Tichys Einblick
Jörg Peter

Ausgestoßen! Interview mit einem Thüringer Gemeindekirchenratsmitglied, das nicht mehr paßt

Folgendes Interview zeigt, wie die Amtskirche mit unausgegorenen Polit-Verordnungen für Menschen und Gemeinschaften zum Lebens- und Glaubenshindernis wird. Das Interview mit Jörg Peter führte Pfarrer Achijah Zorn.

Wie andere Landeskirchen und Bistümer hat die Mitteldeutsche Kirche per Verordnung erlassen, dass bei den nächsten Gemeindekirchenratswahlen Kirchenmitglieder, die der AfD angehören, als „kirchenfeindlich“ gelten. Alle AfD-Mitglieder werden undifferenziert in Sippenhaft genommen und dürfen nicht mehr für kirchliche Ämter kandidieren.

Folgendes Interview von Achijah Zorn möchte veranschaulichen, wie das ganz konkret für einen Betroffenen aussieht. Jörg Peter, Bankkaufmann, 67, verheiratet, vier Kinder, vier Enkelkinder, ist in Tautenhain bei Bad Klosterlausnitz seit 2012 im Gemeindekirchenrat. Tautenhain hat 980 Einwohner, davon 220 evangelisch. Seit 2017 ist Jörg Peter AfD-Parteimitglied und seit 2019 Kreistagsabgeordneter für die AfD.

Achijah Zorn: Wie kommt es, dass Sie in der Kirche engagiert sind?

Jörg Peter: Mit 14 Jahren musste ich meinen 12-jährigen Bruder hier in Tautenhain zu Grabe tragen. Das war eine schwere Zeit. Meine Mutter war danach mehrere Jahre krankgeschrieben. Erstaunlicherweise hat mich dieser Schlag nicht von Gott abgebracht, sondern näher zu Gott hingebracht. Ich glaube fest daran, dass das Irdische nicht alles ist und dass hinter diesen Dingen, die ich nicht verstehen kann, ein Schöpfer steht, der die Dinge doch in seiner Hand hält. Ich arbeite in der Kirche mit, weil ich aktiv einen kleinen Beitrag dazu leisten möchte, dass der christliche Glaube hier im Osten lebendig bleibt. Bei meiner Enkelin in der Klasse gehen nur noch sehr wenige Kinder zur Konfirmation.

Was ist Ihr Aufgabenbereich in der Kirche in Tautenhain?

Ich bin hier insbesondere für die Trauergottesdienste zuständig. Wir haben pro Jahr durchschnittlich 13 Beerdigungen, 30 Prozent von Kirchenmitgliedern, 70 Prozent Nicht-Evangelische. Ich übernehme Küsterdienste rund um die Kirche und führe Absprachen mit Bestattern. Passend dazu bin ich für unseren Friedhof zuständig. Die Grundpflege machen sehr gut Mitarbeiter unseres dörflichen Bauhofs sowie eine Werkstatt für Behinderte, aber wenn zwischen den Gräbern das Gras zu hoch wächst, dann habe ich 10 Jahre lang selber Hand angelegt. Unser Dorffriedhof ist in einem gepflegten Zustand; viele Menschen fühlen sich mitverantwortlich. Und weil wir einiges ehrenamtlich machen, gehören wir im Umland zu den Friedhöfen mit den niedrigsten Gebühren. Das kommt allen Dorfbewohnern zugute.

Hat Ihr Aufgabenbereich in der Kirche etwas mit dem frühen Todeserlebnis mit Ihrem Bruder zu tun?

Bestimmt. Ich bin beim Thema Sterben durch meine eigene Erfahrung sehr feinfühlig und offen. Das wissen die Leute hier im Dorf. Wenn jemand stirbt, wenden sich die Menschen manchmal zuerst an mich und fragen mich um Rat. Schön, wenn ich Menschen in diesen schweren Stunden eine kleine Hilfe und ein kleiner Beistand sein kann.

