Tichys Einblick
Vorwort zum Sonntag und Pfingsten

Pfingsten – nur die Kirche des Trösters hat Zukunft

Das Vorwort zum christlichen Fest Pfingsten – und hoffentlich doch auch etwas für Menschen, die dem Glauben ferner stehen.

Ich mache zu wenig Sport.
Ich esse zuviel ungesundes Zeugs.
Ich daddel zu viel.
Die Wohnung sieht aus.
Ich schlafe zu wenig.
Den Kindern und meinem Partner werde ich nicht gerecht.
Meine Verwandten habe ich lange nicht mehr gesehen.
Im Beruf wollen sie mehr von mir.
Für Freunde bleibt zu wenig Kraft.
Das Geld rinnt durch die Hände.
Politik irrt umher mit selbstsicherer Schwarz-Weiß-Denke.

Ich brauche keine Kirche, die diese Liste erweitert.
Ich brauche keine Kirche, die mit erhobenem Zeigefinger meine inneren Antreiber verstärkt.
Ich brauche keine Kirche, die sich arglos dem pandemisch-apokalyptischen Zeitgeist anschmiegt und damit den Druck im Kessel erhöht.
Ich brauche keine Kirche, die mit einem einzigen Bibelvers komplexe politische Probleme der Gegenwart „prophetisch“ lösen will.
Ich brauche keine Kirche, die die christliche Gnade zu einem Sprungbrett für alternativlose politische Vorstellungen missbraucht.
Ich brauche keine Kirche, die auf kluge und hilfreiche Abweichler mit frommen Steinen wirft.
Ich brauche keine Kirche, die im Wort zum Sonntag irgendetwas Belanglos-Nettes über Frühlingsgefühle sagt.

Ich brauche etwas ganz Anderes, einen Beistand, einen Tröster.

Ich brauche einen Tröster, der mir versichert, dass ich auch in meiner Unvollkommenheit und in meinem Versagen geliebt bin.
Ich brauche einen Tröster, der mir einen ewigen Horizont eröffnet, wenn ich älter und schwächer werde.
Ich brauche einen Tröster, der die Tür zur Geborgenheit ist, wenn ich vielfach bedrängt bin.
Ich brauche einen Tröster, der mein Fundament bleibt, wenn meine Gefühle und Gedanken verrückt spielen.
Ich brauche einen Tröster, der enge Meinungskorridore durchlüftet und Füße in Politik und Lebensführung auf weiten Raum stellt.
Ich brauche einen Tröster, der harten Moralismus in hilfreiche moralische Fragestellungen verwandelt.
Ich brauche einen Tröster, dessen Expertise beginnt, wenn Moral nicht mehr weiter hilft.
Ich brauche einen Tröster, der diese verrückte Welt in seinen Händen hält.
Ich brauchen den Tröster aus einer anderen Dimension.

Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, feiert „den Tröster“ (Johannes 15,26).
Gottes Geist ist Trost (Johannes 16,7).
Denn der Geist geht vom „Gott allen Trostes“ aus (2. Korinther 1,3-4).
Jesus ist begeistert vom Tröster. Er hat die Trostmacht, dem Verbrecher am Kreuz, der ihn um Vergebung bittet, das Leben zu schenken: „Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lukas 23,43).

Pfingsten ist das Geburtstagsfest der Kirche.
Eine Kirche mit dem Geist Gottes ist eine tröstende Kirche.
Eine trostlose Kirche ist eine geistlose Kirche.
Eine trostlose Kirche ist eine Nicht-Kirche.

Trost von Gott mag weniger sein, als ich mir von Gott wünsche. Viele meiner Wünsche bleiben unerfüllt.
Doch Trost von Gott ist genug, um vergnügt, erlöst, befreit zu leben, selbst wenn es in meinem Leben weiterhin unvergnügte, unerlöste und unbefreite Momente gibt.

„Aber der Tröster, der heilige Geist,
der euch tröstet, wie einen seine Mutter tröstet,
den wird mein Vater senden in meinem Namen.
Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern,
was ich euch gesagt habe.“
(Johannes-Evangelium 14,26 und Jesaja 66,13)

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