Die Abschlusspredigten eines Kirchentages sind für mich immer interessante Wortbeiträge, in denen die dominierenden kirchlich-spirituellen Strömungen des jeweiligen Zeitgeistes deutlich werden.
Zum Ende des dritten ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am Main haben am 16.5.2021 zwei Frauen die Predigt im Wechsel gehalten: die ev. methodistische Pastorin Mareike Bloedt und die franziskanische Ordensschwester Katharina Ganz.
Dabei sind mir in der Predigt folgende drei spirituellen Impulse aufgestoßen:
Erstens: Die Spiritualität der Besserwisserei
In der Predigt ging es um „Gerechtigkeit“. Ein Thema, das die Menschheit seit tausenden Jahren ins Grübeln und ins Schwitzen bringt; zumal oft genug die schönsten Gerechtigkeitsutopien der schnellste Weg in die Hölle waren.
Wie solche gerechte Verteilung dann konkret umgesetzt werden soll, dazu geben die beiden Frauen keinen Hinweis. Aber solche grundlegende universale Umverteilung wird bestimmt ebenfalls ganz einfach gehen. Denn auf dem Kirchentag weiß man in der Abschlusspredigt über Gerechtigkeit Bescheid: „Mit gutem Willen, Enschlossenheit, Phantasie und Kreativität gehen wir globale Herausforderungen an, damit es nicht ungerecht bleibt, wo man geboren ist.“
Zweitens: Die Spiritualität der Selbstüberschätzung
Drittens: Die Spiritualität der Weltrettung
„Zum guten Leben aller beizutragen, ist der Auftrag unserer Kirchen“; erfreulich ungeschminkt definiert Frau Ganz den Auftrag der Kirchen. Der Schwerpunkt der Kirchen liegt für den Kirchentag also nicht auf der Beziehung zu Gott oder auf der Verkündigung des Evangeliums oder auf dem rechten Gebrauch der Sakramente. Der Schwerpunkt der Kirchen liegt eindeutig in einer humanen Sozial-Ethik.
Dabei ist das „gute Leben“ mit der Verteilungsgerechtigkeit geklärt und braucht nicht mehr diskutiert zu werden. Und natürlich ist der Auftrag der Kirche universalistisch das gute Leben „aller“ – je kleiner die Christenheit in Deutschland wird, umso größer und anspruchsvoller werden die Ziele.
Aber ist „zum guten Leben aller beizutragen“ nicht der Auftrag aller Menschen und auch der politischen Parteien? Dann hätte obige Definition weitreichende Auswirkungen: Sie würde die Kirche definitiv auflösen in allgemeine Menschlichkeit und politische Parteiarbeit.
Wer davon überzeugt ist, dass Gott ein Rot-Grüner ist, der mag begeistert von diesem Abschlussgottesdienst gewesen sein mit seinen klaren Worten und eindeutigen Positionierungen.
Wer aber dagegen ist, Gott für (politische) Zwecke zu instrumentalisieren und wer davon überzeugt ist, dass der Bereich des Humanen und des Politischen den ständigen kontroversen, pluralistischen und rationalen Diskurs braucht, der kann sich über solche polit-spirituelle Sozialethik-Feierlichkeit nur verwundert die Augen reiben.