Machen Sie Ihr Ehrenamt in der Kirche gerne?

Ja. sehr gerne. Ich liebe unsere Kirche. Sie ist die Gottesstube in unserem Dorf. Sie ist für alle im Dorf da. Und wenn man sie betritt, ist der normale Alltag unterbrochen. Wenn ich das Jesuskreuz sehe, bekomme ich eine neue Sicht auf das Leben. Mir geht es gesundheitlich noch recht gut. Darum würde ich gerne 2025 als Gemeindekirchenratsmitglied erneut kandidieren, sofern die Kirche mir das als AfDler noch erlaubt.

Warum sind Sie Mitglied in der AfD?

Ich finde, dass unser Land politisch in keinem guten Zustand ist. Die rechtswidrige Grenzöffnung von Angela Merkel hat bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht. Das kann nicht gut gehen. Sogar unser Bundeskanzler Olaf Scholz hat vor wenigen Monaten von der Notwendigkeit einer Rückführungsoffensive für ausreisepflichtige Ausländer gesprochen. Passiert ist nichts Entscheidendes. Die AfD ist die einzige Partei, der ich zutraue, dass sie dieses Problem wirklich angeht. Dann bin ich gegen Windkraftwerke im Wald. Ich lebe hier im Saale-Holzland-Kreis. Wie der Name schon sagt, verstehen wir hier etwas von Holz, Wald und Umweltschutz. Jetzt sollen hier in unmittelbarer Nähe 5 Hektar Wald gerodet werden für 5 Windräder, die genau dann keinen Strom liefern, wenn wir ihn bei Dunkelflaute so dringend bräuchten. Die AfD ist die einzige Partei, die diesen Windkraft-Wahn nicht mitmacht. Dann ist die AfD für „Demokratie nach Schweizer Vorbild“. Das waren die Plakate, die ich in Tautenhain am liebsten aufgehängt habe. Wir brauchen unbedingt mehr Demokratie beim Volk. Schon Willy Brandt hatte gesagt „mehr Demokratie wagen“. Dieses Jahr haben wir die Plakate „Demokratie statt Brandmauer“, finde ich auch gut. Die Demokratie lebt, wenn wir miteinander reden.

Wie kommt im Dorf Ihr Engagement bei der AfD an?

Ganz gut. Ich hoffe, dass wir jetzt bei der Kommunalwahl über 40 Prozent der Stimmen in unserem Dorf erhalten. Wenn ich Wahlplakate aufhänge, dann halten hin und wieder Leute mit dem Auto an und rufen mir Aufmunterndes zu. Wir im Dorf sind aufeinander angewiesen. Wir helfen einander. Wenn wir uns wegen politischer Unterschiede in die Haare kriegen würden, dann läuft hier nichts mehr. Das können wir uns im ländlichen Raum nicht erlauben. Wir haben hier eine bodenständige Toleranz.

Spielt Politik im Gemeindekirchenrat eine Rolle? Haben Sie persönlich schon mal AfD-Themen in die Kirche eingebracht?

Nein, auf keinen Fall. Man kann sich jederzeit mit mir über Politik unterhalten. Aber nicht in der Kirche. Politische Streitereien schaffen heiße Köpfe und kalte Herzen. In der Kirche aber geht es um Gott und Jesus Christus. Und das schenkt warme Herzen. Wenn die Kirche in die Politik hineinfummelt, dann hat sie oft genug ein sehr unglückliches Händchen. Ein einziges Mal hat Politik in meiner Kirchentätigkeit eine Rolle gespielt. Da wollten Angehörige eines Verstorbenen nicht, dass ich im Trauergottesdienst den Küsterdienst übernehme, weil ich in der AfD bin. Sie haben bei der Pfarrerin darum gebeten. Da habe nicht ich, sondern da haben andere die Politik in die Kirche getragen.

Kam es zu einem Streit?

