Für einen Empfänger von ALG II – mittlerweile „Bürgergeld“ genannt – zahlt der Bund den Krankenkassen 108,48 Euro im Monat. 2014 waren es noch 142,13 Euro. Das heißt: Der Bund hat das Geld, das er für die Behandlung von Langzeitarbeitslosen bezahlt, innerhalb von neun Jahren um mehr als ein Viertel gekürzt. Während gleichzeitig die Inflation die Preise immer stärker verteuert hat – vor allem in den zurückliegenden zwei Jahren. Das reißt jedes Jahr ein Loch in die Krankenkassen. 2016 betrug es zehn Milliarden Euro, wie der Dachverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf TE-Nachfrage mitteilt. Aktuellere Zahlen gäbe es nicht. Aber es sei eine neue Studie in Auftrag, die derzeit noch nicht vorliege.
Das Jahr 2016, aus dem die alte Studie stammt, bedeutete eine Zäsur in der Krankenversicherung. In dem Jahr erlaubte es sich der Bund selbst, seine Kosten für die Gesundheitsversorgung von Transfergeldempfängern zu senken – auf Kosten der Betriebe und Arbeitnehmer: von 136,93 im Jahr 2015 auf 90,36 Euro im Jahr 2016. Ein Drittel des Ballastes für nichtarbeitende Menschen lud der Bund dadurch mit einem Schlag auf arbeitende Menschen ab.
Das Umlegen der Kosten müsse rückgängig gemacht werden, fordert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der AfD, Gerrit Huy: „Die Gesetzliche Krankenversicherung ist chronisch unterfinanziert, denn der Staat zahlt viel zu niedrige Kassenbeiträge für die Bürgergeld-Empfänger.“ Sie deckten nicht einmal die Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten.
Huy hat eine Anfrage an das Gesundheitsministerium zu der Kostenübernahme geschickt. Dessen Antwort lautete, dass sie 2014 noch 142,13 Euro betrugen und mittlerweile auf 108,48 Euro gesunken sind. Wobei die Bundesregierung sie im Jahr der „Flüchtlingskrise“ sogar auf 90,36 Euro runtergerechnet hat. Das Ministerium rechtfertigt den Schritt damit, dass seinerzeit die Bezahlung „grundlegend neugestaltet“ wurde und dadurch die Kosten tatsächlich gesenkt wurden.
Die steigenden Kassenbeiträge sind seit Jahrzehnten ein Problem. Das Einzige, was die Regierungen Merkel und Scholz zur Lösung beizutragen haben, sind Taschenspielertricks. Wortgaukeleien. So wurde unter Merkel der Beitrag auf 14,6 Prozent gedeckelt. Die Kassen „können“ aber einen „Zusatzbeitrag“ nehmen. Bei entsprechender finanzieller Lage sind sie allerdings gesetzlich sogar dazu gezwungen. Schon die Darstellung, sie könnten die Beiträge erhöhen, ist damit eine Propaganda-Lüge.
Was sich durch die Aufteilung in Kassenbeitrag und Zusatzbeitrag für die Betriebe und Arbeitnehmer ändert? Konkret? Im Geldbeutel? Nichts. Gar nichts. Es klingt nur besser, wenn es zum Jahreswechsel nicht heißt: Die Kassenbeiträge steigen auf 16,3 Prozent. Sondern: Der Zusatzbeitrag steigt auf 1,7 Prozent. Ist doch gar nicht so viel. Keinem wird etwas genommen. Alles ist gut.
Doch es ist eben nicht gut. Die Kassenbeiträge für arbeitende Menschen steigen zum Jahreswechsel schon wieder: „Wir rechnen gegenwärtig damit, dass der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz zum 1. Januar 2024 erkennbar steigen wird, aber noch leicht unterhalb von 1,7 Prozent bleibt“, teilt der Dachverband GKV mit. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war ursprünglich von vollen 1,7 Prozent ausgegangen. Doch in Folge der hohen Inflation kam es zu Lohnerhöhungen, mit den höheren Löhnen steigen auch die Einnahmen der Krankenkassen.
Die AfD-Abgeordnete Huy erinnert Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Minister Lauterbach an ihre nicht eingelösten Schecks: „Die Ampel hat sich zwar in den Koalitionsvertrag geschrieben, weitere Erhöhungen der Bürgergeld-bedingten Krankenkassenkosten aus Steuermitteln zu finanzieren, ihr Bundesgesundheitsminister hat sich daran aber mitnichten gehalten.“ Der gesetzliche Krankenkassenbeitrag sei zu Mitte dieses Jahres für die Versicherten um 0,3 Prozentpunkte erhöht worden, der Beitrag zur Pflegversicherung um 0,35 beziehungsweise 0,25 Prozentpunkte für Kinderlose. „Auch hierbei schlagen unversicherte Leistungsempfänger zu Buche, die ebenfalls von den Versicherten mitfinanziert werden“, sagt Huy. Beides sei nicht im Sinne einer Kranken- oder Pflegeversicherung, in der sich der Solidaritätsgedanke grundsätzlich nur auf die Versichertengemeinschaft bezieht: „Zugewanderte Nichtbeitragszahler aus den Beiträgen der Versicherten zu finanzieren ohne diese jemals um Zustimmung gefragt zu haben, ist verwerflich.“
Viele Kassen haben sich noch nicht zu ihrem künftigen Beitragssatz geäußert. Erhöhungen verstecken sie gerne in die Zeit um Weihnachten und Silvester, wenn die Aufmerksamkeit für Nachrichten generell geringer ist. Die IKK Classic ist da ehrlicher vorgegangen. Sie hat die Erhöhung des „Zusatzbeitrags“ um 0,1 auf 1,7 Prozent bereits bekannt gegeben. Der Dachverband der Innungskrankenkassen kritisiert die Politik der Bundesregierung: Der wälze das Versprechen nach mehr Leistungen und die Finanzierung von gesellschaftlichen Aufgaben auf die Krankenkassen um: Angesichts der angespannten Finanzlage der Krankenkassen und der personalintensiven Betriebe sei „dies schlicht nicht hinnehmbar, zumal viele Risiken für das kommende Jahr noch unwägbar sind“.