Die NATO-Staaten starteten nach dem totalen Fiasko des überstürzten Abzugs Evakuierungsoperationen, um westliche Staatsbürger und afghanische Helfer sowie politisch genehme Kreise auszufliegen. Nun wird behauptet, dass keiner der Verbündeten bereit oder in der Lage gewesen wäre, diesen Einsatz ohne die USA auch nur eine Minute fortzuführen. Auch in Brüssel wurde zurückgewiesen, dass die Europäer die Luftbrücke in Eigenregie weiterführen könnten. Das sei ohne die Amerikaner nicht vorstellbar.
Dass die Europäer ohne US-Unterstützung nicht mal zur Evakuierung ihrer Bürger fähig gewesen wären, ist aber nichts weniger als eine glatte Irreführung der Öffentlichkeit.
Durchsichtiges Kalkül
Zu welcher Hybris diese Stärke führt, ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Es geht auch nicht darum, den Europäern einzureden, dass diese im Krieg am Hindukusch hätten eigenständig operieren können. Das wollten und mussten diese nicht, sie hätten es auch nicht gekonnt. Dieser Einsatz hing von Anfang an vom unbedingten Willen der USA ab, nach den Terrorangriffen von 2001 ihre militärischen und finanziellen Ressourcen einzusetzen. Es war ein US-Krieg, dem sich ein Großteil der Verbündeten bereitwillig angeschlossen hat. Die Amerikaner wurden in gewissen Grenzen militärisch, nicht zuletzt aber auch politisch unterstützt. Der Beitrag der Verbündeten zum afghanischen Krieg sollte denn auch nicht kleingeredet werden. Dahinter lauert politisches Kalkül.
Im Zuge der Evakuierungsoperationen der NATO-Verbündeten wird dieser Mechanismus wiederum deutlich. Unabhängig davon, was von den fünf oder gar sechsstelligen Zahlen zu evakuierender Afghanen zu halten ist, unabhängig von der aus durchsichtigen Gründen befeuerten Hysterie, es würden tausende Afghanen dem Lynchmord ausgeliefert, betreiben weite Teile der Medien systematisch das Geschäft der Regierung. Die oben zitierte Behauptung der SüZ, dass der Evakuierungseinsatz ohne die USA nicht eine Minute hätte fortgeführt werden können, ist schlichtweg falsch. Sie zeugt von völliger Unkenntnis der deutschen militärischen Fähigkeiten. Ein Redakteur der das behauptet, kennt die Bundeswehr nicht, er sollte sich ins Feuilleton versetzen lassen.
Die Bundeswehr kann mehr als sie können darf
Bei aller berechtigten Klage über die Unzulänglichkeiten unserer Streitkräfte: Allein die Bundeswehr verfügt über die erforderlichen Ausstattungen und Geräte, um mit etwas Vorlauf einen Feldflugplatz aufbauen und betreiben zu können. Verlegefähige Radargeräte, Abfertigungsanlagen und die sonstigen für den Betrieb eines Flugplatzes erforderlichen technischen Systeme einschließlich des erforderlichen Personals sind in der Luftwaffe verfügbar. Bei Bedarf ließen sich Verstärkungen von europäischen Verbündeten organisieren. Man müsste dies nur wollen. Zumal in Kabul ein betriebsbereiter Flughafen vorhanden ist, der seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat.
Nochmals: Hier soll nicht dafür plädiert werden, mit einer eigenen Luftbrücke zusätzliche Afghanen zu evakuieren. Es geht um das systematische Unterschlagen eigener Fähigkeiten aus durchsichtigen politischen Motiven. Eine derartige Politik verfolgen die verschiedenen Bundesregierungen spätestens seit der Jahrtausendwende. Die hehren Beschwörungen der Bündnissolidarität werden bei jeder Gelegenheit hintertrieben. Und unsere sogenannten Qualitätsmedien machen bereitwillig mit. Die Öffentlichkeit wird hinters Licht geführt, den Tatsachen wird keine Ehre gegeben. Soviel zum Funktionieren der vierten Gewalt in diesem unserem Lande. Medien als Büchsenspanner der Regierung.