Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKMD) scheint Gefallen an politischer Kirchenzucht gefunden zu haben. Waren 2020-2023 die kirchlichen Querdenker im Visier der Kirchenfürsten, so sind es jetzt die ehrenamtlichen Gemeindekirchenräte, die der AfD nahestehen. Diese möchte man mit einem neuen Kirchengesetz aus allen Gemeindekirchenräten ausschließen.
Dabei geht die Kirche gegen ihre eigenen Mitglieder nach einer Methode vor, die ich kurz skizzieren möchte und die ernsthafte Fragen über den Zustand der Kirche aufwirft:
In der Coronazeit hatte sich die Kirche in ihrer Abwertung der corona-kritischen Gemeindeglieder nicht von ihren Grundlagen wie der Heiligen Schrift oder den evangelischen Bekenntnisschriften oder dem staatlichen Grundgesetz leiten lassen, sondern vom „Robert Koch Institut“ (RKI). Das Robert Koch Institut ist eine weisungsgebundene Behörde, die dem Gesundheitsministerium unterstellt ist.
Das Robert Koch Institut hat zwar intern wissenschaftlich kontrovers und durchaus querdenkerisch diskutiert, wie die freigeklagten Ergebnisprotokolle des RKI-Krisenstabs sehr schön offenlegen. Aber nach außen hat das RKI weisungsgemäß die Meinung der Regierung vertreten und ihre gleichgeschalteten Presseerklärungen fälschlicherweise als „die Wissenschaft“ verkauft. Das klingt pervers, aber so ist das in staatlichen Hierarchien.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat sich bei ihren eigenen Corona-Maßnahmen nicht auf die kontroverse wissenschaftliche Debatte gestützt, sondern auf die regierungskonformen einseitigen Pressemitteilungen des RKI. Damit ist die Kirche von einer freien und selberdenkenden evangelischen Kirche zu einer untergeordneten Behörde der nachgeordneten RKI-Regierungsbehörde geworden. Kurz: Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat sich in der Coronazeit freiwillig zum willigen Ausführungsorgan der Regierung gemacht.
Nach genau demselben Muster handelt jetzt die EKMD bei der beabsichtigten politischen Säuberung von Gemeindekirchenräten. Maßgeblich ist dabei wiederum eine nachgeordnete Regierungsbehörde. Dieses Mal ist es der Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz ist eine weisungsgebundene Regierungsbehörde, die dem Innenministerium unterstellt ist. Nun behaupten die Verfassungsschutzbehörden gemäß der Weisung parteipolitisch befangener Innenminister, dass die konkurrierende Opposition „gesichert rechtsextrem“ sei. Das hat so viel Aussagekraft wie die Aussage von Bayern München, dass Bayer Leverkusen gesichert faulextrem sei und deshalb disqualifiziert werden müsse. Jeder fair denkende Sportskundige weiß, dass das nicht Bayern München, sondern nur ein neutraler Schiedsrichter entscheiden kann. Der neutrale Schiedsrichter im politischen Bereich ist nicht der regierungsunterstellte Verfassungsschutz, sondern das unabhängige Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das ist die fundamental wichtige Gewaltenteilung in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.
Antragsteller möchten auf der Landessynode der EKMD (11.-13.4.2024) ein Gesetz beschließen, das „kirchenfeindliche“ Kirchenmitglieder von der Gemeindekirchenrats-Wahl ausschließt. Als „kirchenfeindlich“ soll gelten, „wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht respektierende, extremistische, antisemitische, fremdenfeindliche oder sonst menschenverachtende Positionen vertritt oder sich in entsprechenden Organisationen betätigt.“
Meinen die Antragsteller damit die eigene Kirche, die im Missbrauchsskandal und bei der Diskriminierung der Ungeimpften ihre menschenverachtenden Positionen öffentlichkeitswirksam unter Beweis gestellt hat? Ach nein, soviel Selbstkritik darf man von einer Kirche nicht erwarten. Es geht natürlich um die AfD. Das zeigen die Erläuterungen der Antragsteller: Der Gesetzesentwurf „resultiert insbesondere aus der gewachsenen Bedeutung der AfD und der Überlegung, dass sich aus der Tatsache, dass die AfD in den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, Konsequenzen ergeben müssen.“
Weil eine Regierung Probleme mit der konkurrierenden Opposition hat und darum ihre weisungsgebundene Regierungsbehörde dementsprechend instruiert, müsse das Konsequenzen für die EKMD haben? Was ist das für ein regierungsabhängiges Kirchenverständnis? Was ist das für eine kirchliche Verachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wenn die Kirche die Legitimität einer Partei nicht dem Bundesverfassungsgericht überlässt, sondern einer parteipolitisch geprägten Regierungsbehörde?
Die EKMD beruft sich in ihrer Kirchenverfassung ausdrücklich auf die Barmer Theologische Erklärung von 1934. Dort formulierte die Bekennende Kirche: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung (…) dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.“
Die Antragsteller verachten mit den Gesetzesvorlagen zur Gemeindekirchenratswahl ihre eigenes christlich-kirchliches Bekenntnis. In ihrem regierungshörigen „Kampf gegen rechts“ scheint sie das in ihrer blinden Naivität noch nicht einmal wahrzunehmen. Dabei wird zudem ausgeblendet, dass auch die anderen Parteien Entscheidungen treffen, die aus demokratischer und kirchlicher Perspektive ebenfalls kritisch betrachtet werden müssen.
Sicherlich kann eine Kirche über die Wiederbelebung der Kirchenzucht in ethischen Fragen oder in Fragen des Glaubens nachdenken. Doch falls Kirche sich selber noch ernst nimmt, darf sie dabei nicht einfach die interessegeleiteten Vorverurteilungen der amtierenden Regierung übernehmen.
Dass die ev. Kirche innerhalb der letzten vier Jahre gleich in zweifacher Form diesen Fehler begeht, lässt darauf schließen, dass die EKMD in Bezug auf das Kirche-Staat-Verhältnis einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler in ihrem theologischen Betriebssystem hat.