Tichys Einblick
Wie lange noch?

Vor Angst flackert die Ampel als Funzel

„Die Linken verlassen / Die sinkenden Massen“ reimte man schon vor Jahren; jetzt sind sie am Ziel und stolz darauf. Doch nun meldet sich das Volk und die Ampel flackert als Funzel vor Angst. Von Konrad Adam

Dieser Tage wollte Lars Klingbeil, der SPD-Vorsitzende, in die Rolle des Staatsmanns schlüpfen. Da er in der nicht viel zu bieten hat, teilte er aus, wie immer nach rechts. Die AfD wolle Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprächen, aus Deutschland vertreiben, erklärte er im Bundestag. Das stimmt zwar nicht, doch das hat bedeutende Staatsmänner wie Lenin, Assad oder Trump noch nie daran gehindert zu lügen. Deshalb misslang der große Schulterschuss, auf den es Klingbeil abgesehen hatte.

Die Wirklichkeit sieht eben anders aus, als er und seine Koalitionäre das wahrhaben wollen. Wie, das erkennt man im Blick nach draußen. Dort protestieren die Bauern, streiken die Ärzte, werden die Straßen blockiert. Die Bahn bleibt stecken, die Post bleibt liegen, Bayer will zweitausend Leute entlassen, die BASF sieht einem Gewinneinbruch entgegen, die Inflation blüht auf, die Wirtschaft welkt: Kein Zweifel, der Fortschritt kommt voran, nur leider in die falsche Richtung. Deutschland ächzt und lahmt und schrumpft; doch die Funzel macht weiter.

Wachstum gibt es nur noch im öffentlichen Dienst, für die Behörden und die NGO´s. Allein in Berlin dürften die drei Koalitionäre in ihren zwei Regierungsjahren an die zweitausend Stellen neu geschaffen und mit ihren Leuten besetzt haben, Zuwendungsempfänger nicht mitgezählt. Im Wirtschaftsministerium, das unter Ludwig Erhard noch mit einem einzigen Staatssekretär ausgekommen war, sind jetzt vier oder fünf Angehörige dieser obersten Gehaltsklasse tätig. Wie alle Grünen misstraut Habeck den Bürgern, er hält sie für dumm oder dreist oder beides.

Jedenfalls sind sie unfähig zu begreifen, dass ihnen Gutes geschieht, wenn sie von der Regierung an die Leine genommen werden. Uneinsichtig wie nun einmal sind, müssen sie betreut, gegängelt und genötigt, gegebenenfalls auch bestraft werden. Wenn sie dann bocken und sich wehren, werden die Zügel noch weiter angezogen. Das Heizungsgesetz war ein Probelauf, das Selbstbestimmungsgesetz und weitere Entmündigungsgesetze sollen folgen. Wir ergreifen das Kind in der Wiege, lehrte schon der braune Robert Ley, und lassen den Menschen erst im Sarg wieder los. So ähnlich meinen das die Grünen auch.

Dass die Bürger für den Marsch in diese Art von Wir-Gesellschaft nicht zu haben sind, weiß die Regierung. Sie ist jedoch unfähig, zu lernen. Um die Bürokratie abzubauen, fällt ihr nichts anderes ein als ein Normenkontrollrat, eine andere, eine Gegen-Bürokratie also. Die drei Parteien hängen an der Macht, weil an der Macht die Millionen hängen, die sie braucht, um die Stiftungen zu ölen, die Aktivisten zu kaufen, die Redakteure zu bestechen und die Experten bei Laune zu halten, die ihr die Macht garantieren.

Jede Umfrage verrät, was alle ahnen: dass die FDP weiter verlieren wird und die SPD von Glück sagen kann, wenn sie beim nächsten Mal vor und nicht hinter den Grünen landet. Ihre Zeit als Volkspartei ist jedenfalls vorbei. In der Not, hatte Franz Müntefering vor langer Zeit einmal gesagt, gehen die Leute in die Kirchen und zu den Volksparteien. Von wegen! Die Leute denken nicht daran, sie verlassen die Volksparteien und die Kirchen in hellen Scharen; und sie wissen, warum. Das schürt die Panik unter den Verlierern. Sie wollen ihren Besitzstand wahren und bringen zusammen, was nicht zusammen passt.

Als es die AfD wagte, eine Diätenerhöhung, Anpassung genannt, in Frage zu stellen, ist ihr kein Mensch so wütend in die Parade gefahren wie Britta Hasselmann, die Fraktionschefin der Grünen. Niemand repräsentiert die Klasse der Etablierten – bunt, queer, divers und rücksichtslos – perfekter als sie. „Die Linken verlassen / Die sinkenden Massen“ reimte man schon vor Jahren; jetzt sind sie am Ziel und stolz darauf. Was den Bürgern, den Menschen draußen im Lande, am Herzen liegt, was sie befürchten und erhoffen, interessiert die Grünen herzlich wenig. Annalena Baerbock war ganz ehrlich, als sie erklärte, sie werde weitermachen, egal, was ihre Wähler dazu sagen.

Wenn überhaupt noch irgendwem und irgendetwas, fühlt sie sich ein paar Floskeln verantwortlich: dem Fortschritt, der Wende, der Zukunft und so weiter, nicht den Menschen, die den Fortschritt vorantreiben, die Wende gestalten, die Zukunft erleben wollen. Für sie ist das Volk, auf das sie einen Eid geschworen hat, eine reaktionäre Größe, die es nach Angela Merkels denkwürdiger Behauptung gar nicht mehr gibt. Ohne ein einziges Wort zu verändern, hat diese Frau die Verfassung außer Kraft gesetzt. Die Grünen haben gut aufgepasst und machen weiter. Wie lange noch?

Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.

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