Tichys Einblick
Vorwort zum Sonntag

Zum Erntedankfest eine persönliche Dankliste

Demokratie gibt es nur mit regierungskritischer Opposition. Gerade auf Kreuzwegen ist deswegen das christliche Leben heilsam. Gott schenkt Mut, öffentlich zu seiner Meinung zu stehen - und sich nicht dem Konformismus hinzugeben.

Demokratie gibt es nur mit regierungskritischer Opposition. Alternative Denkweisen und offene Konflikte können das Miteinander bereichern und für bessere Lösungen sorgen. Doch in Zeiten, wo Regierungskreise ihre Macht missbrauchen, um die Leitmedien in grundlegenden Themen gleichzuschalten und um abweichende Meinungen als „rechts = rechtsextrem“ zu diffamieren und zu tabuisieren, wächst in mir die Dankbarkeit für allen Widerstand dagegen:

Ich bin dankbar für alle Medien, die es wagen, mit disziplinierter Skepsis den Regierungskurs grundsätzlich zu hinterfragen. Journalismus wird allein durch gut begründete Regierungskritik zum „Sturmgeschütz der Demokratie“. Danke, dass heute jeder, wer will, leicht zugänglich die Möglichkeit hat, sich ein vielschichtiges Bild von der Wirklichkeit zu machen, das über die Einseitigkeit des Öffentlich-„Rechtlichen“-Rundfunks hinausgeht.

Ich danke für Tichys Einblick. Hier fühle ich mich Zuhause, weil ein spannungsvoll-vielstimmiges, intellektuell-anspruchsvolles und aufgeschlossen-progressives Liberal-Konservativ mein Innerstes anregt. Danke, dass Tichys Einblick wirtschaftliche Hintergründe im Blick hat, weil da entscheidenden Weichenstellungen laufen. Ohne die Gelddruckorgien der Europäischen Zentralbank wären linksgrüne Luftschlösser nicht möglich.

Ich danke für die Vielfalt an neuen Medien, die in Konkurrenz zueinander stehen. Danke, dass die alternative Szene nicht eindimensional und zentralistisch organisiert ist, sondern vielseitig von unten wächst und getragen ist. Danke für die „Causa Aiwanger“, die ermutigend gezeigt hat: Die Noch-Leitmedien kriegen ihre Kampagnen nicht mehr ohne Weiteres durchgezogen. Kontinuierliche und geduldige Arbeit auf vielen alternativen Kanälen und Plattformen lässt positive Früchte wachsen.

Ich danke für alle Menschen, die sich nicht von Staatswahrheiten einlullen lassen, die angeblich nicht hinterfragt werden dürfen. Danke für alle Menschen, die sich bemühen, zwei entgegengesetzte Informationsquellen zu jedem Thema zu studieren. Danke für alle, die für die eigene Meinung bereit sind, gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Ihnen fühle ich mich verbunden, selbst wenn wir an vielen Punkten unterschiedlich ticken. Danke für die vielfach gemachte Erfahrung unter den gesellschaftlich Diffamierten: „Im Ghetto hält man zusammen“. Danke für neue Verbindungen, Freundschaften und Gemeinschaften.

Ich danke für alle Menschen, die zuhören, die Gespräche nicht vorschnell abbrechen, die versuchen zu verstehen, die Unterschiedlichkeit als Bereicherung erleben, die sich Diskussionen stellen. Danke für alle Menschen, mit denen man auch mal richtig streiten kann; die gerade da, wo es anfängt spannend zu werden, nicht mit der billigen Floskel kommen „darüber will ich jetzt mit Ihnen nicht sprechen“. Danke für jeden „Links-liberalen“, der wirklich links-liberal ist und nicht de fakto links-illiberal.

Ich danke allen Menschen, die frischen Schwung in das Parteiensystem bringen. Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht. Danke für alle Menschen, die darüber nachdenken, wie die Parteienmacht demokratisch aufgebrochen werden kann; in alten und neuen Parteien und in Formen, die die Macht der Bürger gegenüber den Parteien und ihren Netzwerken stärken.

Ich danke Gott für den Mut, öffentlich zu meiner Meinung zu stehen. Das hätte ich mir vor 10 Jahren noch nicht vorstellen können. Als kleiner Pfarrer in eine kleinen Gemeinde war ich damals hauptsächlich mit den Herausforderungen des Alltags beschäftigt. Und bei zuviel Gegenwind habe ich lieber geschwiegen. Heute stehe ich als selbstbewusster Bürger des Grundgesetzes öffentlich zu meiner Meinung. Ich habe dasselbe Recht wie Annalena Baerbock, meine Meinung zu sagen. Und wer mich dafür asozial ausgrenzt, dem mache ich unmissverständlich klar, dass er damit das Spielfeld des Grundgesetzes verlässt, selbst wenn er sich noch so sehr als Hüter der Demokratie aufspielt.

Danke, dass sich in den letzten Jahren für mich herausgefiltert hat, wofür ich bereit bin, alles zu geben: Für meine Familie und Freunde, für das Grundgesetz und für meinen freiheitlich-geborgenen-unmoralistischen Christusglauben. Ich weiß, wofür ich lebe, denn ich weiß, wofür ich sogar bereit bin zu sterben. Das Grundgesetz ist nicht das billige Make-Up einer Politikerkaste, die ansonsten bereit ist, mit der Ausrufung allerlei Notstände die Grundrechte mit Füßen zu treten. Das Grundgesetz ist die Grundlage für die bestmöglichen Spielregeln in einer pluralistischen Gesellschaft. Danke für dieses klevere Fundament eines guten Zusammenlebens. Danke für jeden, der dafür seinen Kopf hinhält.

Danke, dass es mir im Augenblick gelingt, zuversichtlich das viertelvolle Glas zu sehen, statt über das dreiviertel-leere Glas gesellschaftlich zu verbittern. Danke, dass ich auf Kuba lernen durfte, dass selbst unter einem total irren politischen System die Lebensfreude nicht völlig ausgelöscht werden kann. Danke, dass ich darüber Gelassenheit gewinne, auch wenn in unserem Land immer mehr passiert, was mich an Kuba erinnert. Danke, dass ich darüber aber auch an Kampfgeist gewinne, meinen kleinen Tropfen in die Oppositionsbewegung einzubringen. Danke, dass Gott mir die Kraft schenkt, mich auf den Marathon zur Stärkung des Individuums gegen allen Konformismus einzulassen.

Ich danke für meinen Weg, selbst wenn mein Tropfen auf den heißen Stein fast nichts bewirken sollte. Danke, dass mein Leben nicht an dem seidenen Faden des äußeren Erfolgs hängt, sondern auf diesen drei stabilen Säulen steht:

Danke, dass christliches Leben auch auf Kreuzwegen heilsam ist.

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