Tichys Einblick
Posse oder letztes Aufgebot?

Die Linke will mit drei „Silberlocken“ die 5-Prozent-Hürde untertunneln

Gregor Gysi hat eine Idee zur Rettung der Ex-SED/PDS/WASG: „Aktion Silberlocke“. Sollte es ihm, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow bei der Bundestagswahl gelingen, ein Direktmandat zu erringen, so könnte die Partei Die Linke sicher in den Bundestag einziehen.

IMAGO / IPON

Die namentlich mehrfach gehäutete Ex-SED droht bei der Bundestagswahl 2025 in der Versenkung zu verschwinden. Derzeit trauen ihr die Wahlforscher in der Sonntagsfrage nur 3,0 Prozent zu. Daran wird sich kaum etwas ändern, denn die aus ihr hervorgegangene Phantom- und Kaderpartei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gräbt ihr mit derzeit rund 8 Prozent in den Umfragen das Wasser ab. Die „Links“-Fraktion im Bundestag ist damit jetzt schon von 39 Mandaten auf 28 geschrumpft. Sie hat dort nur noch Gruppenstatus, weil sie keine 5 Prozent der 733 Gesamtmandate (entsprechend 37) mehr stellt.

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Dabei war die Ex-SED seit 1990 immer mal wieder am Dahinsiechen. 1990 erreichte sie nur 2,4 Prozent, stellte aber 17 direkt gewählte MdBs. 2002 erzielte sie 4,0 Prozent und nur 2 direkt gewählte MdBs. Bei der Bundestagswahl vom September 2021 entging die 2007 zur „Linken“ umbenannte Partei knapp dem parlamentarischen Exitus: Sie erreichte nur 4,9 Prozent, konnte aber mit drei direkt gewählten Abgeordneten die 5-Prozent-Hürde umschiffen und in den Bundestag einziehen. Die drei direkt Gewählten konnten damit 36 weitere MdBs mitziehen. Die drei waren: Gregor Gysi in Treptow-Köpenick mit 35,5 Prozent, Gesine Lötzsch in Berlin-Lichtenberg mit 25,8 Prozent und Sören Pellmann in Leipzig-Süd mit 22,8 Prozent.

Bei der Wahl 2025 wird die „Linke“ die 5-Prozent-Hürde nicht mehr so leicht mit drei direkt gewählten MdBs umschiffen können. Denn vor Ort werden „Linke“ und BSW sich die Stimmen gegenseitig wegnehmen. Was wiederum die Chancen der als Direkt-Kandidaten antretenden CDU-SPD-Grünen-Bewerber befördert.

Operation „Silberlocke“

Nun hat der Säulenheilige der „Linken“, Gregor Gysi, eine aus seiner Sicht famose Idee zur Rettung des erneuten Einzuges seiner Partei 2025 in den Bundestag.

Diesen Plan kündigte Gregor Gysi in seiner Rede beim Bundesparteitag seiner Partei „Die Linke“ vom 18. bis 20. Oktober in Halle als „Operation Silberlocke“ an: Die „Linke“-Promis Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow sollen in ihren Wahlkreisen das Direktmandat erringen. Wären alle drei damit erfolgreich, könnte die „Linke“ selbst bei nur 3,0 Prozent Zweistimmenanteil mit rund 25 Abgeordneten in den Bundestag einziehen. Gysi könnte wieder in Treptow-Köpenick antreten; dort hat er ja bereits Kultstatus; Bartsch könnte wie bisher in Rostock oder eben wie zuvor Lötzsch in Berlin-Lichtenberg und Ramelow als vormaliger Ministerpräsident in Thüringen im linksgestrickten Wahlkreis mit der linken Universität Jena antreten.

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Dietmar Bartsch signalisiert jedenfalls Interesse für die von Genosse Gysi vorgeschlagene „Aktion Silberlocke“. Wörtlich sagt er: „Ich weiß, dass es jetzt eine Einladung zum Essen mit gutem Rotwein gibt. Die werde ich in jedem Fall wahrnehmen. Und da ja Gregor Gysi bezahlt, wird es ein teurer Abend für ihn“, sagte der ehemalige Fraktionsvorsitzende dem Portal t-online.

