Es ist der 20. Februar dieses Jahres, als eine Mahnwache für die Opfer von Hanau gehalten wird. Oberbürgermeister Claus Kaminsky, Ministerpräsident Volker Bouffier und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stehen auf einer Bühne – und mit ihnen gemeinsam: Aiman Mazyek. Er ist der Vorsitzende des „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD) und soll damit als ein Repräsentant und Vertreter der Muslime mitgedenken. Eine verheerende Entscheidung: Die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD) war maßgeblich an der Entstehung des ZMD beteiligt und ist der mitgliederstärkste Verband des ZMD. Laut Verfassungsschutz ist die IGD die „wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland. Ziel der IGD ist es unter anderem, sich in Deutschland als anerkannter Ansprechpartner zum Thema Islam zu etablieren. Sie verfolgt daher eine […] Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich.“
Falsche Personen bewusst einladen?
Wegen dieser problematischen Verbindungen ist es fatal, Aiman Mazyek zusammen mit den Vertretern einer Demokratie auf eine Gedenkbühne zu stellen. Außerdem vertritt er als ZMD-Vorsitzender nur weniger als ein Prozent der Muslime in Deutschland, somit ist er als ein Repräsentant völlig ungeeignet. 2012 stand er zusammen mit Recep Tayyip Erdogan auf der Bühne während der Konferenz des „Eurasisch-Islamischen Rats“, die vom Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet) – also letztlich vom Erdogan-Regime – geleitet wird, und ist seitdem regelmäßiger Teilnehmer.
Trotzdem wurde Mazyek zur Trauerfeier in Hanau eingeladen. Nicht eingeladen wurde dagegen von der hessischen Staatskanzlei die „Kurdische Gemeinde Deutschland“ (KGD) – diese wiederum vertritt 1,2 Millionen Kurden in Deutschland. Erst durch öffentlichen Druck durfte die KGD in letzter Minute doch teilnehmen, nachdem sie erfolglos die Stadt Hanau und die Staatskanzlei Hessen angefragt hatte. Das ist ein Skandal. Vier der Opfer bei dem Anschlag waren kurdischer Herkunft. Möchten hier die Politiker etwa die türkische Regierung nicht verärgern? Mehmet Tanriverdi, stellvertretender Vorsitzender der KGD, vermutet gar, dass türkische Regierungsvertreter die hessische Landesregierung unter Druck gesetzt und ihre Teilnahme an der Trauerfeier von dem Ausschluss kurdischer Verbände abhängig gemacht hätten. Vermutlich nicht abwegig.
Medien geben Falschen eine Bühne
Mazyek wurde vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Phoenix und von der Welt zum Anschlag in Hanau interviewt. Äußerst auffällig ist: Er spricht wiederholt von einem „antimuslimischen Rassismus“ und fordert einen Beauftragen für Muslimfeindlichkeit. Neben der Tatsache, dass Rassismus die Ablehnung körperlicher Merkmale und nicht die eines Glaubens ist, zielt der Terminus „antimuslimischer Rassismus“ darauf ab, Kritik am Islam und Islamismus zu delegitimieren. Ein Beauftragter für Muslimfeindlichkeit wäre ein stärkeres Mittel, Kritik zu vermeiden. Aber der Attentäter von Hanau wählte keine Moscheen aus, sondern Orte, an denen sich vermeintlich Fremde aufhielten. Tobias R. hatte bestimmte Vorstellungen von einer „reinrassigen“ deutschen Bevölkerung und begründete seinen rassistischen Hass mit persönlichen Erlebnissen, die ihn vom „schlechten Verhalten bestimmter Volksgruppen“ überzeugt hätten. Personen wie Mazyek versuchen, die Opferrolle auf alle Muslime zu übertragen und folglich auch auf Muslime türkischer Herkunft. Dies wird wiederum ausgenutzt oder ist bereits ein Werkzeug von bestimmten Personen und Organisationen, um die Opfer politisch zu instrumentalisieren. Das zeigte sich an der von der türkischen Regierung organisierten Demonstration in Hanau, wie Journalistin Canan Topcu bei der FR berichtete. Die Tagesschau fiel anscheinend auf die Opfermanipulation rein. Unter der Überschrift „Politik verschweigt Islamfeindlichkeit“ heißt es dort:
