Vor 20 Jahren wurde beschlossen, dass sogenannte »erneuerbare« Energien Kohle-, Öl- und Kernenergie ablösen sollten zugunsten angeblich »sauberer« Energien von Windrädern, Photozellen und Maispflanzen. Das sollte alles machbar sein, brachten Grüne und SPDler immer wieder vor – unterstützt von Untersuchungen vieler meist staatsfinanzierter Institute. Die Förderung »erneuerbarer« Energien sollte nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, wie seinerzeit ein Umweltminister namens Jürgen Trittin verkündete. Ein Wort, das ihm heute noch entlarvend vor die Füße fällt. Vorbild die alten Windmüller, die in früheren Jahrhunderten doch so schön die Kraft des Windes nutzten – wenn der wehte.
Wichtig waren auch die Fragen: »Inwieweit ist die Energiewende ein Projekt, welches, wie manche Zeitgenossen sagen, zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt?« und »Wie kann man diese Spaltung überwinden?« »Insofern hat diese Konferenz zwar den technologischen Schwerpunkt gehabt, aber sie hat sich interdisziplinär auch auf die Themen Ökonomie, Politikwissenschaft und sogar Philosophie und Ethik ausgeweitet.«
Die reinen Fakten liegen ziemlich deutlich auf dem Tisch. Deutschland befinde sich auf jeden Fall in einer zunehmend kritischen Lage, stellte Harald Schwarz fest, Lehrstuhlinhaber für »Energieverteilung und Hochspannungstechnik« an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Er betrachtete die Situation in den Stromnetzen: Wie viel Energie ist noch vorhanden – oder wie weit ist es bis zum Crash?
Das konnte Schwarz nicht klar beantworten. Allerdings: Der Weg bedürfe sicherlich einer Nachjustierung »und zwar massiver Nachjustierung«. Schwarz: »Aus dem einfachen Grund: Wir bauen immer mehr gesicherte Leistung im Stromsystem ab, wir bauen immer mehr völlig fluktuierende, auch völlig ungesicherte, also gesicherte Leistung. PV ist 0 Prozent, Wind ist 1, 2 Prozent, und wir hoffen darauf, dass wir in Zeiten von kalter Dunkelflaute Strom aus dem Ausland bekommen, weil er im Prinzip woanders nicht mehr herkommen kann. Das sind einfach Dinge, wo man sagt, das kann sich eigentlich eine Industrienation nicht leisten, zumal eben auch alle anderen Nachbarländer es nicht so tun.«
»Der Unterschied kommt daher, dass Deutschland, dass die Energieproduktion in Deutschland auch heute noch relativ viele fossile Energieträger umfasst, währenddessen in Frankreich ein großer Teil der elektrischen Energie durch CO2-neutrale oder CO2-arme Kernenergie erfolgt. Es mag auch eine Rolle spielen, dass die industrielle Wertschöpfung pro Kopf in Frankreich etwas kleiner ist als in Deutschland. Aber ich glaube, dass der primäre Unterschied in dem Portfolio der Energie-Herstellungstechnologien liegt.«
Die Belastungen von Wirtschaft und Gesellschaft untersuchte Fritz Vahrenholt – nicht nur bezogen auf Deutschland. Wahre Abschaltorgien von Kraftwerken leisten sich nicht nur Deutschland, sondern auch mehrere andere europäische Länder. So hat Spanien mindestens sieben Kohlekraftwerke abgestellt, in England läuft kein einziges Kohlekraftwerk mehr. Seit 2017 wurden in Europa Kohlekraftwerke stillgelegt, die insgesamt 20.000 MW an Strom lieferten. Allein in Deutschland wurden rund 11.000 MW abgeschaltet.
Ab 2021 mussten zusätzlich Gaskraftwerke angeworfen werden, um Strom zu erzeugen. Eine sehr teure Angelegenheit. »Die weltweite Gasverknappung und die in Mitteleuropa auftretende Windflaute verstärkt den Effekt«, so Vahrenholt. So war das vergangene Jahr ein Jahr, in dem der Wind sehr schwach wehte, die 30.000 Windräder also noch weniger liefern konnten, als sie ohnehin schon liefern. Ab Februar 2022 kommt zusätzlich der Effekt des Ukrainekrieges hinzu.« Die Gaskrise lasse die kritische Lage noch einmal besonders drastisch zum Vorschein kommen.
