Tichys Einblick
Achtung Glosse

Jedem seine „AfD“ – CDU-Agenda für Deutschland

Mir raucht der Kopf vor lauter Grübeln. Und das in dieser Gluthitze. Berlin mittags 21 Grad, und das im Juli. Puuuuuh! Was hatten wir’s 2003 doch gut, da waren’s nur 42,6 Grad im Schatten, damals in Lingen an der Ems. Und das ganz ohne einen Hitze-Notfall-Plan. Unverantwortlich! Sofort rückgängig machen!

IMAGO / Sven Simon

Ich will etwas schreiben, weil es mich so aufregt. „Wat mutt, dat mutt,“ sagen wir im Plattdeutschen. Hatte Greta nicht vor ein paar Jahren vollmundig angekündigt, am 23. Juni 2023 würde die Welt untergehen, die Hitze glühend und das Wasser knapp werden?! Schade, dass sie das bei Twitter inzwischen gelöscht hat …

Aber lassen wir das. Ich muss nämlich meine früheren Arbeitgeber in Schutz nehmen. Und zwar vehement. Das wundert Sie vielleicht, liebe Leser. Beide Anstalten haben viel zu früh und ohne jeden Grund klein beigegeben. Was man bei anderen Gelegenheiten ja allzu gerne hätte. Da ist dann meist nur Schweigen. Also wenn zum Beispiel 20 Prozent der deutschen Wähler rassistisch und menschenverachtend beleidigt werden. Oder Schwefel-parteiliche Spitzenvertreter. Oder das einfache Volk. Wenn es sich erlaubt, vor laufenden Kameras mal Dampf abzulassen. Da sind Hochmut, Arroganz und Überheblichkeit das Geschäftsmodell, für das sich niemand, wirklich niemand entschuldigt.

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Jetzt konnte der Kniefall nicht tief und schnell genug sein. Der Weg nach Canossa sozusagen im Sauseschritt. Der ARD/ZDF-verantwortete Sender FUNK hatte es doch tatsächlich gewagt, die blütenweiß-reine Union mit der schwefelhaltigen AfD in einen Topf zu werfen. Pfui aber auch!

Ach, was hätte man sich in anderen Fällen Klarstellungen, Entschuldigungen, ja personelle Konsequenzen gewünscht. Als diese Matadore der öffentlich-rechtlichen Kinder- und Jugendbildung zum Beispiel unseren Nachwuchs über die Wohltaten von Chem-Sex aufklären wollten. Für alte weiße Männer wie mich zur Erklärung: homoerotische Sexspiele unter dem Einfluss stärkster Drogen.

Diese Anleitungen zu tödlichen Spielchen sind doch Peanuts gegen diesen dramatischen Fall von Majestätsbeleidigung, der sich jetzt ereignete. Das Geschrei und die unterwürfig-höfische Eil-Entschuldigung sind unüberhörbar. Warum eigentlich? Wegen der erhitzten Gemüter in katastrophalen Temperaturen mitten im tödlichen Klimawandel?! War da etwa keine Brandmauer, die das journalistische Feuer hätte aufhalten können?

Dabei hatten die Jugend-Funker doch nur vorweg genommen, was die inkriminierte Union Stunden später Realität werden ließ: Sie hatten die einstige staatstragende Partei von Adenauer, Erhard und Kohl mit der AfD gleichgesetzt. Sie hatten Höcke, Weidel, Merz und Söder doch glatt in einem Atemzug genannt.

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Doch genau diese Buchstabenfolge AfD wählten die verzweifelt um jedes Wähler-Promill kämpfenden Unions-Führer doch höchstselbst. Wenige Stunden nach dem „schweren journalistischen Fehler“ (so ARD-Chef Gniffke) gründeten sie eine eigene „AfD“, wie Bild spottet: einen Aktionsplan für Deutschland, kurz „AfD”.

Der vernichtende Spott im Internet war doch Strafe genug. Den voreiligen Kniefall hätten sich die alten weißen Männer von ARD und ZDF also ersparen und ihre junge Mannschaft über den grünen (!) Klee loben können: Prima, Jungs, früh erkannt und auf den Sender gebracht.

Denn was die Unions-Wahlkämpfer aus Bayern und Hessen am vergangenen Freitag in 10 Punkten aufschrieben und als „Agenda für Deutschland“ unters Volk zu streuen versuchten — jene Unions-„AfD“ ist von der Original-AfD abgekupfert, sonst nichts.

Das kennen wir schon von der letzten Berlin-Wahl: kurz vor Toresschluss noch schnell AfD-Slogans plakatieren, die man noch am Wahlabend wieder einsammelte. Aus „mehr Polizisten“ wurde „in jedem Bezirk einen Queer-Beauftragten“ etc pp. Man rechnet eben mit Volkes Demenz. So fordert die 10-Punkte-CDU-„AfD“ die „Sofortausweisung von Clan-Mitgliedern“.

