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Ökumenischer Kirchentag: Mit Selbstüberschätzung und Anmaßung das eigene Ende einläuten

Die Predigten am Ende des Ökumenischen Kirchentags offenbarten den spirituellen Zeitgeist der beiden Kirchen: Besserwisserei, Selbstüberschätzung, Anmaßung der Weltrettung. Mit dieser Selbstsäkularisierung in Humanität und Parteiarbeit läutet die Kirche eigenes Ende ein.

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Die Abschlusspredigten eines Kirchentages sind für mich immer interessante Wortbeiträge, in denen die dominierenden kirchlich-spirituellen Strömungen des jeweiligen Zeitgeistes deutlich werden. 

Zum Ende des dritten ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am Main haben am 16.5.2021 zwei Frauen die Predigt im Wechsel gehalten: die ev. methodistische Pastorin Mareike Bloedt und die franziskanische Ordensschwester Katharina Ganz. 

Dabei sind mir in der Predigt folgende drei spirituellen Impulse aufgestoßen:  

Erstens: Die Spiritualität der Besserwisserei 

In der Predigt ging es um „Gerechtigkeit“. Ein Thema, das die Menschheit seit tausenden Jahren ins Grübeln und ins Schwitzen bringt; zumal oft genug die schönsten Gerechtigkeitsutopien der schnellste Weg in die Hölle waren. 

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Von diesen Schwierigkeiten und Dilemmata habe ich in der Predigt nichts gespürt. Im Gegenteil: Das mit der Gerechtigkeit ist laut Predigerinnen gar nicht so schwer: Wir müssen einfach nur alles gerecht verteilen. Immer wieder ist von der „Verteilungsgerechtigkeit“ die Rede. Die „Leistungsgerechtigkeit“ als notwendiger Gegenpol zur Verteilungsgerechtigkeit kommt überhaupt nicht vor. Menschen, die erleisten, was verteilt werden kann, sind nicht im Blick. Umso eindringlicher wird Gott beschworen: „Bei Gott findest du Gerechtigkeit. Er ist gerecht. Schaust du auf Gott, dann begegnet dir gerechtes Handeln … Und er lädt sein Volk ein, alles gerecht zu verteilen.“ 

Wie solche gerechte Verteilung dann konkret umgesetzt werden soll, dazu geben die beiden Frauen keinen Hinweis. Aber solche grundlegende universale Umverteilung wird bestimmt ebenfalls ganz einfach gehen. Denn auf dem Kirchentag weiß man in der Abschlusspredigt über Gerechtigkeit Bescheid: „Mit gutem Willen, Enschlossenheit, Phantasie und Kreativität gehen wir globale Herausforderungen an, damit es nicht ungerecht bleibt, wo man geboren ist.“  

Zweitens: Die Spiritualität der Selbstüberschätzung 

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„Durch unseren Glauben und durch unser Handeln gestalten wir Kirche und Welt; so helfen wir Gottes Gerechtigkeit zum Durchbruch; im Kleinen und im Großen.“ Da hat Gott ja noch mal Glück gehabt, dass er die gegenwärtigen Umverteilungs-Gerechtigkeits-Christen hat, damit seine Gerechtigkeit dann endlich doch noch zum Durchbruch kommt. Die paar Christen, die angesichts dieser Aufgabe ein wenig zögerlich sind, werden in der Predigt kritisch in den Blick genommen: „Drücken wir uns nicht vor der Verantwortung!“ Sicherlich, „ohne Wehen und Schmerzen wird es nicht gehen. Aber das Leben besiegt den Tod. Daran glaube ich.“ Das war wohl ein Bezug auf die Auferstehung Jesu oder auf eine Frühlings-Schöpfungs-Theologie, wo das Leben nach dem Winter wieder siegt. Jesus Christus und der Schöpfer werden hier zu einer blutleeren Chiffre dafür, dass sich die eigenen politischen Gerechtigkeitsvorstellungen einmal durchsetzen werden – und seien sie noch so einseitig und unausgegoren. 
Drittens: Die Spiritualität der Weltrettung

„Zum guten Leben aller beizutragen, ist der Auftrag unserer Kirchen“; erfreulich ungeschminkt definiert Frau Ganz den Auftrag der Kirchen. Der Schwerpunkt der Kirchen liegt für den Kirchentag also nicht auf der Beziehung zu Gott oder auf der Verkündigung des Evangeliums oder auf dem rechten Gebrauch der Sakramente. Der Schwerpunkt der Kirchen liegt eindeutig in einer humanen Sozial-Ethik. 

Dabei ist das „gute Leben“ mit der Verteilungsgerechtigkeit geklärt und braucht nicht mehr diskutiert zu werden. Und natürlich ist der Auftrag der Kirche universalistisch das gute Leben „aller“ – je kleiner die Christenheit in Deutschland wird, umso größer und anspruchsvoller werden die Ziele.

Aber ist „zum guten Leben aller beizutragen“ nicht der Auftrag aller Menschen und auch der politischen Parteien? Dann hätte obige Definition weitreichende Auswirkungen: Sie würde die Kirche definitiv auflösen in allgemeine Menschlichkeit und politische Parteiarbeit. 

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Streng genommen hat damit der Kirchentag das Ende der Kirche eingeläutet. Denn die Selbstsäkularisierung der Kirche in Humanität und Parteiarbeit ist die kirchliche Krankheit zum Tod. Gegen diese kirchliche Krankheit zum Tode hilft auch nicht, wenn der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seiner Anwesenheit dem Abschlussgottesdienst noch ein wenig Glanz und Macht verleiht. 

Wer davon überzeugt ist, dass Gott ein Rot-Grüner ist, der mag begeistert von diesem Abschlussgottesdienst gewesen sein mit seinen klaren Worten und eindeutigen Positionierungen.  

Wer aber dagegen ist, Gott für (politische) Zwecke zu instrumentalisieren und wer davon überzeugt ist, dass der Bereich des Humanen und des Politischen den ständigen kontroversen, pluralistischen und rationalen Diskurs braucht, der kann sich über solche polit-spirituelle Sozialethik-Feierlichkeit nur verwundert die Augen reiben. 

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