„Die Opfer in den Mittelpunkt stellen – das will auch Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime. … Auch der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Zekeriya Altuğ, sagt, er hätte sich gewünscht, dass bei den Gedenkveranstaltungen in Hanau deutlich benannt worden wäre, dass die Opfer Muslime waren. Allerdings haben wir das Problem, dass auch die Politik nach wie vor nicht nur das Problem verharmlost, sondern weiterhin die Islamfeindlichkeit in diesem Land verschweigt.“
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Medien den falschen Personen eine Bühne geben und diese in aller Öffentlichkeit an gesellschaftlichem Einfluss gewinnen lassen. Infolgedessen werden diese zu einem Ansprechpartner für das Thema Islam. Durch unkommentierte Interviews werden falsche Personen stilisiert, hin zu einem Scheinexperten oder Scheinrepräsentanten. Unkritische Journalisten spielen auf diese Weise Islamisten, türkischen Nationalisten und dem politischen Islam in die Hände; sie machen die mühevolle Arbeit von Kritikern zunichte. Politiker, die die Falschen einladen und mit ihnen auf einer Bühne stehen, machen den Weg dafür frei. Wir haben es hier mit einer Popularisierung von falschen Personen zu tun. Gedenkveranstaltungen von Anschlägen haben eine besonders große Aufmerksamkeit und dementsprechend werden durch Politiker und Medien einer besonders breiten Masse zweifelhafte Personen nahegebracht. Hanau ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall.
Kirche und Staat begehen denselben Fehler
Bei der Gedenkfeier für die Opfer des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2017 wurde Imam Mohamed Matar als Redner eingeladen, nicht von Politikern, sondern von der Kirche. Empfohlen hatte diese Einladung Aiman Mazyek. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat also mit der „Dar-as-Salam-Moschee“, der Matar zugehörig ist, zusammengearbeitet, obwohl sie vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Matar fiel außerdem schon in dieser Zeit durch antiisraelische Facebook-Posts auf. Von ihm kann man auch eine Verbindung zur IGD, der ,„inoffiziellen Deutschland-Vertretung“ der Muslimbruderschaft, ziehen: Er war stellvertretender Vorsitzender des „Islamischen Jugendzentrums Berlin“, das laut Verfassungsschutz gemeinsame Veranstaltungen mit der IGD durchführte. Auch dieser Person wurde, in diesem Fall von der evangelischen Kirche, die Möglichkeit gegeben, sich einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren und Einfluss im gesellschaftlichen Bereich zu erhaschen.
Die Ethnologin Susanne Schröter berichtet über diesen Vorfall in ihrem Buch „Der Politische Islam“ und schreibt, dass nach Aufkommen von Kritik Mazyek sogar versuchte, „den Spieß umzudrehen“, um Matar zu verteidigen: Mazyek habe auf Facebook geschrieben: „Einige möchten die Stimmen der Muslime am liebsten aus der Öffentlichkeit verbannen. Jedes Mittel ist dafür recht: Pranger, Kriminalisieren, Lügen erdichten etc. Am Ende übrig bleiben die selbsternannten Islamkritiker, ‚Liberale‘ und Sonstigen, die von der Islamhass-Industrie trefflich profitieren bzw. selbst Teil davon sind.“ Fakten werden zu Lügen erklärt. Es wird versucht, legitime Kritik als Angriff auf alle Muslime auszubreiten. Mazyek deutet Islam- und Islamismuskritiker als Islamhasser um, spricht ihnen ihre liberale Haltung ab.
Doch seit Jahren sitzt Mazyek in diversen Talkshows, Politiker treten mit ihm gemeinsam auf und ihm wird blind eine Legitimität verliehen, für alle Muslime in Deutschland zu sprechen. Im Dezember 2019 nahm das Bundesjustizministerium für die Kampagne „Wir sind Rechtsstaat“ Mazyek als Werbegesicht und Botschafter. Es ist schockierend, dass unserer Staat mit einem umstrittenen Mann, der sich im Milieu des politischen Islams befindet, für unseren Rechtsstaat werben soll.