Tichys Einblick
Groll wegen Personalentscheidung

Affäre Schönbohm: Beamte meutern gegen Ministerin Faeser

Der Personalrat des Bundesamtes für Sicherheit (BSI) will von der zuständigen Innenministerin Faeser endlich eine Erklärung dafür, dass der frühere Amtschef Schönbohm strafversetzt wurde. Sie führt ihr Haus offenbar nach Gutsherrenart und im Interesse ihrer Partei. Sie ist nicht die einzige Ministerin am falschen Platz.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser

IMAGO / IPON

Seit seiner Zeit als Bürgermeister von Hamburg lässt sich Olf Scholz (SPD) gerne mit seinem Spruch zitieren: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“ Offenbar aber hat bei ihm als Bundeskanzler niemand Führung bestellt, denn sonst könnte es nicht sein, dass ihm eine ganze Reihe an Bundesministern auf der Nase herumtanzt. Außenministerin Baerbock fabriziert ein „Sicherheitskonzept Deutschland“, das umgehend wegen großer Mängel zurückgenommen werden muss. Verteidigungsministerin Lambrecht irrlichtert durch die Bundeswehr und durch die Silvesternacht. Gesundheitsminister Lauterbach verstrickt sich in seinen eigenen Tweets. Innenministerin Faeser gibt verbal den starken Maxe, aber die innere Sicherheit und – dies gewollt – das Staatsangehörigkeitsrecht entgleiten ihr mehr und mehr.

Nun hat Faeser vom Personalrat einer für die innere Sicherheit besonders kompetenten Behörden implizit ein miserables Zeugnis ausgestellt bekommen. Der Personalrat des dem Bundesministerium des Innern (BMI) unterstehenden Bundesamtes für Sicherheit (BSI), also der Behörde, die gerade in dieser Zeit für Cyberabwehr so enorm wichtig wäre, hat an Faeser einige kritische Fragen im Zusammenhang mit der Zwangsversetzung ihres bisherigen Chefs Arne Schönbohm gestellt. Von „Meuterei“ titelt gar die Welt.

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Es ist Klartext, was der BSI-Personalrat an die Bundesministerin des Innern schreibt: Er fordert Aufklärung über die Hintergründe der Versetzung Schönbohms, den der Personalrat als „integre Person“ beschreibt. Wörtlich heißt es in dem Brief an Faeser: „Insofern findet der Personalrat des BSI die Umstände unbefriedigend, wie das BMI auf die Personalie Arne Schönbohm in der Öffentlichkeit reagiert hat …. Wir hätten hier mehr Rückhalt und Transparenz erwartet. Auch die genommene Möglichkeit einer angemessenen Verabschiedung von der Belegschaft wirft Fragen auf.“ Da hat sich offenbar etwas zusammengebraut, denn im Oktober 2022 hatte bereits BSI-Interimspräsident Gerhard Schabhüser eine fehlende Unterstützung des BSI durch das BMI beklagt und von einem „ganz erheblichen Reputationsschaden und Vertrauensverlust in die Arbeit des gesamten BSI“ gesprochen

Es mutet an wie Willkür und riecht nach Gutherrenart, wie Faeser hier mit einer ihrer wichtigsten Behörden umgeht. Wir haben auf TE am 21. und am 27. Oktober zweimal berichtet.

Chronologie

Schönbohm ist zum Jahreswechsel 2022/2023 mittlerweile als Chef an die „Bundesakademie für öffentliche Verwaltung“ versetzt worden. Diese Akademie hat 55 Mitarbeiter. Die Besoldungsstufe des Chefs der Akademie musste aus Gründen der Besitzstandswahrung zugunsten von Schönbohm von bislang B6 auf B8 angehoben werden.

Wir rufen ein paar Hintergründe noch einmal ins Gedächtnis.

Am 18. Oktober 2022 ließ Faeser die Öffentlichkeit wissen, dass sie Schönbohm nicht mehr als Chef des BSI haben wolle. Wegen „mangelnden Vertrauens“ hat sie ihm die Ausübung der Amtsgeschäfte verboten. Da Schönbohm kein politischer Beamter ist, den man ohne Angabe von Gründen ad hoc in den (einstweiligen) Ruhestand versetzen kann (das ist erst ab Besoldungsstufe B9 möglich), blieb Faeser nur die sofortige Entbindung Schönbohms von der Leitung der BSI – bei gleichzeitigem Verbleib im Beamtenverhältnis.