Wo die doch erst kürzlich in Essen Krieg auf offener Straße führten — in einer seit langem von der CDU regierten Stadt in einem von der CDU regierten Bundesland. Komisch. Ein „Frauensicherheits-Paket“ (man lasse sich das Wort mal auf der Zunge zergehen!) soll verhindern, was CDU und CSU uns 2015 ins Land geholt haben. Mehr AfD geht wirklich nicht, und das von der Täterpartei. Irre!

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Ähnlich Frau Pechstein, die wohl bis heute nicht begriffen hat, von wem sie sich da hat instrumentalisieren und zujubeln lassen: von denen nämlich, die all das verursacht haben, was sie in ihrer Uniform-Rede angegriffen hat. Irgendwie scheint das Gesetz von Ursache und Wirkung außer Kraft gesetzt. Ist wohl dem Klimawandel geschuldet. Die Temperaturen sind zum Denken derzeit wirklich zu heiß. Berlin heute immerhin 21 Grad.

Ähnlich übrigens beim Kirchentag, der vor zwei Wochen in Nürnberg mit einer herrlichen Schluss-Episode auffiel. Einer sogenannten Sonntagspredigt im (auch optischen) Stil einer Realsatire: Gott ist queer, ja ein Klimakleber und wer weiß was nicht alles. Die Kommentare auch alternativer Medien nannten das Szenario „rot-grüne NGO“.

Ich sah da im Bild allerdings hinter dem „Prediger“ nur den prominenten CDU-Politiker Thomas de Maizière, den verantwortlichen Kirchentagspräsidenten. Ist er eingeschritten? Und Hauptsponsor (mit unseren Steuergeldern!) dieses gotteslästerlichen Allotrias war Bayerns CSU-Chef Söder. Nur mal so nebenbei erwähnt …

Apropos Söder: Der hatte anlässlich der hauseigenen „AfD“-Gründung in den Innenhof des Strauß-Hauses eingeladen. Zum Grillen. Brav veröffentlichte der investigativ-kritische Medienbetrieb die Bilder: zwei alte weiße Männer halten stolz in der Manier des „braunen Bodensatzes“ ostdeutscher Kleingartenvereine ihr Grillgut in die Kamera. Grillgut, das mehr in Thüringen als in München verortet wird. Wo wir wieder bei Höcke wären. Oder noch schlimmer: bei Sesselmann in Sonneberg. Und natürlich bei den Jungs von FUNK, jenem ARD/ZDF-Gewächs, was diese Symbiose bereits Stunden zuvor beschrieben hatte.

Irgendwie fragt man sich in der 21-Grad-Gluthitze Berlins, bedroht von Wassermangel und Massentransporten von Hitzetoten: Wächst da vielleicht zusammen, was zusammen gehört? Denn der „AfD“-Plan der Union soll ja dazu dienen, den „braunen Bodensatz“ zurück zu holen. Sich also von genau den Leuten an die Macht wählen zu lassen, die man menschenverachtend verfemt und verflucht. Oder fehlt es mir da an Weitblick, Phantasie und Logik? Verwechsele ich vielleicht die drei Buchstaben?

Jedenfalls sei mir abschließend die Frage an die TE-Leser gestattet: Darf ich unter das Grill-Foto schreiben: zwei Würstchen im Bild? Oder ist das nur bei ARD und ZDF erlaubt. Und damit ich nicht missverstanden werde: Gegen grillende ostdeutsche Kleingartenbesitzer habe ich überhaupt nichts. Im Gegenteil.

Doch als wäre so viel Glosse und Satire nicht genug, ereilt mich am Sonntagabend eine Meldung aus München: Die CSU will diesen „Jugendkanal“ von ARD/ZDF nun gänzlich abschaffen. „Die Entgleisungen … müssen Konsequenzen nach sich ziehen,“ heißt es aus dem Grill-Zentrum. Wohl gemerkt: nicht die Entgleisung mit der Chem-Sex-Sendung, auch nicht die namens „Zoophilie – Sex mit Tieren“ oder „Kannibalismus – warum möchten Menschen gegessen werden?“ usw. usw. usw. waren ausschlaggebend. Nein, es war die Majestätsbeleidigung der Herren Merz und Söder.

Letzterer war übrigens Mitglied des wichtigsten ZDF-Kontrollorgans, des Verwaltungsrates, während die genannten Sendungen unbeanstandet liefen. Man muss also Prioritäten setzen. So wie mit der unionseigenen „AfD“. Die Volksdemenz lässt alles zu.


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