Tichys Einblick
Vorwort zum Sonntag

Grundsätzliche Fragen zum Krieg in der Ukraine

In der deutschen Öffentlichkeit ist man mit politischen Urteilen schnell zur Hand. Auch wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Wichtig wäre es, sich zunächst ein paar grundsätzlichen Fragen zu stellen.

IMAGO/Itar-Tass

1) Ab wieviel Tod und Zerstörung ist ein ungerechter Frieden besser als ein heldischer Widerstand?

2) Welchen Sinn macht es, den Kämpfer, der es mit einem Bären aufnimmt, nur mit einer Gabel auszurüsten statt mit einem Messer?

3) Ab der Lieferung welcher Waffensysteme ist Deutschland eine kriegsführende Partei gegen Russland? Ab des Kaufs welcher Gasmengen sind Deutschland und Russland ziemlich beste Freunde?

4) Falls Russland den Krieg gewinnen und die Ukraine kapitulieren sollte, feiern wir dann den wochenlangen Heldenmut der Ukrainer und unsere unerschütterliche Fahnensolidarität mit ihnen? Wären die Ukrainer und wir dann die „Sieger der Herzen“?

5) Wer baut die Ukraine nach dem Krieg wieder auf?

6) Welche Länder und politischen Organisationen auf dieser Erde dürfen völkerrechtswidrige Angriffskriege führen, ohne dafür international verurteilt und sanktioniert zu werden?

7) Ist die westliche Versuchung zum Krieg in der Ukraine so verführerisch, weil man Krieg führen kann mit ein paar Milliarden aus der Druckerpresse, ohne dabei selber an der Front seinen Kopf hinhalten zu müssen?

8) Wer profitiert eigentlich von diesem verdammten Krieg? Die Ukraine und Russland sind es wohl nicht, jedenfalls nicht deren Bevölkerung, selbst wenn einer von ihnen den Krieg gewinnen sollte.

9) Können sich kriegsführende Gesinnungsethiker vorstellen, dass man mit bester Haltung in den Krieg zieht, dass man ihn sogar gewinnt, und dass man am Ende doch mit leeren Händen und kaltem Herz dasteht?

10) Wenn ein skrupelloser Einbrecher brutal und rücksichtslos in das Haus eines Schwächeren eindringt, muss ich dem Schwachen helfen, wenn es der Schwächere so will? Muss ich dem Schwächeren helfen, selbst wenn meine Hilfe mich selber in Gefahr brächte und gleichzeitig eine weitgehende Zerstörung des Hauses und den Tod des Schwächeren provozieren würde?

11) Was sind die Interessen von Deutschland im Ukrainekrieg?

12) Kann nur eine konsequente und angriffsbereite Abschreckungsdoktrin einen Krieg mit Putins Russland verhindern? Ist das vermeintlich überholte „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (2.Mose 21,23-25) der beste Weg zum Frieden?

13) Was sind die Grundzüge einer „feministischen Außenpolitik“ (Annalena Baerbock) im Ukrainekrieg?

14) Ist derjenige, der Schwerter zu Pflugscharen machen will, bereit, die Felder derer zu pflügen, die Pflugscharen zu Schwertern machen?

15) Ist der Ukrainekrieg eines dieser elenden ethischen Dilemmata, wo ich nur Schuld und Blut auf mich häufen kann, egal für welchen Weg ich mich entscheide? Gibt es einen Weg, der – bestenfalls langfristig – etwas weniger Schuld und Blut bedeuten könnte?

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