In der Marktwirtschaft gilt der Grundsatz „der Kunde ist König“. Der Kunde ist „kundig“ wie ein König; er weiß, was er will, was er braucht, was ihm gut tut. Auf dem Markt sucht der König den Anbieter, der ihm seine Wünsche am besten „bedient“ (griechisch diakonein). Die Anbieter auf dem Markt stehen in Konkurrenz zueinander, und müssen darum im Sinne des Kunden gut sein oder besser werden, um König Kunde zufriedenzustellen. Nur als attraktive „Dienstleister“ erhalten sie den Zuschlag für den Verkauf Ihrer Waren oder Dienstleistungen.
Die Marktwirtschaft setzt die Weisung Jesu um: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener = Diakon sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein“ (Markusevangelium 10,43-44).
Marktwirtschaft als Dienst am Kunden ist ihrem Wesen nach „Diakonie“. In einem marktwirtschaftlich geführten Unternehmen kann fundamental mehr „Diakonie“ stecken als in einem diakonischen Werk der Wohlfahrtspflege, wo manchmal gar nicht der Mensch im Mittelpunkt steht, sondern die staatlichen Vorgaben, die eingehalten werden müssen, um an die Geldtöpfe der staatlichen Refinanzierung zu kommen.
Für Politiker ist Marktwirtschaft allerdings nicht unbedingt attraktiv. Einige Politiker werden zwar „Minister“ (= „Diener“) genannt. Aber das ist oftmals nur eine verbale Nebelkerze; denn im Kern geht es in der Politik um Macht. „Das Streben nach Machtanteil“ oder die „Beeinflussung der Machtverteilung“ sind nach Max Weber für die Politik zentral. Politiker lieben darum die Planwirtschaft, denn in der Planwirtschaft ist der Politiker der König. Der machtvolle Politiker, der zu wissen meint, wieviel Windräder die beste Energieversorgung liefern. Der machtvolle Politiker, der die Mietendeckel bestimmt und die Neubautätigkeit von 400.000 Wohnungen pro Jahr plant. Der machtvolle Politiker der beim Auto, bei Heizungen, bei Wärmedämmung genau weiß, was optimal ist und das dann mit dem Machtinstrument Subvention forciert.
Die Wirtschaft stellt sich sich zügig auf die Planwirtschaft ein. Den Anbietern geht es dann halt nicht mehr vorrangig um König Kunde, sondern um König Politiker. Das kann ebenfalls satte Gewinne abwerfen. Zumal wenn man mehr Geld in die politische Lobbyarbeit steckt als in die Entwicklung der eigenen Produkte. Wirtschaft ist anpassungsfähig und stellt sich auf neue Rahmenbedingungen ein.
Die Marktwirtschaft ist jedoch nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft nicht unbedingt attraktiv. In der Marktwirtschaft müssen Anbieter ständig gute und preisgünstige „Dienste“ bringen, um Kunde König zu gewinnen und um die Konkurrenz auszuschalten. Das macht Stress und schmälert die Gewinne.
Und so möchten auch mancher Anbieter die Marktwirtschaft aushebeln; aus dem Nachfragemarkt soll ein Angebotsmarkt werden, in dem der Anbieter selber König ist. Das schafft er durch Absprachen mit anderen Anbietern. Oder das schafft er durch Kungelei mit den Politikern, die den Markt in seinem Sinne regulieren sollen. Solche „Public-Privat-Partnership der schlechten Art“ kann für Politiker und Anbieter hochattraktiv sein. Dafür steht z.B. Pfizer-BioNTech, die mit einer public-private Impfkampagne exorbitante Gewinne eingefahren haben. Nach außen wird das natürlich als ultimativer Fortschritt und Vorteil für die Kunden verkauft, damit der ehemalige König nicht bemerkt, dass er unter der Hand entmachtet, ja versklavt wurde.
Vielleicht kann man diese Anbieterwirtschaftsform in Abgrenzung zur Marktwirtschaft „Kapitalismus“ nennen. In dieser Art „Kapitalismus“ wird der Gewinn nicht mehr durch die optimale Bedienung des Kunden gewonnen, sondern durch Kungeleien, Korporationen oder Wegkaufen der lästigen Konkurrenz.
Zusammenfassend möchte ich festhalten: In der Wirtschaftspolitik geht es darum, wer der König ist. Ist der Kunde König, dann sind wir in einer Marktwirtschaft. Ist der Politiker König, dann sind wir in einer Planwirtschaft. Ist der Anbieter König, dann könnte man das „Kapitalismus“ nennen.
Die Realität besteht zumeist aus Mischformen. Doch je mehr Diakonie=Marktwirtschaft die Wirtschaft prägt, desto besser ist das für die Mehrzahl der Menschen. Ganz im Sinne des großen Diakons Jesus Christus, dessen Worte vom Dienen im wirtschaftspolitischen Kontext eine spannende neue Bedeutung bekommen:
„Ihr wisst, die als Politiker gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so soll es unter euch nicht sein; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein“ (Markus 10,42-44).