In Anbetracht der aktuellen Situation sieht sich Bartsch auch in der politischen Verantwortung. Er warnt vor einem Bundestag ohne linke Opposition: „Dann nur eine Opposition rechts zu haben, in Form der AfD, ist nicht gut fürs Land.“ Und auch Bodo Ramelow hält die „Aktion Silberlocke“ für eine spannende Überlegung. Klar, Merkel kann ihm den Posten des Ministerpräsidenten Thüringens nicht mehr wie damals Anfang 2020 retten. Ansonsten fällt auf, dass Strippenzieher Oskar Lafontaine zumindest offiziell nicht mit ins Kalkül einbezogen wurde.

Nun ja, Promi-Status haben die drei in bestimmten, auch in medialen Milieus mehr oder weniger: Gysi an erster, Ramelow an zweiter und Bartsch an dritter Stelle. Ihr Alter dürfte keine Rolle spielen: Falls am 28. September 2025 ein neuer Bundestag gewählt wird, ist Gysi 77, Ramelow 69 und Bartsch 67 Jahre alt. Laut Statistischem Bundesamt sind derzeit 20 Prozent der Bundesbürger 67 Jahre und älter. Und nur 16 Prozent der MdBs sind 60 Jahre und älter. Irgendwie soll ja das Parlament repräsentativ für den Souverän, das Volk sein. Übrigens ist auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz am 28. September 2025 gerade eben noch nur 69 Jahre alt. Sollte er nach zähen Koalitionsverhandlungen exakt am 11. November 2025 Bundeskanzler werden, würde er an diesem Tag zugleich seinen 70. Geburtstag feiern können.

Ob Gysi auf den Posten des Alterspräsidenten hofft, sei dahingestellt. Er wäre dann sogar der zweite Alterspräsident nach Stefan Heym, der für die PDS, jetzt „Linke“, die Legislatur-Periode 1994/1998 eröffnen würde.

Warum eigentlich „Silberlocke“?

Man wird nicht fündig, wenn man – Achtung: kulturelle Aneignung! – nach einem Indianerhäuptling namens „Silberlocke“ forscht. Die einzige „Silberlocke“, die man in der jüngeren deutschen Zeitgeschichte findet, ist Jupp Derwall (1927 bis 2007). Er war von 1978 bis 1984 Trainer der Fußballnationalmannschaft. Derwalls größte Erfolge als Bundestrainer waren der Gewinn der Fußball-WM 1980 in Italien und der 2. Platz bei der Fußball-WM 1982 in Spanien (im Finale 1:3 gegen Italien). Und das nach der „Schmach von Cordoba“ 1978 in Argentinien, als die Deutschen (als amtierender Weltmeister) mit Bundestrainer Helmut Schön in der Zwischenrunde ausgeschieden waren. In seiner Zeit als Nationaltrainer erhielt Derwall von Kult- und Rambo-Trainer Max Merkel den Spitznamen „Häuptling ondulierte Silberlocke“.

„Silber“ lässt noch eine zweite Assoziation zu: Am Geld kann diese Operation ja nicht scheitern. Denn irgendeinen Trick zur Reaktivierung der nach wie vor verschwundenen SED-Milliarden (!) wird man schon finden, um propagandistisch gewaltig aufzudrehen. Man vergesse nicht: Die „Linke!“ ist wie die PDS die Rechtsnachfolgerin der SED. Nur sind eben die Milliarden 1989/1990 vermutlich auf Auslandskonten verschwunden. Gregor Gysi wird es wissen.

Gysis Aktionsplan lässt aber vom Prinzip her noch eine andere – wenn auch historisch nicht ganz zutreffende – dritte Assoziation zu. Ende 1944 wurde als „letztes Aufgebot“ gegen die sich längst abzeichnende militärische Niederlage Hitlers der „Volkssturm“ kreiert. Damit wurden aber nur Männer bis 60 rekrutiert.


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