Nein. Unsere Pfarrerin hat mir den Wunsch mitgeteilt. Um des Friedens willen habe ich eingewilligt. Ohne Probleme. Ich möchte, dass wir hier im Dorf und im Gemeindekirchenrat möglichst gut zusammenarbeiten. Da muss ich bereit sein, mal den unteren Weg zu gehen. Das ist in der Familie so. Das ist auf der Arbeit so. Das ist in der Partei so. Das ist in der Kirche so. Ich weiß aber nicht, ob die Kirche sich damit einen Gefallen tut, wenn sie sich darauf einlässt, dass die kirchlichen Mitarbeiter bei ihrer Arbeit nach politischen Kriterien ausgesucht werden. Kirche verleugnet das Wertvollste, was sie hat; sie verleugnet ihren eigenen Glauben, wenn sie die Politik in der Kirche über den Glauben stellt.

Was die Angehörigen gemacht haben, die Politik über den Glauben zu stellen, das macht jetzt tatsächlich die Landeskirche per Kirchenverordnung. Ihre Kirche und Ihr Landesbischof Kramer werfen Ihnen vor, dass eine Mitgliedschaft in der AfD mit dem „christlichen Menschenbild“ nicht vereinbar sei.

Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf. Ich kann den Vorwurf nicht nachvollziehen. Im Dorftratsch sagte jemand zu einem anderen Gemeindekirchenratsmitglied: „Der Jörg Peter wird ja bald nicht mehr bei euch im Kirchenvorstand sein dürfen, wegen der AfD.“ Das konnte sie gar nicht glauben: „Das kann nicht sein. Der ist wichtig für uns. Der hilft, wann immer er kann. Der tut keiner Fliege was zuleide. Wir arbeiten doch schon viele Jahre gut miteinander zusammen.“ Sie hatte das wohl noch gar nicht mitbekommen mit dem neuen Kirchengesetz. Am 7. Mai kam der Bischof Kramer hier in unser kleines Tautenhain zu einem offenen Gespräch in die Kirche. Manche sagten: „Zum ersten Mal seit Jahrhunderten kommt ein Bischof in unser Dorf. Das ist bestimmt nur wegen Dir, Jörg.“ Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber da ging es natürlich auch um das Thema. 45 Leute waren da. Manche wollten wohl einfach nur mal den Bischof sehen. Aber das Thema AfD wurde von den Besuchern angesprochen. Ich habe viel Rückenwind erlebt. Ein Kreistagsabgeordneter von der freien Bürgerinitiative Holzland kennt sich gut mit der Bibel aus. Auch der hat dem Bischof Kontra gegeben.

Die Fronten sind ziemlich verhärtet. Da hat keiner den anderen auf einen anderen Zug bringen können. Aber es war insgesamt eine sehr sachliche Atmosphäre. Niemand ist laut und ausfällig geworden. Bei Corona hat der Bischof, leider nur sehr allgemein, Fehler der Kirche eingestanden. Hinterher haben wir mit dem Bischof noch gegrillt und ein wenig getrunken. Es wäre ein fruchtbarer Abend gewesen, wenn sich nicht die eine Seite anmaßen würde, die andere Seite als unchristlich zu diffamieren und aus den Kirchenämtern auszuschließen. Eine Person kam auf mich zu und sagte mir: „Sie machen so eine wertvolle Arbeit für die Kirche. Aber das mit der AfD kann ich nicht verstehen.“ Deshalb habe ich mich auf dieses Interview eingelassen. Vielleicht ist es mir hier ein wenig gelungen, meine Sichtweise verständlicher zu machen.

Herr Peter, ich danke Ihnen sehr für das offene Gespräch und wünsche Ihnen Gottes Segen und Beistand. Es sind irre Zeiten. Sie engagieren sich mit Herzblut für den Glauben, für Ihre Kirche und Ihr Dorf, und trotzdem meinen einige Kirchenleute, dass sie höchstens noch Kirchenmitglied zweiter Klasse sind. 

Ich danke Ihnen, dass Sie auf mich zugekommen sind. Ich wünsche auch Tichys Einblick alles Gute.

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