Tichys Einblick
Angriff auf Andreas Jurca

Ein AfD-Landtagskandidat wird Opfer des politischen Klimas

Hass und Hetze haben keinen Platz in Deutschland. Aber was, wenn sich dieser Hass gegen die AfD wendet? Wo der „Kampf gegen Rechts“ geadelt wird, glauben viele, gegen „Nazis“ sei alles erlaubt. Der AfD-Kandidat Andreas Jurca hat das am eigenen Leib erfahren.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Darf man Andersdenkende tot- oder zumindest krankenhausreif schlagen? Dass der Firnis der Zivilisation in Deutschland schon länger abblättert, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass solche Debatten in den letzten Jahren an Legitimität gewonnen haben. Urprünglich auf politische Extremisten gemünzt, erreichte auch für den Normalbürger diese Frage in den letzten drei Jahren eine unheimliche Bedeutung. Ungeimpfte wurden nicht vom Mob verprügelt. Doch unvergesslich sind die Äußerungen von Politikern und Journalisten, die bisher unbekannte Zerstörungsfantasien an den Tag legten, wenn es um die Domestizierung und Diskriminierung jener Menschen ging, die Einwände gegen die Impfung einbrachten.

Eine der womöglich wichtigsten Lehren der Corona-Krise war damit auch, dass Diskriminierungstendenzen des Menschen nicht oder nur sehr schwer abtrainiert werden können. „Group think“ betrifft dabei jedes Milieu. Der Unterschied zwischen „wir“ und „denen“ wurde nicht nur in der Migrationskrise, sondern auch in der Corona-Krise durchgespielt, wenn auch manchmal mit verkehrten Seiten und Rollen. „Keine Toleranz den Intoleranten“, mochten da viele Linke ihren Popper hervorholen – nur, um es auf die unmöglichsten Fälle mit den merkwürdigsten Konsequenzen anzuwenden. Welches Gruppendenken akzeptiert wird, legt nicht zuletzt eine Gruppe fest.

Corona ist vorbei, doch die Frage nach dem Umgang mit Andersdenkenden, die sich nicht zur eigenen Ideologie erziehen lassen wollen, bleibt offen. Zurück zur Ausgangsfrage: Darf man Nazis – oder die, die man dafür hält – verprügeln? Die Parenthese ist angebracht. In der Sache „Lina E.“ gab es wenigstens einen Fall, in dem die „Hammerbande“ einen Kanalarbeiter so schwer zusammenschlug, dass dieser bis zum Lebensende eine Metallplatte im Gesicht tragen muss. Anlass war, dass er die Mütze eines rechtsextremen Labels trug. Das Opfer sagte vor Gericht aus, die Szene zu diesem Zeitpunkt längst verlassen zu haben.

Für eine Woche beschäftigte „Lina E.“ die Republik. Aus mehreren Gründen. Da war einerseits der Antifa-Mob, der seine Festspiele in mehreren deutschen Städten zelebrierte – und Deutschland ertrug es, als handele es sich um eine Tatsache, die man wie das Wetter hinnehmen müsse. Doch andererseits tat sich der Richter mit seinem Urteilsspruch hervor. Er betonte: Lina E. habe sich im Prozess „positiv abgehoben“. Und: Es sei ein „achtenswertes Motiv“, Rechtsextremismus zu bekämpfen. Er sei schließlich die größte Bedrohung im Land.

Biederrichter und die Brandstifter: Solche Sprüche motivieren. Sie lassen Täter darauf spekulieren, dass man bei der Bekämpfung unliebsamer Gestalten möglicherweise mit mildernden Umständen davonkommt. Wenn die Bundesinnenministerin und der Verfassungsschutzchef das Monster des Rechtsextremismus als das größte Übel unserer Zeit anprangern, dann finden sich jene weißen Ritter, die sich ins Getümmel für die gute Sache stürzen. Während früher allerdings wenigstens klar war, dass man unter „Nazi“ Skinheads, Parteigänger der NPD und Rechtsterroristen vom Schlage des NSU verbuchte, ist das heute nicht mehr so deutlich. Medien und Politik postulieren jedenfalls deutlich, dass die „rechte Gefahr“ vor allem mit einer Organisation gleichzusetzen ist: der AfD.

