Tichys Einblick
Keine Affenpocken-Panik!

Die Pandemie kann offensichtlich auch zum Impfstoff kommen

Das stand zu befürchten: Mit Corona ist zurzeit nicht mehr besonders viel Panik zu schüren, da muss etwas Neues her: Affenpocken-Viren bedrohen jetzt die Menschheit.

IMAGO / Christian Ohde

Weniger als zehn bestätigte Fälle einer Affenpocken-Infektion in Deutschland bei 80 Millionen Einwohnern veranlassten Karl Lauterbach zur Ankündigung, „schnell und hart“ zu regieren. Am Montag noch hatte er am Rande der Weltgesundheitskonferenz in Genf vorausgesagt, bereits heute könnten Empfehlungen zu Isolation und Quarantäne vorgelegt werden. Kontakt zu den Herstellern von Impfstoffen gegen Affenpocken habe er schon aufgenommen.

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Ein vorhandener Pockenimpfstoff besteht aus einem Lebendimpfstoff, bei dem das Virus so verändert wurde, dass es sich im Menschen weder vermehren noch eine Krankheit auslösen kann. Er ist in den USA und Kanada auch gegen Affenpocken zugelassen worden. In der EU ist er seit Januar dieses Jahres für Personen ab 18 Jahre gegen Pocken zugelassen, wird aber auch ohne Zulassung gegen Affenpocken eingesetzt.

Kommt jetzt die Pandemie zum Impfstoff?, könnte man sich fragen. Allerdings ist der Impfstoff derzeit nicht breit verfügbar, berichtet die Apotheken UmschauAffenpocken werden von Viren verursacht, die zwar eng mit den menschlichen Pockenviren verwandt sind. Während die Pockenviren als ausgerottet gelten, werden Affenpocken meist von Tieren übertragen. Infektionen kommen immer wieder mal vor, sind jedoch extrem selten und verlaufen meist harmlos. Diejenigen, die noch bis 1980 die früheren Pockenimpfungen bekommen hatten, sind geschützt.

In Deutschland gibt es derzeit laut Robert-Koch-Institut zehn gemeldete Affenpocken-Fälle aus fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt), Stand 25. Mai. In Medien verbreitete Sätze, Affenpocken breiteten sich weiter aus, treffen nicht die Realität. Sie sind deutlich weniger ansteckend als etwa Corona-Viren, können sich auch nicht über Luftwege ausbreiten.

Lauterbach erläuterte, dass sich in erster Linie Männer infizierten, die sexuelle Kontakte mit Männern gehabt hätten. Es gelte nun, die Risikogruppen ehrlich anzusprechen, ohne sie zu stigmatisieren. Nichts dazu hat er bezüglich der neuen offenen medizinischen Fragen gesagt: Was ist jetzt mit Männern, die sich als Frau fühlen, und Frauen, die als aktuelles soziales Konstrukt heute früh »Mann« gewählt haben? Fragen über Fragen – Lauterbach antwortet nicht.

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Zupass kommt Lauterbach, dass zufällig ein weiteres Papier den Reigen jener Elaborate weitet, die Szenarien über künftige Bedrohungen aller Art ausmalen, und derzeit umhergeistert. Die sind meist von den einschlägigen Stiftungen gut gefütterte Spendensammelmaschinen. Das jüngste Papier der Nuclear Threat Initiative (NTI) behandelt einen fiktiven Ausbruch einer neuen biologischen Bedrohung: »Strengthening Global Systems to Prevent and Respond to High-Consequence Biological Threats«.

Das NTI hatte dazu im Dezember 2020 eine Gruppe »Experten« zusammengestellt, die sich das Szenario ausgedacht haben. Sie haben dafür ausgerechnet das eigentlich eher harmlose Affenpocken-Virus als Grundlage genommen und den Tag eines Ausbruchs bestimmt: ausgerechnet den 15. Mai 2022. Damals noch weit hin, doch heute passt das Datum trefflich zu den Meldungen über das Affenpocken-Virus.

Viel elementarer für die Gesundheit vieler ist jedoch ein anderer Misstand in Krankenhäusern, über dessen Beseitigung Lauterbach bisher noch nicht viel hat verlauten lassen. In jedem Jahr infizieren sich nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene 800.000 Patienten mit Krankenhauskeimen, 40.000 sterben daran. Jahr für Jahr. Die Dunkelziffer wird jedoch als sehr hoch eingeschätzt.

Doch mit Pockenpanik lässt sich weiterhin so schön von den Realitäten ablenken. Tür und Tor stehen jetzt offen für neue Milliarden, die im Kampf gegen eine potenzielle Affenpocken-Pandemie verpulvert werden könnten.

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