Faeser soll darüber verärgert gewesen sein, dass der BSI-Chef weiterhin Kontakte zu dem umstrittenen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ gepflegt hatte, den er 2012 mitgegründet und geleitet hatte. 2016 war Schönbohm mit seiner Berufung zum BSI-Chef dort ausgestiegen. Er behielt aber offenbar Kontakt, jedenfalls hielt er dort Anfang September 2022 zum zehnjährigen Bestehen des Vereins einen Festvortrag. Diesen hatte er sich allerdings von seinem zuständigen Staatssekretär im Bundesinnenministerium genehmigen lassen.

Hatte ZDF-Böhmermann die Finger im Spiel?

Der Zeitpunkt der Amtsenthebung selbst hat mit der Sendung „ZDF Magazin Royale“ des Polit-„Moderators“ Jan Böhmermann vom 7. Oktober zu tun. Dabei ging es um die Russland-Kontakte des „Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V.“ In dem Verein sind viele Unternehmen aus dem Finanz-, dem Energie- und dem Sicherheitsbereich vertreten. Zum Beispiel das Bundesgesundheitsministerium, die Polizeigewerkschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Zudem nahm der ZDF-Beitrag die Berliner Cybersecurity-Firma Protelion ins Visier, die bis vor kurzem Mitglied im „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ war. All dies war bekannt. Nahezu alles war 2019 Gegenstand eines ARD-Beitrags gewesen. Neu war nur die Firma Protelion, die 2020 Mitglied in dem Lobbyverein wurde. Ihre Produkte hat das BSI indes nicht zugelassen. Hier also ein Spiel über Bande zwischen Faeser und Böhmermann?

Am 17. Oktober bereits hatte Schönbohm, der von Faesers Absicht aus den Medien erfuhr, die Innenministerin unter Zugzwang gesetzt. Per Mail hat er die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt. (Dies wiederum ist mit der Versetzung Schönbohms hinfällig.) Zugleich forderten die „Ampel“-Partner FDP und Grüne Aufklärung. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Manuel Höferlin verlangte in der Zeitung Welt: „Es muss nun schnell das von Präsident Schönbohm beantragte Disziplinarverfahren eröffnet werden, um zu klären, ob und wieweit die Vorwürfe gegen ihn Bestand haben – auch um das BSI, seine Arbeit und seinen Ruf zu schützen.“ Auch der stellvertretende Grünenfraktionschef Konstantin von Notz forderte das Ministerium auf, die Entscheidung konkreter zu begründen. Wörtlich: „Wir verlangen vollständige Sachaufklärung im Hinblick auf alle Hintergründe dieses Vorgangs.“

CDU/CSU beanstandeten: „Der Umgang von Frau Faeser mit dem BSI als einer wichtigen Sicherheitsbehörde in dieser extrem angespannten Sicherheitslage wirft zahlreiche Fragen auf“, sagte die Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU): „Es ist höchste Zeit, dass endlich alle Fakten auf den Tisch kommen. Wer wusste wann was von wem, und wer hat wie entschieden und gehandelt?“ Die Union sprach schließlich von einem „Bauernopfer“.

Wird Faeser (SPD) selbst zum Sicherheitsrisiko?

Eine Bindesinnenministerin, selbst Juristin und qua Amt auch Verfassungsministerin, also oberste exekutive Hüterin des Grundgesetzes, sollte etwas besser Bescheid wissen um rechtsstaatliche und dienstrechtliche Regeln. Und sie sollte gerade in Zeiten von Cyberangriffen alles unterlassen, was die Funktionsfähigkeit des für Cyberangriffe zuständigen Bundessamtes belastet. Andernfalls wird Faeser selbst zum Sicherheitsrisiko. Oder verweigerte sie eine dienstaufsichtliche Klärung, weil es ihr nicht um eine Sachaufklärung, sondern um die Entfernung der Person Arne Schönbohm geht? Immerhin wissen wir von vormaligen Spitzen des BMI, dass Faeser ihr Haus seit Dezember 2021 personell völlig umkrempelt.

Was Arne Schönbohm betrifft, so liegt die Vermutung nahe, dass dieser der Innenministerin allein schon wegen seines Namens und seiner Herkunft ein Dorn im Auge ist. Er ist Sohn des 2019 verstorbenen CDU-Urgesteins Jörg Schönbohm, vormaliger Generalleutnant, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Berliner Innensenator und Innenminister Brandenburgs.

Noch einmal: Ein Bundesinnenminister ist oberster exekutiver Hüter der inneren Sicherheit und des Grundgesetzes. Nancy Faeser ist es offenbar nicht. Siehe auch das Versagen des dem BMI unterstellten Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und seines Präsidenten Haldenwang angesichts eines für Russland spionierenden Mitarbeiters des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Kanzler Scholz muss endlich die Reißleine ziehen und Faeser am besten im Tandem mit Lambrecht die Tür weisen.

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