Was für ein Schmierentheater! Wer soll das denn noch ernst nehmen? Wer hier an Zufall glaubt, geht davon aus, dass der Klapperstorch die Kinder bringt: Kardinal Marx bittet letzte Woche den Papst um Entbindung vom Amt des Münchner Erzbischofs und der erlaubt ausdrücklich, dass dieser Brief veröffentlicht wird. Klares Zeichen: Er nimmt den Rücktritt an. Doch dann, April, April: Marx muss (!) im Amt bleiben und der Papst macht sich obendrein den Inhalt des Schreibens weitestgehend zu eigen.
Allerdings mit bühnenreifen Seitenhieben auf den Münchner Domschauspieler, dem inzwischen selbst seine ehemals getreuesten unter den „Qualitätsmedien“ nur noch den Rang eines Laiendarstellers einräumen. Das „Demutsmanöver“ (Welt) entpuppt sich als PR-Gag, von dem Laschet, Baerbock, Söder und Co. noch viel lernen können. Und wenn das Zuspiel Rom/München auf dem EM-Rasen die nächsten Tage auch so gut klappt, wird Deutschland Europameister.
Ein Rückblick auf letzte Woche lohnt also.
Das war schon bei der Causa Tebartz-van Elst, also des Limburger „lieben Amtsbruders“, so: Dreck auf ihn werfen, in vagen privaten Andeutungen (wo war da eigentlich die queere Lobby auf den Barrikaden?!) und schwergewichtiger „Sorge um die Gesamtkirche“ schwelgen. Dreißig Millionen Euro für ein riesiges denkmalgeschütztes Ensemble in Limburg — doch des Gutmenschen Marx´ Palais war gerade für satte 8,7 Millionen renoviert. Gut, dass ich nicht so bin….
Und jetzt ist Woelki dran. Nur man selbst nicht. Stattdessen hollywoodreife Dramen der Demut: Verzicht aufs Bundesverdienstkreuz, von ahnungslosen oder interessegeleiteten „Qualitätsmedien“ auch noch als Demutsgeste gefeiert — statt den Bundespräsidenten zu fragen, wieso einer wie er überhaupt auf die Liste kam. Die Missbrauchsopfer schrien ja schon auf. Kein Wort vom eigenen Vertuschen zu Marxens Trierer Zeit, vom Verschluss der Missbrauchsakten in München.
Bild hat recht, wenn es dort zum Rücktrittsgesuch heißt: „Das klingt edel. Aber nach Bild-Informationen könnte Marx mit diesem Schritt auch einer für ihn peinlichen Enthüllung zuvorkommen. Denn im Herbst wird das nächste Vertuschungs-Gutachten vorgestellt. Diesmal im Mittelpunkt: das Erzbistum München.“ Schon zuvor habe „der Machtmensch Marx“ ja bereits „verdächtig viel Einfluss abgegeben“, zum Beispiel keine weitere Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz. In diesem Mann, „der machtvolle Ämter sammelte wie andere Jagdtrophäen…..verschränkten sich individuelles Scheitern und kollektives Unvermögen,“ so der FAZ-Leitartikel zum Rücktritt.
Gut, dass ich nicht so bin wie andere…. Und der investigative Journalismus, im Corona Fieber erloschen und im Merkel-Rausch ersoffen, versagt auch hier! Wo sind die selbsternannten Ermittlungsbehörden der Vierten Gewalt in diesem Fall? Wenn sie wenigstens einen Hauch von Anti-Woelki/Ratzinger/Tebartz-Elan bei Marx und Co an den Tag legten und das Dunkel um die Selbstgerechten nur ein bisschen erhellten, wir würden uns wahrscheinlich wundern.
Vorherrschende Meinung eines oberflächlichen Journalismus, der jeglichen Bezug zur Institution Kirche verloren hat: nach diesem „Rücktrittsschock“ begänne endlich die (liberale) Reformation des verstocken Klerikal-Katholizismus. Klarer und realistischer sieht es dagegen Josef Kraus, Katholik und langjähriger Lehrer-Präsident, in Tichys Einblick: „So gesehen ist Marx‘ Abgang eine Chance für die Katholische Kirche nicht nur zur Aufklärung des Missbrauchs, sondern auch eine Chance, den Weg wieder zurück von einer politisierenden NGO zu einer (echten) Kirche einzuschlagen.“
Übrigens: Das Münchner Ökumene-Duo, meist wie eine Mischung aus Doppeltem Lottchen oder den Kessler-Zwillingen auftretend, bleibt sich treu. Gemeinsam verleugneten sie das Kreuz in Jerusalem und kapitulierten damit vor dem Islam. Gemeinsam förderten sie die Antifa-Flüchtlings-Fähre für Nachschub des Antisemitismus (um Modemacher Karl Lagerfeld zu zitieren). Gemeinsam übertrafen sie sich als Hassprediger gegen die, die sich dem Mainstream widersetzen und Gedankenfreiheit postulieren.
Nun verlassen sie beide gemeinsam das sinkende Schiff ihrer jeweiligen Kirche. Und das alles in der Schicksalsgemeinschaft der Selbstverliebten: Nach uns die Sintflut!
Ist also die Kirche an einem „toten Punkt“ angekommen, wie Marx meint? Oder nicht vielmehr der Analytiker selbst? Und da spricht das peinliche gemeinsame Foto von Karl und Reinhard vielsagende Bände: die beiden Marxens in Trier. Fast prophetisch war das. Ein Dokument mit Versagern. Und wer den Begriff „christliches Abendland“ als „ausgrenzend“ interpretiert, kann als Bischof ohnehin nicht ernst genommen werden. Genauso wie sein „Kapital“-Namensvetter.
Nach dieser ganzen Show der letzten Tage ist der Rom-Karriere des Reinhard Marx der rote Teppich ausgerollt? Oder der Weg versperrt? Wer weiß das schon. Was für Winkelzüge! Zum Katholischwerden!