Tichys Einblick
Habecks Lösung für die Zuwanderung

Afrika „in eine wirtschaftliche Prosperität versetzen“

„Wenn wir Fluchtursachen bekämpfen ernst meinen, dann meinen wir … die Staaten selbst in eine wirtschaftliche Prosperität zu versetzen, dass die Menschen nicht auf die Flucht gehen müssen“, so Robert Habeck von den Grünen gestern im ARD-Sommerinterview.

Screenprint: ARD

Diesen Satz würden wahrscheinlich Politiker aller Parteien unterschreiben – Angela Merkel, die LINKE und die SPD sowieso, aber auch von Alexander Gauland konnte man neulich hören, der Königsweg sei es, in den Heimatländern der „Flüchtenden” zu helfen. Und Entwicklungshilfeminister Müller von der CSU erklärt uns ohnehin jeden Tag, die einzige Strategie sei es, mit Entwicklungshilfe in Afrika die „Fluchtursachen”­ zu beseitigen.

Doch in der Absurdität, wie Habeck es formuliert, kann das nur ein Grüner sagen: Afrika „in eine wirtschaftliche Prosperität zu versetzen“ heißt: Es liegt in unserer Macht, Afrika in einen prosperierenden Kontinent zu verwandeln. Das ist natürlich eine Phantasterei, die typisch für grüne Politiker ist, deren Beruf ja die Rettung der Welt ist.

Tatsache ist: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten leisten schon heute zusammengenommen einen Anteil von über 50 Prozent an der weltweiten Entwicklungshilfe und stellen dafür nach Auskunft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit jährlich über 58 Milliarden Euro zur Verfügung. Doch diese Hilfe kann die Ursachen für Elend und Not in der Welt nicht beseitigen.

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Denn die Ursachen sind korrupte Regierungen – etwa in vielen afrikanischen Ländern – und Systeme, die nicht marktwirtschaftlich ausgerichtet sind. Beleg: Regelmäßig gibt die renommierte Heritage Foundation ein Ranking der wirtschaftlichen Freiheit heraus. Dieses Ranking misst den Grad der wirtschaftlichen Freiheit in einzelnen Ländern. An der Spitze stehen Länder wie Hongkong, Singapur, Neuseeland, die Schweiz, Australien, Irland, Estland, Großbritannien und Kanada. Aus diesen Ländern „flieht” niemand wegen wirtschaftlicher Not. Am Ende der Skala stehen vor allem afrikanische Länder. Was ihnen fehlt ist nicht Entwicklungshilfe, sondern wirtschaftliche Freiheit. Afrika hat weit mehr Entwicklungshilfe erhalten als Asien, aber in Asien hat sich die Lage der Bewohner in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gebessert, weil Länder wie China und Südkorea auf mehr Markt gesetzt haben. Nicht mehr Entwicklungshilfe hat ihnen geholfen, sondern mehr Kapitalismus.

Überall auf der Welt wandern Personen aus Ländern mit geringerer wirtschaftlicher Freiheit in solche mit höherer wirtschaftlicher Freiheit, weil in letzteren die Lebensbedingungen besser sind. Das ist in allen Kontinenten so: Aus dem sozialistischen Venezuela sind in den vergangenen Jahren vier Millionen weggewandert – viele davon ins kapitalistische Chile. Aber kein Chilene ist ins sozialistische Venezuela „geflüchtet”.

„Fluchtursachen beseitigen“ hieße in der Konsequenz, dass in Ländern, in denen es keine wirtschaftliche Freiheit gibt, marktwirtschaftliche Systeme etabliert werden. Und dass in Ländern, in denen Korruption und Diktatur herrschen, demokratische und rechtsstaatliche Systeme etabliert werden. Das könnten jedoch nur die Leute in diesen Ländern tun. Marktwirtschaft und Demokratie lassen sich nicht exportieren, wie zahllose gescheiterte Versuche Amerikas gezeigt haben.

„Fluchtursachen” sind also nicht so einfach zu beseitigen, wie es in Politiker-Interviews klingt. Kriege, Bürgerkriege, Hunger und Armut haben ihre Ursachen in den politischen und wirtschaftlichen Systemen von Ländern in Afrika. Und solange es diese Ursachen gibt, haben deren Bewohner das verständliche Bestreben, diesem Unheil zu entrinnen.

Entwicklungshilfe hat versagt

Dambisa Moyo, die in Sambia geboren wurde, in Harvard studierte und in Oxford promoviert wurde, hat in ihrem Buch „Dead Aid“ die Entwicklungshilfe der reichen Länder als eine Ursache für die Not auf dem Kontinent identifiziert. In den vergangenen 50 Jahren, schrieb Moyo bereits 2009, wurde im Rahmen der Entwicklungshilfe über eine Billion Dollar an Hilfsleistungen von den reichen Ländern nach Afrika überwiesen. „Doch geht es den Afrikanern durch die mehr als eine Billion Dollar Entwicklungshilfe, die in den letzten Jahrzehnten gezahlt wurden, tatsächlich besser? Nein, im Gegenteil: Den Empfängern der Hilfsleistungen geht es wesentlich schlechter. Entwicklungshilfe hat dazu beigetragen, dass die Armen noch ärmer wurden und dass sich das Wachstum verlangsamte […] Die Vorstellung, Entwicklungshilfe könne systemische Armut mindern und habe dies bereits getan, ist ein Mythos. Millionen Afrikaner sind heute ärmer – nicht trotz, sondern aufgrund der Entwicklungshilfe.“

