Tichys Einblick
EU-Wahlkampf

Die AfD erstmals von rechts stark unter Druck

Nachdem der AfD schon seit einiger Zeit vom Rassemblement National (RN) vorgehalten wird, sie toleriere in ihren Reihen rechtsextreme Positionen, hat Maximilian Krah das Fass nun mit einer irrlichternden Aussage zur SS zum Überlaufen gebracht.

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Erstmals seit ihrer Gründung vor über zehn Jahren attackieren nicht nur ihre politischen Gegner aus dem linksliberalen Lager einschließlich der beiden Unionsparteien die AfD für das mehr oder weniger offene Liebäugeln manch ihrer selbst namhafteren Funktionäre mit rechtsextremistischem Gedankengut, sondern auch einige ihrer Schwesterparteien aus dem rechtsnationalen Lager. Schon nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Treffens im Oktober 2023, bei dem es unter anderem um die Remigrationsideen des Vordenkers der österreichischen Identitären Bewegung, Martin Sellner, ging, signalisierte Marine Le Pens Rassemblement National (RN), dass sie ihre bisherige Zusammenarbeit mit der AfD in der Fraktion Identity and Democracy (ID) im Europaparlament in Frage stelle.

Inzwischen hat das RN die Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt, nachdem deren Spitzenkandidat für die Europawahlen, Maximilian Krah, in einem Interview mit einer italienischen Zeitung irrlichternd erklärt hat, er wolle nicht alle Mitglieder der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) als Verbrecher betrachten. Zuvor ist Krah schon dadurch in erhebliche Bedrängnis gekommen, weil der Verdacht besteht, dass einer seiner engsten Mitarbeiter im Europarlament für China als Spion tätig gewesen ist. Dem Schritt des RN öffentlich angeschlossen hat sich inzwischen auch die italienische Lega Nord unter Matteo Salvini, die ebenfalls der ID-Fraktion angehört. Offen ist bislang noch die Positionierung anderer Mitglieder der ID-Fraktion, wie zum Beispiel der österreichischen FPÖ.

Wenige Wochen vor den EU-Wahlen stürzen damit wider Erwarten zwei der einflussreichsten Parteien aus dem rechtsnationalen europäischen Lager die AfD in eine schwere Krise. Wenn selbst weit rechtsstehende Parteien, die keine politischen Wettbewerber der AfD sind, aufgrund von Äußerungen und Aktivitäten führender AfD-Politiker offen Kritik am ungeklärten Verhältnis dieser Partei zum Nationalsozialismus äußern, dann wird dies auf große Teile ihrer potentiellen Wählerschaft weit mehr Wirkung haben, als wenn diese Kritik von politischen Wettbewerbern aus dem bekannten Anti-AfD-Lager vorgetragen wird. Von daher ist nicht auszuschließen, dass die AfD bei den Europawahlen am 9. Juni, entgegen bisherigen durch Umfragen erzeugten Erwartungen, schlechter abschneidet als fünf Jahre zuvor.

In der Partei herrscht daher aus gutem Grund Alarmstufe Rot. Ihre Führung unter Tino Chrupalla und Alice Weidel hat ihrem Spitzenkandidaten Krah deswegen für den EU-Wahlkampf ein komplettes Auftrittsverbot erteilt. Krah selbst hat zugleich seinen Sitz im Parteivorstand niedergelegt. Das Kind ist aber schon in den Brunnen gefallen und könnte aus ihm wohl nur noch lebend, doch schwerverletzt gerettet werden, zöge Krah auch umgehend seine Kandidatur für das EU-Parlament zurück. Forderungen nach seinem Parteiausschluss werden seitens einiger Landesvorsitzenden auch schon laut.

Wie auch immer es mit der Causa Krah seitens der AfD weitergeht, scheint eines klar: Sollte endlich auch bei ihr ein längst überfälliger Reinigungsprozess in Gang kommen, der dazu führt, dass all diejenigen Kräfte an Einfluss verlieren oder auch ganz aus dem Verkehr gezogen werden, die mal offen, mal verdeckt mit dem Rechtsextremismus liebäugeln, dann wäre dies in erster Linie nicht den selbsternannten Kämpfern gegen das vermeintliche Aufkommen eines neuen Faschismus, sondern anderen rechten Parteien zu verdanken, die mit Rechtsextremismus, gleich welcher nationalen Provenienz, nichts (mehr) am Hut haben. Ob die Wettbewerber der AfD ihren „Kampf gegen Rechts“ danach einstellen würden, steht auf einem anderen Blatt.

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