Damit sind wir bei Andreas Jurca. Der AfD-Landtagskandidat wurde am Samstagabend zusammengeschlagen. Nach dem Besuch einer Grillfeier sei er von einer „größeren Gruppe von Südländern“ abgepasst worden. Nach seinem Namen gefragt, habe ihm jemand zum Schein die Hand gegeben. Zuerst habe er einen so heftigen Schlag abbekommen, dass ihm schwarz vor Augen geworden sei. Am Boden liegend habe man auf ihn eingetreten. Er erlitt schwere Prellungen am Gesicht, die Täter brachen ihm, so Jurca, das Sprunggelenk. Der kurzsichtige Politiker verlor seine Brille, war damit hilflos. Der Deutschland-Kurier berichtete zuerst über die Tat.

Jurca ist 35 Jahre alt, Vater von zwei Kindern. In zwei Monaten wird in Bayern gewählt. Nicht nur die Parteipolitik macht Wahlkampf und baut die guten Umfrageergebnisse der AfD landesweit zu einer Bedrohung auf, der man sich widersetzen müsse. Auch der Bundespräsident treibt die Spaltung voran. „Kein Wähler“, so Steinmeier, könne sich „auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen.“ Nicht nur die AfD, sondern auch ihre Wähler sind heute zum politischen Feind erklärt worden. Darf man da nicht alle Mittel anwenden, um das Übel zu bekämpfen?

Es spielt dabei keine Rolle, ob die AfD rechtsextrem ist oder nicht. In den Augen der Linksextremisten ist sie das; denn für sie ist selbst die CDU eine verkappte faschistische Partei. Es spielt ebenso keine Rolle, dass die Täter „Südländer“ – Zitat Jurca: „Mit Südländern meine ich jetzt nicht Spanier oder Italiener“ – waren. Denn es handelte sich um keinen Rassismus gegen Weiße, keine Deutschfeindlichkeit – sondern ein politisches Attentat, wie es ebenso gut die Antifa hätte begehen können. Der Grund war nicht, dass Jurca Deutscher war. Sondern weil er ein „Scheiß-Nazi“ war. Nach eigenen Angaben hätten die Angreifer ihn von AfD-Plakaten wiedererkannt. Vermutlich hätten sie auch jemanden verprügelt, wenn er nur wie Jurca ausgesehen hätte.

Die Reaktion der linken Blase wäre früher Schweigen gewesen. Heute ist es Häme. In den sozialen Netzwerken fischte man just eine Polizeimeldung aus Oberhausen vom 13. August heraus, bei der es zu einer „Kneipenschlägerei“ zwischen einem 25-Jährigen und einem 36-Jährigen gekommen sei. Beide stark alkoholisiert. Die Deutung: Die AfD versuche nun, einen betrunkenen Wirtshausschläger zum politischen Opfer umzudeuten. Selbst im Krankenhaus darf man noch auf den Staatsfeind zeigen und sich über ihn lustig machen. Die Polizei hat mittlerweile auf Anfrage von NIUS klargestellt, dass beide Vorfälle nichts miteinander zu tun haben. Das hätte man vorher wissen können. Schließlich erfolgte der Angriff auf Jurca am Samstag, nicht am Sonntag.

Bitter ist nicht nur das Schweigen der Medien. Bitter ist vor allem, dass nach Montagmorgen, als das Attentat bekannt war, keine Rückmeldung aus der Bundespolitik kam – die einzige Ausnahme war die Ausgburger Kommunalgruppe WSA. Hass und Hetze verbreitet nur die AfD. Dass selbst der Bundespräsident mittlerweile zu Spaltung und Verrohung aufstachelt, ist offenbar schon zu sehr Normalität geworden. Dass man sich vergaloppiert hat, gesteht niemand ein. Bedauern mit dem politischen Feind? Hier sind die gegenwärtigen Politiker und Journalisten mindestens genau Schmittianer wie es den AfDlern vorgeworfen wird.

Es wäre ein guter Zeitpunkt, über politisch motivierte Gewalt zu sprechen, die eben nicht nur aus der „rechten Ecke“ kommt, ohne Letztere relativieren zu müssen. Deutschland hat ein Problem, wie es mit Andersdenkenden umgeht. Und von den Medien bis hin zum Bundespräsidenten scheinen das einige auch noch großartig zu finden. Sie verharmlosen die politisch motivierte Gewalt gegen „Rechte“; so, als stünden Demokraten nur noch links.

Dabei sollten sich auch Teile jener biederen Mitte nicht allzu sicher fühlen, die den Brandstiftern zuschauen, wie sie weiter Fässer in die Wohnung rollen. Denn die Feindeslisten gehen über AfD-Politiker hinaus. Sie betreffen die Christdemokraten ebenso wie Kirchen, Polizeidienststellen und Universitäten mit „rechtem Personal“. Denn auch, wer „rechts“ steht, bestimmen Gruppen. Gruppen, die sich daran ergötzen, dass der Firnis noch etwas weiter abblättert.

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