Mit „Entwicklungshilfe“ meint Moyo nicht karitatives Engagement und akute Hilfe bei Hungersnöten oder Katastrophen, die natürlich nicht kritisiert werden sollen, sondern dauerhafte finanzielle Transferleistungen mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Oft wurden diese Gelder an korrupte und despotische Regierungen gezahlt und kamen nicht bei den Armen an. Doch „selbst wenn die Hilfsleistungen nicht einfach veruntreut wurden und in den Kanälen der Korruption versickerten, blieben sie unproduktiv. Die politische Realität hat überdeutliche Beweise dafür geliefert. Angesichts des ökonomischen Zustandes Afrikas ist nicht zu erkennen, wo Wachstum eine direkte Folge der gewährten Entwicklungshilfe gewesen wäre“.

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Afrika braucht Kapitalismus statt Entwicklungshilfe
Eine Studie der Weltbank belegte, dass mehr als 85 Prozent der Fördergelder für andere Zwecke verwendet wurden als ursprünglich vorgesehen, oft umgeleitet in unproduktive Projekte. Zwischen 1970 und 1998, der Zeit der höchsten Entwicklungshilfeleistungen an Afrika, stieg die Armut auf dem Kontinent von elf auf 66 Prozent. Ausländische Hilfszahlungen nährten korrupte Regierungen, indem sie diese mit frei verfügbarem Geld unterstützten. Die Regierungen fühlten sich nicht der eigenen Bevölkerung verantwortlich, sondern ihren ausländischen Geldgebern. Sie blockierten die Rechtsstaatlichkeit, die Etablierung von transparenten politischen und zivilgesellschaftlichen Institutionen, den Schutz der bürgerlichen Rechte. Dadurch machten sie zugleich einheimische wie ausländische Investitionen in ihren armen Ländern unattraktiv.

Ein funktionierender Kapitalismus konnte sich dort nicht entwickeln, denn ein Umfeld hochgradiger Korruption und Unsicherheit schreckte Investoren ab. Das führte zur Stagnation und würgte letztlich das Wachstum ab. Die korrupten Staatsangestellten entscheiden nicht im Interesse des Allgemeinwohls, sondern nach Maßgabe möglicher Selbstbereicherung. Große Summen an Hilfsgeldern und eine Kultur der Entwicklungshilfe-Abhängigkeit ermutigten afrikanische Regierungen zudem, die unproduktiven öffentlichen Sektoren weiter aufzublähen – was auch nur eine Art ist, Günstlinge zu belohnen.

James Shikwati, Gründer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Inter Region Economics“ in Nairobi (Kenia), meint: „Würde die Entwicklungshilfe abgeschafft, bekäme das der kleine Mann gar nicht mit. Nur die Funktionäre wären schockiert.“ Sein Fazit zum Thema Entwicklungshilfe: „Es werden riesige Bürokratien finanziert, Korruption und Selbstgefälligkeit gefördert, Afrikaner zu Bettlern erzogen und zur Unselbstständigkeit. Zudem schwächt die Entwicklungshilfe überall die lokalen Märkte und den Unternehmergeist, den wir so dringend brauchen. Sie ist einer der Gründe für Afrikas Probleme, so absurd dies klingen mag.“

William Easterly, Professor für Ökonomie und Afrikastudien an der New York University, hält Entwicklungshilfe für weitgehend nutzlos, oft sogar kontraproduktiv. In zwei Jahrzehnten wurden in Tansania zwei Milliarden Dollar an Entwicklungshilfemitteln für den Straßenbau ausgegeben, aber das Straßennetz ist nicht besser geworden, so berichtet er. Weil die Straßen nicht instand gehalten wurden, verfielen sie schneller, als die Geldgeber neue bauen konnten. Was sich wirkungsvoll in Tansania entwickelte, war eine gigantische Bürokratie. „Für seine Geldgeber, die das Empfängerland mit tausend Missionen von Entwicklungshilfevertretern im Jahr überfluten, produziert Tansania jedes Jahr 2.400 Berichte.“ Die Entwicklungshilfe habe also nicht geliefert, was die Armen benötigten (Straßen), sondern stattdessen vieles, was den Armen wenig nützt.

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Und genau dieses gescheiterte Rezept wollen uns Politiker aller Parteien nun als Königsweg verkaufen, um „Fluchtursachen zu beseitigen“. Hinzu kommt: Selbst wenn Entwicklungshilfe das leisten könnte, was sie verspricht, nämlich die Situation der Leute etwas zu verbessern, dann ist das natürlich kein Patentrezept, um „Fluchtursachen zu beseitigen“. Die wirklich Schwachen und Hungernden, die Ärmsten der Armen, haben weder ein Smartphone noch können sie Schlepper bezahlen, die oft mehrere Tausend Dollar kosten. Vielmehr kommen oft diejenigen, denen es Dank der verbesserten wirtschaftlichen Lage ein wenig besser geht und die genug Geld für Schlepperdienste haben.

Es klingt schön und human, Europa dürfe sich nicht „abschotten“ und keine „Festung“ werden, sondern wir müssten nun einfach die Länder, aus denen die Menschen kommen, „in wirtschaftliche Prosperität versetzen“. Aber mit solchen Beschwörungsformeln gaukelt man den Menschen Lösungen vor, die keine sind.

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