Das besonders Bedrohliche – auch darauf weist Vahrenholt unter anderem in seinem Buch »Unerwünschte Wahrheiten« immer wieder hin – sind die Auswirkungen auf den Preis der Lebensmittel. Denn die Produktion von Lebensmitteln ist direkt mit Energieverbrauch verbunden. Kein Wunder also, dass dem Ölpreis steigende Nahrungsmittelpreise folgen.
Aus physikalischer Sicht ist die Sache klar: »Kohlenwasserstoffe besitzen den Vorteil, dass sie pro Kilogramm oder pro Liter tatsächlich die höchste Energiespeicher-Dichte haben«, rechnet Thess vor. »Ein Liter Benzin oder ein Kilogramm Benzin kann zehn Kilowattstunden speichern. Ein Kilogramm Lithium-Ionen-Batterie kann hingegen nur 0,1 Kilowattstunde speichern. Das sind also zwei Größenordnungen Unterschied. Am Ende kommt es jedoch darauf an, wie teuer die Speicherung pro gespeicherter Kilowattstunde ist. Und da sind wir optimistisch, dass diese wärmebasierte Energiespeicher-Technologie einige Vorteile bietet und besonders die großen Energiespeicher Aufgaben Gigawattstunden und Terawattstunden als ein zusätzlicher Baustein bedienen kann.«
Kohle, Öl und Gas werden auch auf absehbare Zeit lange Zeit unsere Energiequellen sein. Thess: »Wir werden mit Sicherheit noch längere Zeit fossile Energieträger brauchen, weil ihre Energiespeicher-Dichte und ihre Transportfähigkeit und auch ihre Kosten konkurrenzlos günstig sind. Wenn wir allerdings das Energie- und Verkehrssystem weltweit dekarbonisieren wollen, dann werden wir schrittweise auf CO2-neutrale Energiequellen umsteigen müssen. Dazu zählt neben der Sonne und dem Wind laut Weltklimarat IPCC auch die Kernenergie. Auch die Geothermie, auch das Carbon Capture and Storage.«
»Und ich bin der Meinung, dass wir angesichts der Schwierigkeit des bevorstehenden Transformationsprozesses immer an den Spruch eines japanischen Kollegen denken müssen: Energiediversität ist genauso wichtig wie Biodiversität.«
Keine Konferenz dieser Art, die ohne Bashing auskommt. Auch eine reine wissenschaftlich seriöse Fachtagung, die eine möglichst saubere Bilanz ziehen wollte. Thess: »Wir haben auf der einen Seite ein vehementes Interesse an dieser Konferenz gesehen. Wir mussten leider auch feststellen, dass auf die Universität Stuttgart von außen Druck ausgeübt wurde.« An die Leitung der Universität und das Dekanat wurden anonyme Warnmails geschickt, diese Veranstaltung zu verbieten.
So sei Vahrenholt als sogenannter von der »Fossilindustrie« bezahlter »Klimaskeptiker« mit seiner Prognose widerlegt worden, ab 2015 gebe es eine Abkühlung anstelle einer Erwärmung. Zwar falsch, aber damit sollte er mindestens von der Gästeliste gestrichen werden. Eine Fachdiskussion mit ihm sei überflüssig. Doch Thess hält es in einer Debatte für ganz normal, Kritik zu üben. »Diese Kritik sollte sachlich vorgebracht werden.«
»Die Veranstaltung hat trotzdem stattgefunden mit dem geplanten Programm, und ich möchte auch der Universität Stuttgart ein ausdrückliches Lob ausstellen. Die Universität Stuttgart hat sich nicht von diesem Druck beeinflussen lassen. Sie hat die Veranstaltung trotzdem durchführen lassen, und wir konnten diese Veranstaltung ungestört abhalten.«
Für Thess ein Erfolg der Wissenschaftsfreiheit: »Ich halte das für ein wichtiges Signal für die Wissenschaftsfreiheit, weil ich der Meinung bin, wo – wenn nicht an einer deutschen Universität – können kontroverse Diskussionen über solche wichtigen Themen wie Energie, Klima, Energiestrategie und Energiewende geführt werden.«
TE wird auf die einzelnen Vorträge weiter eingehen.