn nicht, würde das Scheitern der Ampelverhandlungen den Grünen zwar den heißersehnten Weg in die Ministerien verlegen, aber sie würden relativ unbeschadet erhobenen Hauptes, prinzipienfest als Möchtegern-Robin-Hood aus den Verhandlungen gehen können, während die ganze Schuld für das Scheitern bei der Lindner-FDP verbliebe, wie es auch die Medien in einem Sturm der Entrüstung, gegen den Thüringen ein Sturm im Wasserglas war, verbreiten würden. Das weiß Christian Lindner und das weiß auch Robert Habeck.
Die Ampelverhandlungen haben etwas von politischer Hütchenspielerei. Da man den Wähler nicht mehr hinter die Fichte führen kann, weil die für Windparks gerodet wurde, will man den Wähler hinter die Windkraftanlage führen – man kann sie ja gelb anmalen.