Tichys Einblick
14./15. Juli 2021

Im Ahrtal ist die Zeit seit zwei Jahren stehengeblieben

Was ist in den zwei Jahren seit der Flut vor Ort geschehen? Die Zeit wirkt wie stehengeblieben. Autor Josef Kraus ist Anfang Mai 2023 durch das Ahrtal gefahren, hat mit Menschen vor Ort gesprochen und hält fest: verdammt wenig ist passiert. Nun stellt sich heraus, dass nicht einmal die zugesagten und geplanten Gelder fließen. Beispiel: 610 Millionen Euro EU-Gelder für Flutopfer landen nicht im Ahrtal, sondern in Lindners Haushalt für Zinszahlungen.

IMAGO / Marc John

In diesen Tagen jährt sich zum zweiten Mal die Flutkatastrophe, die in der Nacht vom 14./15. Juli 2021 vor allem im Ahrtal (Rheinland-Pfalz) und zugleich im benachbarten Erfttal (NRW) mehr als 180 Menschen das Leben kostete. Zu den menschlichen Tragödien kamen hinzu: Milliardenschäden an Häusern und an der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Bahnlinien), irreversibel zerstörte Betriebe, vernichtete berufliche Existenzen, darüber hinaus die Abwanderung von vielen Menschen.

Und die politische Aufarbeitung? Nun, die vormalige rheinland-pfälzische Landesumweltministerin und spätere Kurzzeitfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) musste im April 2022 unter peinlichen Begründungen ihren Hut nehmen. Ein halbes Jahr später, im Oktober 2022, folgte der Rücktritt des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz (SPD). An „Landesmutter“ Dreyer (SPD) indes prallte alles ab. Der Mainzer Landtag quälte sich 42 Sitzungen lang in einem Untersuchungsausschuss durch die Katastrophe und hinterließ 6.700 Seiten Protokoll. Das war’s. Abgehakt? Nein, doch nicht ganz, denn die Klimaphobiker instrumentalisieren das „Ahrtal“ nach wie vor für ihre Panikmache. Derweil ging der Atomausstieg ins Land, kam es zu einem Gasengpass, wird Kohle aus Kolumbien importiert. Der Bürger wird um des Klimas wegen mit Heiz-Gesetzen gegängelt, und Deutschlands Industrie geht sukzessive ins Ausland. De-Industrialisierung nennt man das, man könnte es auch einen Morgenthau-Plan 2.0 nennen. Alles für das Klima, alles wegen Ahrtal und so – aber nicht für das Ahrtal und seine Bewohner.

Und was ist in den zwei Jahren seit der Flut vor Ort geschehen? Verdammt wenig! Die Zeit wirkt wie stehengeblieben. Der Verfasser dieser Zeilen ist Anfang Mai 2023 durch das Ahrtal gefahren, hat mit Menschen auf Straßen und auf Friedhöfen gesprochen. Sein Eindruck: Landschaftlich, strukturell, wirtschaftlich und menschlich nach wie vor eine Wüstenei!

Nun stellt sich heraus, dass nicht einmal die zugesagten und geplanten Gelder fließen. Beispiel: 610 Millionen Euro EU-Gelder für Flutopfer landen nicht im Ahrtal, sondern in Lindners Haushalt für Zinszahlungen.

Die rheinland-pfälzischen CDU-Politiker Ralf Seekatz (MdEP), Mechthild Heil (MdB) und Horst Gies (MdL) werfen der Bundesregierung vor, EU-Gelder für die Flutopfer zu bunkern. Das geht aus einer Antwort des Bundes auf eine entsprechende Anfrage hervor. Demnach hat die EU im März mehr als 610 Millionen Euro für die Flutopfer an den Bund überwiesen. In der Antwort aus Berlin heißt es nun, dieses Geld sei in den Bundeshaushalt eingestellt und nicht ausgezahlt worden. Der Bund argumentiere, er habe Hilfen vorfinanziert und decke mit dem Geld Zinsen, die durch die Unterstützung für die Flutopfer angefallen seien. „Ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen“, so die drei Abgeordneten. Mechthild Heil erinnert Olaf Scholz, der zur Zeit der Flutkatastrophe Finanzminister im Kabinett Merkel war, an sein damaliges Versprechen. Scholz hatte gesagt: „Das, was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen“, so Scholz damals. Aber mit dem Erinnerungsvermögen hapert es ja manchmal auch bei Scholz. Übrigens: Dreyers Landesregierung hat nur 11,2 Mio. Euro pro Jahr für die Fluthilfe im Haushalt.

Da drängen sich nolens volens ein paar Vergleiche auf. Drei von vielen möglichen Vergleichen bemühen wir:

Ja, so schreibt sich im Jahr 2023 Politik „für“ das Volk. Man kann die Ahr- und Erfttaler nur bewundern, mit welcher Geduld sie all das über sich ergehen lassen. Oder aber sie hoffen darauf, dass sie einen der Baerbock’schen Flieger ergattern können, der Klimaflüchtlinge auch aus „100.000“ Kilometer Entfernung einfliegt. Aber vom Ahrtal nach Berlin sind es leider nur 600 Kilometer. Da lohnt sich kein Rettungsflug.

Ja, man könnte zynisch werden bei der Betrachtung der Art und Wiese, wie diese Regierung mit den eigenen Landsleuten umgeht.

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