In diesen Tagen hagelt es Umfragedaten, mit denen der Mainstream am liebsten umgehen würde wie die Figur Palmström in Christian Morgensterns „Galgenlied“ mit dem Titel „Die unmögliche Tatsache“. Palmström war von einem Kraftfahrzeug angefahren worden und sinniert darüber nach, wie das Unglück überhaupt geschehen konnte/durfte. Die Schlussstrophe lautet dann: „Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“
Was ist das aktuelle „Erlebnis“, auf das wir anspielen? Es sind vier „Erlebnisse“:
- Laut INSA vom 27. Mai 2023 würden die Bundesbürger derzeit in Prozent wie folgt wählen: CDU/CSU 28,0 – SPD 20,0 – AfD 18,0 – Grüne 13,0 – FDP 9,0 – Linkspartei 4,0. Das heißt: Die „Ampel“, die bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 in der Summe 52 Prozent erreicht hatte, käme derzeit auf nur noch 42,0 Prozent. Die AfD würde ihr Ergebnis von der Bundestagswahl von 10,3 auf 18 Prozent toppen (siehe hier).
- Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würde die AfD in den neuen Ländern 35 Wahlkreise direkt gewinnen. Das wären mehr als doppelt so viele wie 2021. Das geht aus Berechnungen von https://election.de im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor.
- Der Anteil derer, die ihre Stimme grundsätzlich nicht der AfD geben würden, ist rückläufig. Eine aktuelle Umfrage zeigt eine „insgesamt verbesserte Akzeptanz“ der Partei. Nur noch 53,9 Prozent der Menschen in Deutschland wollen demnach niemals AfD wählen. Dieser „Niemals“-Anteil ist zuletzt stark gesunken. So lag er im November 2020 noch bei 75 Prozent, im Dezember 2022 bei 60 Prozent (siehe hier).
- In Sachsen und Thüringen würde die AfD bei Landtagswahlen, fänden sie derzeit statt, jeweils Platz 1 erreichen. In Sachsen mit 32 Prozent vor 31 Prozent der CDU. In Thüringen mit 30 Prozent vor 25 Prozent der Linkspartei und 17 Prozent der CDU.
Wie gehen Politik und regierungstreue Medien mit dieser „Schwefel- und Proletenpartei“ um? Klar, nach der Methode „Was nicht sein kann, das nicht sein darf“. Keine Talkshow dazu! Keine Sondersendung! Man müsste ja nolens volens AfD-Leute einladen. Allenfalls vernimmt man präsidiale oder sonstige Warnungen vor einem Rechtsruck der Nation.
Das ist alles richtig. Und dennoch fehlt ein gewichtiger Grund für das Anwachsen der AfD. Der Grund heißt CDU. Sie schafft es nicht, die Frustration von Millionen Wählern ob der „Ampel“-Politik zum eigenen Vorteil umzuleiten.
Kann die CDU zufrieden sein mit der aktuellen Pole-Position?
Mitnichten! Mit 28 Prozent darf man beim Zustand dieser „Ampel“ nicht zufrieden sein. Wenn man der Koalition von Scholz/Habeck/Lindner gegenüber der Bundestagswahl nur 4 Prozent abnimmt, dann ist das äußerst mager. Wobei die aktuell 28 Prozent wohl eher nur 25 wären, wenn man die im Moment mit fast 40 Prozent wiedererstarkte CSU herausrechnet.
Anders ausgedrückt: Die CDU wird nicht als Alternative zur Ampel, sie wird nicht einmal als die führende Oppositionspartei wahrgenommen. Kuschelopposition scheint angesagt. Eine Innenministerin Faeser schont man, wiewohl sie autistische Personalpolitik betreibt (siehe Arne Schönbohm) und wiewohl sie sich der Sicherung deutscher Grenzen verweigert. Einen „Wirtschafts“-Minister Habeck schont man. Allenfalls den Agora-/Graichen-Clan attackiert man, wie wenn Habeck mit all dem nichts zu tun habe. Eine unsägliche Außenministerin schont man, die sich und Deutschland Woche für Woche neu blamiert. Hofft die CDU auf ein vorzeitiges Ende der Ampel und einen Wechsel der Grünen und Gelben mitsamt CDU zu „Jamaika“? Will man Friedrich Merz schonen, dessen früherer Arbeitgeber BlackRock Nutznießer und Förderer der Ökopolitik ist?
Die „Brandmauer“ des Friedrich Merz hat die AfD gestärkt
Merz musste bekanntermaßen dreimal antreten, um den CDU-Vorsitz zu ergattern. Beim ersten Anlauf im November 2018 hatte er noch ein aus CDU/CSU-Sicht vernünftiges Ziel angesagt: Er wollte die AfD „halbieren“ und enttäuschte Wähler von der AfD zurückgewinnen, zugleich war die (damals) größte Oppositionsfraktion im Bundestag für ihn aber weder „koalitions- noch gesprächsfähig“. Bei seinem dritten und schließlich erfolgreichen Anlauf Richtung CDU-Parteivorsitz erfand Merz dann Ende 2021 die Theorie der „Brandmauer“ gegenüber der AfD. Richtung AfD kooperationswilligen Christdemokraten drohte er mit dem Parteiausschluss.
Nun wurde die AfD nicht halbiert, sondern sie ist auf dem Weg, sich zu verdoppeln. Das hat auch mit CDU/CSU zu tun. Die derzeit bundesweit 18 Prozent, die angeben, AfD zu wählen, waren in Ost und West früher zu erheblichen, wohl zu größten Teilen Unionswähler. In Sachsen und Thüringen waren es in den 1990er Jahren gar über 50 Prozent. Mit „Brandmauer“-Theorie und „grünen“ Schmusereien gewinnt man diese früheren CDU-Wähler nicht zurück. Schon gleich gar nicht, wenn man sie „rechts“ liegen lässt und de facto zu Rechtsradikalen erklärt.
Mühlstein Merkel
Es kommt hinzu: Intern mögen manche (bei weitem nicht alle) CDU/CSU-Granden nach wie vor mit Merkels seltsamen Alleingängen hadern: Atomausstieg, Vernachlässigung der Bundeswehr, Übertragung von Hoheitsrechten an die EU, Grenzöffnung und Flüchtlingsansturm. Offiziell aber steht die Distanzierung zum katastrophalen Merkel-Erbe noch immer aus.
Im Gegenteil: Man sonnt sich in Merkels medial inszeniertem Nimbus und verleiht ihr die höchsten Landesorden: in NRW durch Ministerpräsident Wüst (CDU), in Bayern durch Ministerpräsident Söder (CSU). Daraus werden AfD-Stimmen. Was sonst. Denn der „woke“, stromlinienförmige deutsche Medien-Michel wird nicht deswegen CDU/CSU wählen oder suggestiv CDU/CSU zur Wahl empfehlen. So bleibt Merkel der Mühlstein am Hals der CDU/CSU. Ur-Mutter der AfD war sie ohnehin schon durch ihre Euro- und ihre Flüchtlingspolitik geworden.